„Krieg hat immer wieder ein anderes Gesicht“, sagte Eppler, „bisher hat Krieg und Frieden immer als Gegensatzpaar gegolten.“ Dies gelte heute nicht mehr, sagte der Friedensexperte; den aktuellen Zustand könne man weder als Krieg noch als Frieden bezeichnen. „Ruanda, war das Krieg? Kongo, ist das Krieg?“ fragte er. Afghanistan wird von den Amerikanern Krieg genannt, doch Eppler fand, dass man auch hier nicht eindeutig zuordnen könne. Ein gravierender Unterschied zu früheren Kriegen war für Eppler, dass es niemanden gibt, um Frieden zu schließen. „Die War Lords haben kein Interesse daran“, führte er aus. Und die Soldaten - meist von der UN geschickt - führen nach Meinung Epplers keinen Militäreinsatz, sondern eher einen Polizeidienst aus, wozu der jeweilige Staat selbst nicht mehr in der Lage ist.
Das Gewaltmonopol der Staaten löse sich immer mehr auf, so Eppler. Private Sicherheitsdienste sorgen nicht nur in Ländern Südamerikas für die Sicherheit einiger weniger Menschen. Sicherheit werde zu einer Ware, die sich nur noch wenige leisten können; diese Entwicklung hält Eppler für sehr bedenklich. Als Gegensatz zur staatlichen Gewalt sieht er die privatisierte, kommerzialisierte Gewalt meist fundamentalistischer Gruppen wachsen. „Diese privatisierte Gewalt kann sich heute Dinge leisten, die sich kein Staat mehr leisten kann, da sie selber nirgendwo zu greifen ist“ warnte Eppler. Auch für die Wirtschaft sei die privatisierte Gewalt sehr gefährlich: wenn - wie heute schon in Teilen Afrikas - Verwaltung, Polizei und Justiz kaum noch Einfluss haben, könne auch die Wirtschaft nicht mehr funktionieren. Deshalb forderte Eppler: „Wir müssen lernen, dass es bestimmte Dinge gibt, die der Staat tun muss!“
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"Weder
Krieg noch Frieden" hatte Erhard Eppler seinen
Vortrag betitelt. (Foto: Eppler) |
Neue Aufgaben für Pazifisten
Auch Pazifisten müssten ihre Position überdenken, so Eppler. Wo kein „richtiger“ Krieg mehr stattfindet, würden sich auch die Aufgaben der Pazifisten ändern. Beispielsweise könnten diese versuchen, friedenstiftend zu wirken, nachdem das Militär bewaffnete Konflikte in einem Land unterbunden habe. Militär und Pazifisten wären also in gewisser Weise aufeinander angewiesen.
Eppler hält ein internationales Gewaltmonopol für sehr wichtig, um die privatisierte Gewalt in die Schranken zu weisen. Als Lösung sieht er einen internationalen Gerichtshof. Dieser würde verhindern, dass sich Rache auf ein bestimmtes Land, wie zum Beispiel die USA, konzentriere. Im aktuellen Konflikt sei es sehr wichtig, jede Art von Demütigung zu vermeiden. Ein von einem internationalen Gerichtshof verurteilter Osama bin Laden würde nicht zum Märtyrer werden, hoffte Eppler.
Kluft zwischen Nord und Süd verkleinern
Der ehemalige Entwicklungshilfeminister Eppler forderte auch,
die Kluft zwischen Nord und Süd zu verkleinern. Außerdem müsse bei der neuen Art von Konflikten, gerade weil es sich um keine Kriege im herkömmlichen Sinne handelt, jeder Militäreinsatz politisch entschieden werden. Die Armeen sollten verkleinert, aber spezialisierter werden, sie müssten auch im Polizeidienst ausgebildet werden.
Viele Zuhörer zeigten durch ihren Applaus, dass sie die Ansichten Epplers teilten. Nach dem Vortrag fand eine lebhafte Diskussion statt. Die neue Rolle der Pazifisten, die eine Zusammenarbeit mit dem Militär nicht ausschließt, fand allerdings nicht bei allen Beifall. Einige Zuhörer gaben außerdem zu bedenken, ob nicht auch Staaten, in diesem Fall die Amerikaner, aus ökonomischen Gründen Interesse an dem so genannten Krieg mit Afghanistan hätten. Und ob nicht auch die westlichen Staaten mit ihrer Waffenproduktion verantwortlich seien für kriegerische Auseinandersetzungen.
„Leichte Kost war es nicht“, was Eppler seinen Zuhörern an diesem Abend bot, wie er selber sagte. Doch, das hatte sicher auch niemand erwartet oder gewünscht. Vielmehr bewies die Veranstaltung, wie groß der Diskussionsbedarf zu diesem Thema ist.
Birgit Vennemann