Ganzheitlicher Ansatz
Die Systembiologie verfolgt diesen ganzheitlichen Ansatz in der Zellbiologie, der auch als ein kybernetischer Ansatz verstanden werden kann. Die Hauptfragen der Systembiologie sind: Wie funktionieren Zellen und wie interagieren sie mit ihrer Umgebung? Wie sind Zellfunktionen in den Genen oder ihren Wechselwirkungen kodiert? Um Fragen dieser Art beantworten zu können, ist eine enge Kooperation von Biologen, Chemikern und Systemwissenschaftlern nötig. Weltweit gibt es bisher noch sehr wenige Zentren für die Systembiologie, eines der ältesten ist an der Universität Stuttgart. Das Anfang der 90er Jahre gegründete Zentrale Schwerpunktprojekt (ZSP) Bioverfahrenstechnik ist das bundesweit größte geförderte Einzelvorhaben in der Biotechnologie.
Daran sind biologische und verfahrenstechnische Institute beteiligt. Der neu gegründete Forschungsschwerpunkt „Systembiologie der Universität Stuttgart knüpft hieran an. Eine solche Zusammenarbeit findet sich weltweit nur vereinzelt, zum Beispiel in den USA am Institute for Systems Biology in Seattle oder am California Institute of Technology (Caltech) in Pasadena.
Dynamik
Inzwischen stehen viele Informationen über Gene und Proteine in öffentlich zugänglichen Datenbanken zur Verfügung. Um zu verstehen, wie Zellen funktionieren, reicht das Wissen über die Beschaffenheit der Einzelteile aber nicht aus, genauso wenig wie das Fahrverhalten eines Autos aus der Liste der Bestandteile ermittelt werden kann. Dazu ist es nötig, die Interaktionen zwischen ihnen zu kennen. Dabei kommt in vielen
Fällen der Dynamik eine große Bedeutung zu. So reagieren Zellen etwa unterschiedlich auf Wachstumsfaktoren, je nachdem, wann sie zuletzt damit stimuliert
worden sind. Das genaue Verständnis dieses Zellverhaltens ist aber wichtig, um die Zellvermehrung, insbesondere bei Tumoren, besser verstehen zu können. Das Untersuchen und Verstehen dynamischer Systeme ist eines der Kerngebiete der Systemwissenschaften, die in der Systembiologie ihr Wissen mit Biologen teilen, um gemeinsam die Zellen besser verstehen zu können.
Reduktion der Komplexität
Ein weiteres Forschungsgebiet der Systembiologie ist die Interaktion der verschiedenen Zellebenen Genom, Transkriptom, Proteom, usw. Das Genom ist die Gesamtheit aller Gene und befindet sich meistens auf der DNA-Doppelhelix, die in jeder Zelle vorhanden ist. Jedes Gen enthält den Code für genau ein Eiweißmolekül (ein so genanntes Genprodukt). Wann welches Gen repliziert wird, bestimmen die Transkriptionsfaktoren, die wiederum von intra- und extrazellulären Proteinen beeinflusst werden. Dies ist ein hochgradig regulierter und optimierter Prozess. Die Systembiologie leistet einen Beitrag, die komplexen Strukturen zu verstehen, indem sie in einfachere Einzelteile zerlegt werden.
Mathematische Modellierung
Um die Fülle an komplexen Verhaltensweisen quantitativ beschreiben zu können, ist eine mathematische Modellierung hilfreich. Der Modellierungsvorgang ist als iterativer Prozess zu verstehen, der dafür sorgt, dass das Verhalten der Modellwelt möglichst weitgehend gegen das der realen Welt konvergiert. Modellierung erfordert daher stets
eine sorgfältige Evaluierung aller Annahmen und Hypothesen durch das biologische Experiment. Das Ziel ist hierbei die Entwicklung einer virtuellen Repräsentation von Zellen wie auch von ganzen Organismen. Damit lassen sich dann in Analogie zu Experimenten an realen biologischen Systemen virtuelle Experimente durchführen. Damit wird es erst möglich, das gesammelte Wissen für Vorhersagen zu nutzen, wie sie zum Beispiel für die moderne Pharmaforschung benötigt werden.
Systembiologie in der Lehre
Neben der Forschung auf dem Gebiet der Systembiologie gehört die Universität Stuttgart zu den wenigen Hochschulen weltweit, die auf diesem Gebiet Studenten ausbilden. Die Studierenden kommen dabei sowohl von der Biologie (Studiengang Technische Biologie) wie auch von den Ingenieurswissenschaften (Technische Kybernetik und Verfahrenstechnik). Die angebotene interdisziplinäre Ausbildung bereitet die Studierenden ideal für das gerade expandierende Gebiet der Systembiologie vor.
/eng
Kontakt
Prof. Dr.-Ing. Frank Allgöwer; Prof. Dr.-Ing. Ernst Dieter Gilles, Prof. Dr. Klaus Pfizenmaier;
Tel. 0711-685-7733/7734
Fax 0711-685-7735
e-mail: allgower@ist.uni-stuttgart.de
http://www.ist.uni-stuttgart.de