Stuttgarter unikurier
Nr. 91 April 2003 |
Vortragsreihe am Institut
für Sportwissenschaft:
Olympischer Geist an der Uni
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Auch wenn Stuttgart bei der nationalen Ausscheidung
für die Ausrichtung der Olympischen Spiele nicht zum Zuge kam -
Leipzig machte das Rennen - so war die vielfache Unterstürzung im Vorfeld beeindruckend. Das Institut
für Sportwissenschaft bot aus Anlass der Olympiabewerbung der Landeshauptstadt eine Vortragsreihe zum Thema „Olympische Spiele - gestern, heute und
morgen". |
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Sport hat in den vergangenen Jahrzehnten eine neue weltweite
Zentralität erlangt, wie sie sonst nur noch Wissenschaft, Wirtschaft und Teile der Kultur vorweisen
können, charakterisierte der Organisator der Reihe, Professor Klaus-Peter Brinkhoff, die Entwicklung. Die Olympischen Spiele sind damit zu einem wichtigen
Träger der Globalisierung geworden. Für den Austragungsort ist Olympia eine Riesenchance: „Wer die Olympischen Spiele gewinnen kann, wird als Weltstadt
anerkannt", ist Brinkhoff überzeugt.
Offensichtlich spürbar ist das internationale Flair, wenn die Olympischen Spiele Menschen aller
Länder zusammenführen und die Medien das Großereignis weltweit
übertragen. Auch die Sportorganisationen agieren global. Im Zuge der Kommerzialisierung der Olympischen Idee seit der Ära Samaranch sind die Spiele zudem zu einem Wirtschaftsfaktor geworden.
Einblicke in die Praxis
Um möglichst viele dieser Facetten abzubilden, kamen bei der Vortragsreihe nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Praktiker zu Wort. Den Auftakt machte SWR-Sportchef Michael Antwerpes. Er gab Einblick in das enorme Equipment, das erforderlich ist, um
täglich 18 Stunden lang von den Wettkämpfen zu berichten. In Athen wird die ARD mit 500 Mitarbeitern vor Ort sein. Ein Aufwand, der sich lohnt: Die Einschaltquoten sind gigantisch, und zudem macht der Medienrummel auch solche Sportarten bekannt, die sonst eher ein Schattendasein
führen.
„Olympische Spiele und Global Players" war der Titel des Vortrages von Matthias Kleinert von der DaimlerChrysler AG, der in lockerem Ton die Rolle der Wirtschaft bei den Spielen beleuchtete. Schon seit vielen Jahren nutzt die Autoschmiede den Sport als Werbeplattform. Bei Olympia
hält sich das Unternehmen jedoch bis zur endgültigen Entscheidung des Nationalen Olympischen Komitees (NOK)
zurück. Direkte Einflussnahme käme bei den NOK-Mitgliedern nicht gut an, sagte Kleinert: „Zu viel Daimler
würde der Stuttgarter Bewerbung schaden."
Über die Faszination Olympia und die Konzeption der Stuttgarter Bewerbung sprach Raimund
Gründler, Geschäftsführer der Stuttgart 2012 GmbH. Mit einem Veranstaltungs-Marathon in der Region wollten die Planer
Städte und Gemeinden mit ins Boot holen und der Privatwirtschaft das Portmonee
öffnen.
Historischer Rückblick
Den Schlussakkord strich Professor Wolfram Pyta vom Historischen Institut der Uni mit einem Vortrag
über die Geschichte der Spiele. Dass diese sich aus kleinsten
Anfängen zu einem weltweiten Medienereignis entwickeln konnten, liegt
für Pyta in der olympischen Idee selbst begründet. Zumindest in den
Anfängen war Olympia Teil jener Form des Internationalismus, der sich seit Ende des 19. Jahrhunderts auf vielen Gebieten des Kulturaustausches manifestierte. „Man tut sich schwer mit dem abgegriffenen Wort
Völkerverständigung, aber genau diese Idee haftet den Wurzeln der Spiele
an." Sie war auch durch zwei Weltkriege nicht zu stoppen und
später ein wichtiger Beitrag zur Emanzipation der farbigen Menschen. Ironischerweise waren es ausgerechnet die Olympischen Spiele im nationalsozialistischen Berlin 1936, die mit Jesse Owens erstmals einen schwarzen Heroen ins Rampenlicht
rückten.
Allerdings: Von Anfang an hat sich auch Nationalismus in die olympische Idee geschlichen. Das
überaus reiche Symbolangebot von der Nationalhymne bis zur Flagge, aber auch ein penibel
geführter Medaillenspiegel trugen dazu bei. Immer wieder versuchen
Teilnehmerländer, durch die sportlichen Erfolge ihrer Olympioniken ihr Ansehen aufzupolieren oder auch fehlende nationale Legitimation zu kompensieren. Nicht zuletzt deshalb gerieten die Spiele seit den 50er Jahren immer
stärker in den Würgegriff der Politik. Dass Olympia instrumentalisiert wird,
rückte spätestens mit dem Anschlag palästinensischer Terroristen auf die „heiteren
Spiele" in München 1972 oder dem Boykottaufruf der USA gegen die Spiele in Moskau nach dem Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan ins Bewusstsein der
öffentlichkeit.
Eine weitere Zäsur für die Olympische Idee war die Aufgabe des Amateurstatus. Seit mit den Spielen in Barcelona 1992 auch hochbezahlte Spitzensportler um olympisches Gold ringen
dürfen, geriet das Megaereignis endgültig ins Schlepptau der Medien und
geschäftstüchtiger Sponsoren. Für die Sportler blieb diese Entwicklung nicht ohne Folgen: Damit Werbebotschaften eine hohe Reichweite erzielen, finden
Endläufe seither gehäuft zu Tageszeiten statt, zu denen
möglichst viele Menschen vor der Mattscheibe sitzen. Auch wenn am Austragungsort dann gerade 40 Grad im Schatten herrschen.
/Andrea Mayer-Grenu
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