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Stuttgarter unikurier Nr. 92 Dezember 2003
Nanotechnologie für Speicher und Computer der Zukunft:
Molekulare Nanomagnete
Unter molekularen Magneten versteht man größere Moleküle oder Cluster, deren magnetische Eigenschaften den makroskopischen Magnetismus des Festkörpers bestimmen. Molekulare Magnete erfreuen sich seit einigen Jahren großen theoretischen und experimentellen Interesses, da sie für eine Reihe von Anwendungen, wie Datenspeicher, Magnetoelektronik und Quantencomputer, in Betracht kommen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hatte Anfang des Jahres 2002 einen Schwerpunkt "Molekularer Magnetismus" ins Leben gerufen, der die Forschung auf diesem Gebiet bündeln und stärken soll, da beispielsweise gegenüber Frankreich und Spanien in Deutschland ein großer Nachholbedarf besteht. In Stuttgart gibt es schon seit längerem das Graduiertenkolleg "Magnetische Resonanz", das Aktivitäten auch in dieser Richtung betreibt. Sowohl in der Physik als auch in der Chemie ist man an vorderster Front dabei, die neue Klasse magnetischer Nanomaterialien zu verstehen und nutzbar zu machen. Am 1. Physikalischen Institut werden Grundsatzfragen für zukünftige Anwendungsmöglichkeiten in der Speicher- und Computertechnologie erforscht.
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Entwicklung der Speicherdichte von magnetischen Festplatten in den letzten Jahren. Bei 100 Gbit/in2 wird die Grenze des superparamagnetischen Effekts erreicht, oberhalb welcher die Magnetisierung nicht mehr stabil ist. Im Vergleich die Speicherdichte einer üblichen CD und einer DVD-Scheibe.
Magnetische Informationsspeicher: ein Bit pro Molekül
Die Speichertechnologie eines Kassetten- oder Videorecorders, einer Diskette oder einer Festplatte, egal ob analog oder digital, arbeitet im Prinzip noch wie das Tonband unserer Großväter. Chromoxid- oder Eisenoxid-Teilchen auf einer dünnen Plastikfolie werden mit Hilfe einer kleinen Spule in die eine oder andere Richtung magnetisiert. Die Speicherdichte verzehnfachte sich dabei alle fünf Jahre und wird in den nächsten Jahren 100 Gbit/in2 (100 Mrd. digitale Informationseinheiten pro Quadratzoll) erreichen, d.h. pro Quadratmillimeter kann man 150 Mio. Bit speichern, was beispielsweise einer Textmenge von 3000 Schreibmaschinenseiten entspricht. Doch damit ist dann auch eine physikalische Grenze erreicht. Weitere Verdichtung würde dazu führen, dass die gespeicherte Information schnell wieder verloren geht. Die Qualität alter Tonbänder und Musikkassetten leidet mit jedem Jahr und die Computer-daten der ersten Mondlandung soll die NASA schon nicht mehr lesen können. Wird das superparamagnetische Limit erreicht, so hält die eingeschriebene Magnetisierung nur noch Bruchteile von Sekunden.

Da traditionelle magnetische Materialien keinen Ausweg aus diesem Dilemma bieten, begann schon vor Jahren die Suche nach Alternativen. Idealerweise möchte man eine Informationseinheit pro Molekül speichern, auf einer Fläche also, die tausendmal kleiner ist als die heutigen magnetischen Körner. Molekulare Nanomagnete sind vielleicht der erste Schritt in diese Richtung, wobei die mit Mn12ac oder Fe8 abgekürzten Makromoleküle die bekanntesten und best untersuchten Beispiele dieser Klasse darstellen. Dies sind hochsymmetrische Gebilde aus mehreren Dutzend Atomen, die eine Vorzugsrichtung der Magnetisierung haben. Der Elektronenspin des gesamten Moleküls, der die Magnetisierung bestimmt, kann entweder nach oben oder nach unten gerichtet sein, womit man Information (0 oder 1) speichern könnte. In der Chemie wurden in den letzten Jahrzehnten enorme Fortschritte bei der Synthese von Riesenmolekülen gemacht, die aufgrund ihrer Symmetrie und Struktur die gewünschten Eigenschaften aufweisen.

