Stuttgarter unikurier
Nr. 91 April 2003 |
Die
Berufswelt des Chemikers |
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Die Berufswelt des Chemikers 1
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Prof. Peter Bäuerle, geb. 1956
Universität Ulm |
Geprägt durch den Chemie-Lehrer und geübt mit dem Kosmos-Chemiebaukasten
war ich als Schüler von der Chemie fasziniert und hatte schon damals die Vision, irgendwann neue Moleküle mit tollen Eigenschaften kreieren zu wollen. So begann ich 1975 das Chemiestudium an der Uni Stuttgart. Ich habe dann bei Professor Effenberger in der Organischen Chemie diplomiert (1982) und promoviert (1985). Die eigenständige Bearbeitung einer aktuellen wissenschaftlichen Fragestellung hat mich schon damals begeistert und bereitet mir heute als Hochschullehrer immer noch höchste Motivation und Freude.
Nach einem Postdoc-Jahr am MIT in Boston (USA) kehrte ich an die Uni Stuttgart zurück, fing eigenständige Arbeiten über elektrisch leitfähige Kunststoffe an und wurde 1994 habilitiert. Die Universität Stuttgart bot für die interdisziplinären Forschungsarbeiten ein ideales Umfeld, und ich konnte die Arbeiten im Rahmen zweier fachübergreifen-der Sonderforschungsbereiche vorantreiben.
Nach einem kurzen Intermezzo als C3-Professor an der Universität Würzburg bin ich seit 1996 Lehrstuhlinhaber und Leiter der Abteilung Organische Chemie II sowie der Sektion Massenspektrometrie an der Universität Ulm. Wir erforschen und entwickeln nun im weit umfangreicheren Maße neue organische Materialien mit interessanten Eigenschaften und versuchen, deren Anwendungen in Zukunftstechnologien zusammen mit Industrie- oder Hochschulpartnern voranzutreiben. Auch die Aufgabe, den Studenten die Faszination der modernen Chemie näher zu bringen, macht viel Spaß, so dass ich sicher bin, den richtigen Beruf eingeschlagen zu haben. Der jugendliche Wunsch, Moleküle zu entwerfen, herzustellen und zu untersuchen, hat sich nicht zuletzt dank meiner Lehrer und der exzellenten Ausbildung an verschiedenen Institutionen längst erfüllt.
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Dr. Peter Haug,
geb. 1971
OC&C Strategy
Consultants |
Die Wahl des Studienfachs ist mir sehr einfach gefallen, hatte ich durch umfangreiche Beschäftigung mit Experimentierkästen und einen Leistungskurs mein großes Interesse an der Chemie schon frühzeitig entdeckt. So begann ich 1992 das Chemiestudium an der Universität Stuttgart. Nach Vordiplom und Auslandssemester in Frankreich fertigte ich 1997 die Diplomarbeit in Makromolekularer Chemie an und führte diese Arbeiten über Polystyrolsysteme mit definierten Verzweigungen im Rahmen der Promotion fort.
Das gesamte Studium und die Promotion in Chemie haben mir viel Freude bereitet. Beim Berufseinstieg hingegen erschien mir der für Chemiker immer noch typische Einstieg in F&E eines Industrieunternehmens als zu stark festgelegt und zu eng gefasst. Schon während der Promotion hatte ich an Seminaren und Workshops von Unternehmensberatungen teilgenommen. Anfang 2000 entschied ich mich für den Einstieg bei OC&C Strategy
Consultants, einer strategischen Top-Management-Beratung mit etwa 40 Beratern. Die Arbeit als Unternehmensberater ist herausfordernd und sehr abwechslungsreich. Sie baut neben den – durch die naturwissenschaftliche Ausbildung schon stark geförderten – analytischen Fähigkeiten in hohem Maße kommunikative und beziehungsorientierte Eigenschaften aus. Ein Branchenfokus bildet sich in der Regel
nach einigen Jahren heraus, so dass ich mich nach einem generalistischen Einstieg nun wieder stärker auf die Chemie konzentriere.
Gerade an der Schnittstelle von Chemie und Wirtschaft gibt es sehr interessante Themen und aktuelle Herausforderungen. Um die Bedeutung des Studiengangs Chemie auch in der chemischen Industrie nicht weiter sinken zu lassen, sollten sich studierte Chemiker nicht ausschließlich auf ihr „angestammtes“ Laborgebiet zurückziehen, sondern proaktiv diese Schnittstelle besetzen. Das benötigte betriebswirtschaftliche Zusatzwissen lässt sich studiums- oder berufsbegleitend relativ einfach erwerben.
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Dieter Jahn,
geb. 1951
BASF AG,
Ludwigshafen |
"Wer nur Chemie versteht, versteht auch die nicht recht”, mit diesem Zitat von Georg Christoph Lichtenberg*) hat mich mein Chemielehrer schon als Schüler geprägt.
Das Chemiestudium an der Universität Stuttgart, das ich 1970 begann, habe ich deswegen immer als Basis zur interdisziplinären Zusammenarbeit gesehen.
1979 trat ich als Laborleiter in die Pflanzenschutz-Forschung der BASF AG ein. Später übernahm ich eine biotechnologisch orientierte Forschungsgruppe, in der Arbeiten auf den Gebieten Mikrobiologie, Pflanzenbiotechnologie und Proteinchemie durchgeführt wurden. Danach wurde mir die Verantwortung für ein Feld übertragen, das für mich als Wissenschaftler neu und herausfordernd war: Die Leitung der Naturwissenschaftlichen Berufsbildung, wobei ich Führungserfahrungen in größerem Umfang sammeln konnte. Von 1992 bis 1996 war ich Leiter der Biotechnologie-Forschung der BASF-Gruppe.
