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Stuttgarter unikurier Nr. 89 April 2002
Schrittmacherfunktion bei der Erforschung grundlegender zellulärer Lebensprinzipien:
Die Bäckerhefe als Modellorganismus
 

Das Institut für Biochemie der Universität Stuttgart hat in den letzten Jahren durch Untersuchungen an der Hefe entscheidende Einblicke in die Funktionsweise des sogenannten Ubiquitin-Proteasom-Systems gewinnen können. Die Hefe ist seit uralten Zeiten eines der wichtigsten „Haustiere“ des Menschen; in biotechnologischen Prozessen wird sie verwendet, um Bier und Wein zu produzieren oder den Brotteig zu lockern. Die Forschung setzt die Hefe seit dem Ende des 19. Jahrhunderts als „Versuchskaninchen“ in der Biochemie, seit neuerer Zeit in der Genetik und der Molekularbiologie ein. Die gesamte Erbinformation der Hefe ist entschlüsselt, die Funktion einer Vielzahl ihrer Genprodukte ist aufgeklärt. Zwei der drei Wissenschaftler, die im letzten Jahr den Nobelpreis für Medizin erhielten, haben den Ablauf des Zellteilungszyklus und seine Bedeutung für die Krebsentwicklung an der Hefe entdeckt. 

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Die Gesundheit der Zelle hängt unmittelbar von der korrekten Funktion dieses Systems ab. Das kleine Eiweißmolekül Ubiquitin und der hochentwickelte Eiweißkomplex Proteasom kommen in allen höheren Zellen vor. Den Stuttgarter Wissenschaftlern gelang erstmals der genaue Nachweis, wie das Ubiquitinsystem und die Proteasom-Maschinerie in der Zelle zusammenwirken. Ihre Experimente zeigten, dass dieses System über den Abbau von Eiweißmolekülen (Proteinen) - diese erfüllen als Arbeitspferde die vielfältigen Aufgaben der Zelle - die Funktionen der Zelle kontrollieren.

Molekularer Fleischwolf
Das Ubiquitinsystem markiert dabei Eiweißmoleküle, die auf einen zellulären Befehl hin eliminiert werden müssen. Das Proteasom, quasi ein Fleischwolf mit molekularen Dimensionen, zerkleinert dann so gekennzeichnete Proteine. Diese zerstörerischen Prozesse sind lebensnotwendig. Der Ausfall des Proteasoms führt zum Tod der Zelle. Der korrekte Ablauf des Zellwachstums und der Zellteilung ist vom Ubiquitin-Proteasom-System so sehr abhängig, dass eine Störung zur Entartung der Zelle und zur Krebsentstehung führen kann.
Die Aufklärung der molekularen Anatomie des Ubiquitin-Proteasom-Systems der Hefe hat in den letzten Jahren wesentliche Erkenntnisse darüber geliefert, warum Zellen mit defektem Ubiquitin-Proteasom-System ihre genetischen Baupläne nicht mehr korrekt vererben. So entstandene Instabilitäten stellen die zentrale Ursache für die Entstehung bösartiger Tumoren dar. Überraschend war auch die Entdeckung im Stuttgarter Labor, dass das Ubiquitin-Proteasom-System in der Qualitätskontrolle der Eiweiße eine wichtige Rolle spielt. Eiweißmoleküle, die sich nicht zu der biologisch aktiven Form falten, werden über dieses System entfernt. Heute weiß man, dass in der Aufklärung solcher Abbauprozesse ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis von Krankheiten wie Mukoviszidose, Bovine Spongiforme Enzephalopathie (BSE), der Creutzfeldt Jakob-Krankheit, der Alzheimer- und auch der Parkinson'schen Krankheit liegt.

KONTAKT
Prof. Dr. Dieter H. Wolf, Institut für 
Biochemie, 
Tel. 0711/685-4390, 
Fax: 0711/685-4392
e-mail: dieter.wolf@po.uni-stuttgart.de

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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