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Stuttgarter unikurier Nr. 89 April 2002
30 Jahre Bauökonomie:
Wir können alles außer teuer!
 

30 Jahre ist sie alt - ein Import aus England - und fast wäre der Termin unbemerkt verstrichen, hätte da nicht eine wissenschaftliche Mitarbeiterin nachgerechnet und den Professor überzeugt, dass man so eine Jahreszahl nicht einfach ignorieren kann. 1971/72 fand das erste Semester am neuen Institut für Bauökonomie statt, und 2001 kamen im Mai rund 120 Gäste zum Fest in Stuttgart.

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Die Entstehungsgeschichte der Bauökonomie kennt der Mann der ersten Stunde, Professor Horst Küsgen: „Die Fakultät hatte gehört, dass man beim Finanzministerium eine Professorenstelle beantragen kann, und da sagte Professor Sulzer vom Lehrstuhl für Baukonstruktion und Entwerfen: Wir müssen den Lehrstuhl Bauökonomie nennen, denn wenn die bemerken, da gibt es Leute, die sehen den Architekten auf die Finger, dann bekommen wir die Professur - und er hatte Recht.“ 
Bauökonomie, das ist die Lehre von den wirtschaftlichen Vorgängen im Zusammenhang mit der Programmierung, Planung, Herstellung und Nutzung von Gebäuden. Dies bedeutet auch, die laufenden Kosten für das Gebäude und dessen Betrieb zu ermitteln. Traditionell sind Architekten nicht an den Kosten interessiert - sie legen größeren Wert auf Design und Gestaltung - doch Studenten sind auch neugierig, und so waren schon die ersten Vorlesungen und Seminare am neuen Lehrstuhl gut besucht. Entscheidend dazu beigetragen haben neben der Mundpropaganda nicht zuletzt auch die vielen Gast-Dozenten, die alle aus der Praxis kamen. „In der ersten Zeit war alles spannend“, erinnert sich Horst Küsgen, „die Studenten waren sehr aktiv und es gab nie Probleme mit ihrer Motivation.“

Kostenplaner für Architekten
Während seiner Praxis- und Studienjahre in London hatte Küsgen erstmals den Beruf des Kostenplaners kennengelernt; diese stehen dort den Architekten zur Seite. 
Seine späteren Arbeiten im Hochschul- und Klinikbau brachten die ersten Kontakte mit Peter Jockusch und dem Zentralarchiv für Hochschulbau in Stuttgart mit sich. Daraus entwickelten sich viele Aufträge, so dass Küsgen 1966/67 seine Wohnung und sein Entwicklungsbüro für Bauplanung (EfB) nach Stuttgart verlegte. Schon 1970 hielt er als Lehrbeauftragter an der Architekturfakultät der Universität Stuttgart ein bauökonomisches Seminar, es folgten „Mathematik für Architekten“ und „Planungsökonomie“. Als er Direktor des neuen Lehrstuhls für Bauökonomie wurde, löste er sein Entwicklungsbüro auf und nahm es als Forschungsgruppe mit in das neue Institut. Die Zusammenarbeit mit dem Rechenzentrum intensivierte sich.
Durch die Eingliederung der ehemaligen Mitarbeiter und der Forschungsaufträge des EfB konnte am Institut für Bauökonomie sofort forschend gearbeitet werden. Von Anfang an stand ein breites, aktuelles Lehrangebot zur Verfügung, und nach und nach entdeckten sogar die Kollegen der Forschung ihre Lust an der Lehre. Projekte über die Modernisierung von Altbauten und die Unterstützung von Mieterinitiativen durch Informationen hatten schon früh einen festen Platz in Lehre und Forschung. So konnten die Studierenden beispielsweise 1972 im Rahmen einer Diplomarbeit nachweisen, daß der von der Stadt Stuttgart geplante großflächige Abriss von Wohngebäuden im Stuttgarter Westen und die nachfolgende Bebauung mit Bürogebäuden für die städtischen Einnahmen nicht, wie eigentlich erwartet, günstiger gewesen wären als der Erhalt der Wohngebäude - bis heute ist der Stadtteil primär Wohngebiet geblieben. 
Als 1976 die Energiekrise die Endlichkeit der Erdölreserven in das Bewußtsein der Menschen brachte, wurden unter dem provokanten Motto „Wege zum Nullenergiehaus“ Entwürfe und wissenschaftliche Arbeiten durchgeführt - Dämmtechniken, Warmwasserkollektoren und anderes, um den Heizölbedarf zu reduzieren. Sonnenkollektoren wurden 
gebaut und im Hof getestet: „Erst die Praxis macht die Sache interessant“, weiß Küsgen.

Berufsqualifizierende Ausbildung
Zu den allgemeinen ökonomischen Grundlagen kamen ab 1991 CAD-Seminare und 2000 wurde das CasinoIT eingeweiht, mit vielen DV-Arbeitsplätzen und aktueller Hard- und Software. Im Bereich der Wohnungsmodernisierung untersuchten die angehenden Architekten an Stuttgarter Altbauten, inwieweit eine allgemeine und energetische Modernisierung durchführbar ist, welche Kosten durch die Maßnahmen entstehen und wie die Kostenbilanz der Mieter ausfällt. AVA (Ausschreibung, Vergabe, Abrechnung) wurde hier zum eigenen Seminarthema, um eine berufsqualifizierende Ausbildung zu gewährleisten, Planungs- und Projektmanagement tragen dem erhöhten Managementanteil in den Planungsbüros und der Bauleitung Rechnung. 
Viel Zeit ist seit den Anfängen vergangen - 30 Jahre -, und nun gibt es innerhalb Deutschlands an den Unis und FHs rund zehn Professuren der Bauökonomie - dies ist nicht unwesentlich auf das Stuttgarter Institut zurückzuführen. Die Bauherren sind aufgewacht, der Kostendruck beim Bau wird immer stärker und den Bauherrn interessiert vermehrt auch die Heizkostenprognose seines Hauses. Für die Architekturstudenten, die an der Uni Stuttgart die Bauökonomie nicht ausgespart haben, ergeben sich somit gute Chancen, in der Praxis unterzukommen. 
Professor Horst Küsgen ist seit zwei Semestern emeritiert und widmet sich seiner zweiten Leidenschaft, der Malerei. Anlässlich seiner Emeritierung haben Mitarbeiter die Geschichte des Instituts zu einer Festschrift gebündelt.

Julia Alber

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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