Heute bin ich verantwortlich für die Hochschulbeziehungen und Forschungsplanung der BASF-Gruppe. In meinen Verantwortungsbereich fallen nationale und internationale Forschungskooperationen der BASF-Gruppe, die Rekrutierung von
Naturwissenschaftlern, Forschungspolitik, Standortfragen, aber auch Fragen des F & E-Managements und F & E-Controllings.
Noch heute profitiere ich bei meiner Arbeit von der Breite meines Chemiestudiums, das mich in die Lage versetzt, das vielseitige Technologieportfolio der BASF – von der Katalyse bis zur Biotechnologie – zu überblicken. Nicht zuletzt ist ein Charakteristikum des Chemiestudiums auch für mich von Nutzen: Es erzieht zur Frustrationstoleranz und stärkt das Durchhaltevermögen nach unvermeidlichen Rückschlägen.
*) Der Physiker und Schriftsteller Lichten- berg (1742 bis 1799) lehrte ab 1769 als Professor in Göttingen
(Red).
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Richard
Laible,
geb. 1946
PPG Industries
International, Inc., Paris – La Défense |
Das Studium der Chemie an der Universität Stuttgart
schloss ich mit der Diplom- und Doktorarbeit auf dem
Gebiet der makromolekularen Chemie am II. Institut
der Technischen Chemie und dem ihm verbundenen
Forschungsinstitut für Pigmente und Lacke e.V. in
Stuttgart ab.
Die in diesem Institut durchgeführten angewandten
wissenschaftlichen Arbeiten zur physikalischen und
chemischen Wechselwirkung zwischen Polymeren und
Pigmenten und Feststoffen, an denen ich danach als
wissenschaftlicher Mitarbeiter mitwirkte, haben in
der Zwischenzeit Anwendung in industriellen
Lösungen zur verbesserten Einarbeitung von
Pigmenten und Füllstoffen in Lacken und
Kunststoffen geführt.
Der Drang, wissenschaftliche Erkenntnisse selbst in
Produktlösungen umzusetzen, führte mich zu meiner
ersten industriellen Anstellung bei Akzo Nobel als
Lackchemiker, eine Tätigkeit, die ich zwar aufnahm,
aber kurzfristig wieder aufgab zu Gunsten einer
Managementtätigkeit im Forschungs- und
Entwicklungsbereich.
Meine nun mehr als zwanzigjährige Laufbahn in der
Lackindustrie umfasste jeweils weiterführende
Schritte als Executive und Senior Executive im
Produktentwicklungs- bereich, im Produkt Management
und im allgemeinen Business Management, zuletzt in
der Verantwortung als General Manager eines
europäischen Geschäftsbereichs bei PPG
Industries.
Auf diesem Wege waren mir die analytische und
strategische Befähigung, die ich schon in meinen
ersten angewandten Forschungsarbeiten entwickelte,
ebenso hilfreich wie die im Beruf erworbenen
Finanzkenntnisse, um Geschäftsstrategien zu
entwickeln und mit motivierten Mitarbeitern
umzusetzen. Da ein naturwissenschaftliches Studium
nicht zwangsläufig zu einer wissenschaftlichen
Laufbahn führen muss, sondern eher die Basis für
eine industrielle Karriere bildet, würde ich heute
empfehlen, das Chemiestudium mit dem eines
betriebswirtschaftlichen Studiums zu erweitern.
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Dr. Signe
Unverricht, geb. 1968
BASF Ludwigshafen |
Mein Chemiestudium habe ich an der Universität Leipzig absolviert. Anschließend wechselte ich nach Stuttgart und habe bei Professor Weitkamp eine Dissertation zur Alkylierung von Kohlenwasserstoffen an Zeolithen angefertigt. Die Arbeitsmarktsituation hatte sich 1995 dramatisch verschlechtert. Nach 120 Bewerbungen hatte ich den klassischen Einstieg in der chemischen Industrie geschafft und begann meine Tätigkeit bei
der BASF in der Katalysatorforschung im Ammoniaklaboratorium. Im Vergleich zur Doktorarbeit war diese sehr anwendungsorientierte Art der Forschung für ein Produkt, bei dem die BASF Weltmarktführer ist, auf den ersten Blick deutlich weniger spannend. Das änderte sich bald drastisch. Die Effekte sind hier kleiner, die Wirkung aber erheblich größer. Durch das sehr selbständige Arbeiten während meiner Doktorarbeit war ich optimal auf die Durchführung von Forschungsthemen in der Industrie vorbereitet.
Nach fünf Jahren in Forschung und Entwicklung habe ich als stellvertretende Betriebsleiterin in einem Produktionsbetrieb für Aromachemikalien angefangen.
Ein für Frauen immer noch nicht ganz selbstverständlicher Weg, der mir persönlich viel Spaß macht.
Die Fähigkeit, Zusammenhänge zu erkennen und verschiedene Dinge gleichzeitig zu bearbeiten, wurde im Studium intensiv trainiert. Das kann ich in einem Produktionsbetrieb mit vielen Produkten bei ganz unterschiedlicher Verfahrenstechnik sehr gut brauchen. Etwas mehr Chemieingenieurwissen hätte mir für meinen derzeitigen Job sicherlich nicht geschadet. Aber fachliche Kenntnisse kann man sich erarbeiten. Ansonsten sind neben betriebswirtschaftlichen Kenntnissen kommunikative und organisatorische Fähigkeiten extrem wichtig.
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