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Die Hommage auf dem Schleichweg war gelungen. Das
zahlreich erschienene Publikumgenoss die
Professorendebatte mit Peter Czerwinski, Heinz Schlagger,
Georg Maag und Reinhard
Steiner
(von links).
(Foto: Eppler) |
„Was man nicht lesen mag, lässt man lesen“, lautete das
Motto der Veranstaltung, und dazu waren die Rollen klar
verteilt. Die Partie des „Primus inter pares“ besetzte Prof.
Heinz Schlaffer, Inhaber des Lehrstuhls neue deutsche
Literatur I am Institut für Literaturwissenschaft der Uni.
Der Germanist mit Sinn für die elegante Darstellung übernahm
auch die Einführung in das Werk, das selbst vom Nimbus
umgeben ist: „Es ist italienisch, in Versen geschrieben und
spielt im Jenseits“, scherzte Schlaffer, „das schreckt den
Leser ab und zieht den Philologen an.“
So gehörte zu der Gelehrtenrunde auch
Institutskollege Prof. Georg Maag, ein Italianist. Prof.
Peter Czerwinski, Inhaber des Lehrstuhls Germanistische
Mediävistik, beleuchtete das Werk aus dem Blickwinkel der
Kulturgeschichte des Mittelalters. Und der Kunsthistoriker
Prof. Reinhard Steiner, sich selbst die Rolle des „ewigen
Widersprechers“ zuweisend, rückte die zahlreichen
Bildbegriffe des Werkes in den Mittelpunkt.
Das breite Wissenschaftsspektrum ließ reichlich
Spielraum zur Ausdeutung, wie schon bei den ersten
Verszeilen deutlich wurde: „Grad in der Mitte unsrer
Lebensreise befand ich mich in einem dunklen Walde, weil ich
den rechten Weg verloren hatte.“ Spricht hier ein Mensch -
der 35-jährige Dante? -, der in einer Art Midlife-Crisis in
die Sackgasse geraten ist und sich daraus per
Schreibtherapie zu befreien sucht? (Schlaffer). Oder ist es
vielmehr (Einspruch Czerwinski) „typisch
Literaturwissenschaft“, ein Einzelproblem durch Poesie zu
generalisieren? Was, wenn es diesen Dante am Ende gar nicht
gab und der Wald keine Metapher war?
Und schließlich (Maag): Was hat diesen Menschen in
eine solche Krise getrieben, die ihn den Verstand zu kosten
droht und den Hunger nach der göttlicher Ordnung nährt? War
es Hochmut, war es Ausschweifung? Oder doch die Liebe zu
Beatrice? Oder ist das Werk in Wirklichkeit eine Art
Reisebeschreibung (Steiner), die zumindest im ersten Gesang
„topisch“ geprägt ist und erst im zweiten Gesang den Dichter
sprechen lässt?
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Rund 1.000 Teilnehmer waren zur Jahresversammlung
der Max-Planck-Gesellschaft nach Stuttgart gekommen,
die vom 23. bis zum 25. Juni 2004 im Kultur- und
Kongresszentrum Liederhalle stattfand. Die Universität
Stuttgart war Gastgeberin eines öffentlichen Vortrags aus
diesem Anlass am 24. Juni: Prof. Ulrich M. Gösele vom
Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik in Halle/Saale
faszinierte das Publikum mit seinem Vortrag unter dem
Titel „Schöne neue Nanowelt: Chance oder Bedrohung?“. Mit
der Nanotechnologie, erläuterte Gösele im bis auf den
letzten Platz gefüllten Hörsaal 17.01, können winzigste
nur wenige Millionstel Millimeter kleine Strukturen
hergestellt werden, die mit ihren neuartigen Eigenschaften
in nahezu allen Bereichen von Wissenschaft und Technik
außer-gewöhnliche Anwendungsmöglichkeiten erschließen
sollen.
(Foto: Murat) |
Spritziger Disput
Unversöhnlich schienen die
Positionen, setzte es Rede und Gegenrede, hagelten die
Einsprüche über die Köpfe der Zuhörer hinweg. Sie rundeten
sich zu einem spritzigen Disput, der viel Information
enthielt über die „Divina Commedia“ und Lust machte, das
Werk dann doch einmal aus dem Bücherschrank zu holen. Bleibt
die Frage, warum Dante seine literarische Großtat
ausgerechnet Göttliche Komödie genannt hat.
Hier immerhin herrschte
Einigkeit: Es handele sich um ein „Poema sacro“, ein
heiliges Gedicht, getragen von Allegorien und Scholastik und
doch „für den Stammtisch“ deftig ausgestaltet. Die Kirche
hat diese Mischung aus Religion und Poesie übrigens nie
goutiert: Sie verbot das Werk um 1330, nur wenige Jahre nach
seinem Erscheinen. Was nichts daran änderte, dass schon ab
1370 regelmäßige Dante-Lesungen stattfanden.
Die Idee, diese Tradition
fortzuführen und eine öffentliche Kostprobe im Literaturhaus
zu offerieren, entstand im Rahmen eines Kolloquiums im
Sommersemester. Urheber war Prof. Czerwinski: Da Prof.
Schlaffer öffentliche Ehrungen anlässlich seiner
Emeritierung strikt ablehnte, sollte ihm auf diesem „Schleichweg“
eine Hommage der etwas anderen Art zuteil werden.
Der so Geehrte, der 1975 auf
den Lehrstuhl für Neuere deutsche Lite-ratur in Stuttgart
berufen und durch seine „Kurze Geschichte der deutschen
Literatur“ populär wurde, zeigte einmal mehr, dass er in den
europäischen Literaturen zuhause ist. „Ich versuche, in der
Stuttgarter Kultur als gealterter Provinzdandy, in der
württembergischen Landschaft als rüstiger Wanderer
aufzutreten“, sagt Schlaffer ironisch über sich selbst. Das
Publikum honorierte es mit kräftigem Applaus.
Andrea Mayer-Grenu
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