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Stuttgarter unikurier Nr. 89 April 2002
Ermutigende Erfahrungen - Sorge um Kreativität:
Pro und Contra zum Thema Evaluation
 

„Qualitätssicherung ist eine wichtige Aufgabe und im Hochschulgesetz verankert“, stellt Prof. Dr.-Ing. Peter Göhner, Prorektor Lehre, heraus. Die Evaluation von Studiengängen soll die Qualität der Lehre verbessern. Doch welchen Einfluss sie tatsächlich haben wird, wird vielfach kontrovers diskutiert, so auch bei der öffentlichen Diskussionsveranstaltung des Informatikverbunds der Universität Stuttgart am 10. Dezember 2001.

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Seit 1998 werden beim Evaluationsverbund der Universitäten von Leipzig, Halle und Jena Fachevaluationen durchgeführt. „Wir haben damit bisher ermutigende Erfahrungen gemacht“, erklärt Dr. Solveig Rhinow von der Uni Leipzig. Geprüft werden: Studienorganisation, Studieninhalte, Lehre, Leistungsnachweise, Prüfungen und Absolventen.

Dreistufige Evaluation
Die Evaluation im Verbund läuft dreistufig. An erster Stelle steht ein Selbstreport des Faches, ein Lehrbericht, dann begutachtet eine Gruppe aus externen Fachleuten (Peer Group) und Interne (dazu gehören auch Studierende) für circa zwei Tage das Fach. Stellungnahme und Diskussion folgen. Zum Abschluss wird ein Entwicklungskonzept für das Fach erstellt, Zielvereinbarungen werden beschlossen. Die Universitätsleitung und die Vertreter des Faches schließen einen Kontrakt. Der gesamte Ablauf dauert etwa zwei Jahre.

Controller als „Feind der Wissenschaft“

Prof. Dr. Volker Claus, Dekan der Fakultät Informatik der Uni Stuttgart, konnte bei neun Evaluationen Erfahrungen sammeln, unter anderem auch als Peer. Er sieht Vorteile, aber auch Nachteile bei der Evaluation von Studienfächern. Seine Sorge und gleichzeitig seine Hauptkritik ist es, dass durch die Evaluation und die mit ihr verbundenen Bürokratie und Kontrolle die Kreativität und das Engagement der Professoren verloren gehen könnte. „Die Universität ist nicht gleich Wirtschaft, man kann nicht alles übertragen.“ Der „natürliche Feind der Wissenschaft sind die Controller“ und „Forschung braucht auch Muße, nicht immer nur kritische Evaluation“, gibt Prof. Claus zu bedenken.
Der erste Lehrbericht sei noch sehr befruchtend und beinhalte viele wichtige Erkenntnisse, weitere Lehrberichte würden allerdings Gefahr laufen, immer mehr zur Routine zu werden und das Ergebnis in eine bestimmte gewünschte Richtung zu lenken, meint Claus.

Datenerhebung zum Teil schwierig
Die Auswertung der umfangreichen Daten wie Studierendenzahlen, Frauenanteil, Erfolgs-/Abbrecherquoten, Prüfungsnoten und Verbleib nach dem Studium, die zudem teilweise sehr schwierig zu erheben sind, hält der Dekan für Informatik für problematisch. Auch könnten sich Nachteile ergeben, wenn sich die Peers teilweise gegenseitig in verschiedenen Evaluationsverfahren prüfen.
Zudem sind die Kosten für eine Evaluation nicht unerheblich. Die erste Evaluation veranschlagt Prof. Volker Claus mit 80.000 Euro plus ca. 200 Institutsstunden, die nachfolgenden würden etwa die Hälfte verbrauchen. 

Auch Ministerien evaluieren
Trotzdem sieht er im Moment mehr positive Aspekte für die Evaluation als negative. Wünschenswert wären aber auch Evaluationen auf anderen Ebenen wie Ministerien und Parlamenten; die Hauptschwächen der Unis könnten außerhalb ihres Entscheidungsbereiches liegen, meint Prof. Claus.
Für eine regelmäßige Evaluation gibt er folgende Anregungen: Ein Netzwerk von ehemaligen Studenten aufbauen, eine jährliche Lehrekonferenz abhalten, routinemäßig Datenerhebungen in der Fakultät einführen und guten Kontakt zu den Peers halten.

Evaluationsagentur mit Servicefunktion
„Wenn jetzt schon alles gut ist, woher kommt dann die Unzufriedenheit der Wirtschaft und der Studierenden?“ fragt Dr. Klaus Herberger vom Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg, der die vom Ministerium eingerichtete Evaluationsagentur betreut. Die Aufgaben der Agentur beschreibt er als Servicefunktion, dazu gehört beispielsweise die Unterstützung der Fachbereiche bei der Selbstevaluation und das Entwerfen von Fragebögen. Zudem wählt die Agentur die zu prüfenden Fächer aus.
Dr. Klaus Herberger unterstreicht die Bedeutung der Evaluation als Mittel zur Gewinnung wichtiger Erkenntnisse. Zudem seien Evaluationen nicht nur in Deutschland ein Trend, sondern auch innerhalb und außerhalb Europas. 

Appell an „Sportlichkeit“
„Keine Fakultät wird gezwungen an Evaluationen teilzunehmen, aber wir appellieren an die Sportlichkeit und hoffen, dass viele mitmachen“, erklärt Herberger. Er möchte Fronten auflösen zwischen Uni und Staat. Die Sonderstellung einer Universität und die Freiheit für Forschung und Lehre stellt Klaus Herberger außer Frage, aber auch der unternehmerische Charakter dürfe nicht vernachlässigt werden. Controller sieht er als Berater und nicht als jemanden, der wirklich kontrolliert. Was das Ergebnis einer Evaluation für die Mittelverteilung bedeutet, darüber müsse noch nachgedacht werden.

Birgit Vennemann

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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