„So haben wir denn, mein Laborant und ich, reines Caprolactam mit 1/150 Mol Aminocapronsäurehydrochlorid und einer Spur Wasser in ein Glasrohr eingeschmolzen und dieses in der Nacht vom 28. auf den 29. Januar 1938 in einem sogenannten Bombenofen auf 240° erhitzt. [...] Eigentlich erwarteten wir nur ein halbes Resultat, eine Ermutigung. Doch das Unwahrscheinliche wurde Ereignis. Auch dieser erste Versuch war ein voller Erfolg. Als wir am Morgen das Rohr öffneten, konnten wir ein hochelastisches Formstück Polyamid 6 entnehmen. [...] Sofort war klar, daß die Erfindung in nuce bereits vorlag...“ So schildert Paul Schlack wenige Jahre vor seinem Tod die Erfindung des Perlons. Die Entdeckung fiel jedoch nicht vom Himmel, sondern war das Resultat langjähriger Forschungen als Textilchemiker.
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Paul
Schlack 1958 in seinem Labor bei Hoechst in
Frankfurt/Main (Universitätsarchiv Stuttgart Z 363). |
Nach dem Studium und kurzer
Tätigkeit als Assistent an der TH Stuttgart begann Paul Schlack (1897-1987) seine berufliche Laufbahn in der Industrie im Jahr 1924 in der Kunstseidenfabrik der AGFA in Wolfen und bei der Aceta GmbH in Berlin-Lichtenberg. Dort beschäftigte er sich zunächst mit Kunstseide. Als W. H. Carothers 1934 in den USA das Nylon
erfand (Polyamid 9, 1935 Polyamid 66), stürzte sich Schlack auf
eigene Faust und heimlich in die Polyamidforschung und es gelang ihm - wie oben geschildert -, einen „im Chemismus unabhängigen Weg“ zu finden, gleichwertige Fäden herzustellen.
Nach Beendigung seiner Industrietätigkeit blieb Schlack weiterhin sehr aktiv. Seit 1961 war er Honorarprofessor der TH/Universität Stuttgart und betreute bis 1968 zahlreiche Diplomarbeiten sowie allein 15 Dissertationen. Von 1962 bis 1968 leitete er die Forschungsgruppe für Chemiefasern des Instituts für Textilchemie in Stuttgart-Wangen (heute: Institut für Chemiefasern der Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung Stuttgart in Denkendorf).
Der umfangreiche Nachlass enthält Vorlesungs- und Vortragsmanuskripte, Korrespondenz, autobiographische Aufzeichnungen, Urkunden und Fotos. Der größte Teil besteht aber aus Schlacks Forschungsunterlagen: Laborbücher, Formeln, Patentanmeldungen sowie Versuchsprotokolle. Da Paul Schlack an allen wesentlichen Entwicklungen der Chemiefaserforschung Teil hatte oder sie begleitete, spiegelt der Nachlaß nicht nur sein reiches wissenschaftliches Wirken, sondern auch die Geschichte einer ganzen wissenschaftlichen Disziplin und zwar
in ihrer entscheidenden Phase zwischen den 1930er und 1950er Jahren.
Norbert Becker
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