Einige Probleme sind dabei allerdings bisher noch nicht befriedigend gelöst: So sind bisher noch extrem tiefe Temperaturen erforderlich, um die Magnetisierung in ihrer Vorzugsrichtung längere Zeit zu erhalten. Auch ist noch nicht klar, wie einzelne Moleküle beschrieben und gelesen werden können. Doch durch die enormen Fortschritte der Nanotechnologie wird die Adressierbarkeit einzelner Moleküle bald in Reichweite kommen. Bei der Synthese neuer Moleküle mit den gewünschten Eigenschaften gibt es eine enge Zusammenarbeit von Chemikern und Physikern, die an der Charakterisierung und theoretischen Beschreibung arbeiten.

Makroskopische Quantenphänomene: magnetische Laser und Quantencomputer
Skizze der Strukur des molekularen Nanomagneten Mn12ac mit der chemischen Formel [Mn12O12(CH3COO)16(H2O)4]·2CH3COOH·4H2O. Die acht Mn3+ und vier Mn4+ ergeben einen Gesamtspin des Moleküls von S=10. Aufgrund der molekularen Anisotropie ist die Magnetisierung entweder nach oben oder nach unten gerichtet.
Vor etwa fünf Jahren sorgten molekulare Nanomagnete für Schlag-zeilen, als Phänomene beobachtet wurden, die nur mit Hilfe der Quantentheorie erklärt werden konnten. Seit dieser Zeit haben sich molekulare Magnete zu dem bevorzugten Modellsystem der Festkörperphysik entwickelt, um makroskopische Quantenphänomene zu untersuchen, die zum Teil schon vor Jahrzehnten vorhergesagt wurden, sich aber bisher der Beobachtung entzogen hatten. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass diese Eigenschaften mittelfristig den Bau eines Quantencomputers möglich machen kann.

Das Quantentunneln des Elektronenspins ist in Form von charakteristischen Stufen der Magnetisierung zu beobachten: bei bestimmten Magnetfeldstärken müssen die Spins nicht mehr über eine Energiebarriere klettern, um ihre Richtung zu wechseln, sondern können durch den Berg hindurch-tunneln, da auf der anderen Seite ein Zustand gleicher Energie liegt. Auch die Tatsache, dass Elektronen strenggenommen Wellen sind, kann man durch Interferenzphänomene in der Magnetisierung direkt sehen. Weitreichende Möglichkeiten eröffnet eine neue Art der magnetischen Spektroskopie, die in Stuttgart in den letzten Monaten entwickelt und angewandt wurde, um die Relaxationsphänomene der molekularen Nano-magneten zu untersuchen. Hierbei werden die Übergänge zwischen magnetischen Niveaus direkt beobachtet. Viele Aspekte sind inzwischen verstanden und entsprechen auch quantitativ den theoretischen Modellen, doch eine ganze Reihe von Tatsachen wartet noch auf ihre Erklärung: So ist noch nicht sicher, welchen Einfluss die Atomkerne haben, Fehler im Kristallgitter, Unordnung in den außenliegenden Atombindungen, benachbarte Moleküle, etc. Hier ist weitergehende Forschung und eine enge Zusammenarbeit von Physik und Chemie nötig, um letztendlich die gewünschten Eigenschaften der molekularen Nanomagnete zu verbessern.

Momentan versuchen die Stuttgarter Physiker, einen Laser aus molekularen Magneten zu realisieren, wobei jedoch noch einige grundlegende Probleme offen sind. Sollte es gelingen, so wäre dies der erste magnetisch gepumpte Laser. Wahrscheinlich in noch weiterer Ferne dürfte die Realisierung eines Quantencomputers liegen, der in den letzten Jahren die Fantasie vieler Wissenschaftler anregte. Molekulare Nanomagnete sind sicherlich das am besten geeignete Beispiel reeller Materialien, das herfür herangezogen werden kann.

KONTAKT
Prof. Dr. Martin Dressel,
1. Physikalisches Institut,
Pfaffenwaldring 57,
Tel. 0711/685-4946
e-mail: dressel@pi1.physik.uni-stuttgart.de
http://www.pi1.physik.uni-stuttgart.de

 


llast change: 17.12.03 / hj
Pressestelle der Universität Stuttgart

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