Am Institut für Biochemie der Uni werden seit Ende der 80-er
Jahre Forschungen zum kontrollierten Proteinabbau
durchgeführt. Im Rahmen zweier Projekte der
German-Israeli-Foundation for Scientific Research and
Development arbeiteten Stuttgarter Wissenschaftler dabei
auch mit Aaron Ciechanover zusammen. In den 90er Jahren
wurden in Stuttgart entscheidende Entdeckungen zu den
Grundlagen des mit dem Nobelpreis bedachten Systems sowie zu
den zellulären Funktionen des Systems gemacht. Die
Zusammenarbeit mit den isrealischen Wissenschaftlern wurde
vom Bundesministerium für Forschung und Technologie im
Rahmen der Deutsch-Israelischen Projekt-kooperation (DIP) „Zelluläre
Regulierung durch das Ubiquitin-Proteasom System in
Gesundheit und Krankheit“ mit mehr als 1,5 Millionen Euro
gefördert. Kürzlich hat das Institut für Biochemie zusammen
mit Prof. Aaron Ciechan-over und fünf internationalen
Kollegen ein EU-Network of Excellence zu dem Thema des
Ubiquitin-Proteasom-Systems aus der Taufe gehoben, welches
in diesem Jahr zur Förderung ausgewählt wurde.
Wissenschaftler am Institut für Biochemie
entschlüsselten die für die selektive Proteolyse zentralen
molekularen „Maschinen“, die Proteasomen, und erforschten
von hier aus die Bedeutung intrazellulärer Abbauprozesse für
die Funktion der Zelle. Als „Versuchskaninchen“ dienen
Hefezellen, weil diese in ihrem Grundaufbau den mensch-lichen
Zellen entsprechen und einfach kultivierbar sind.
Zudem sind sie für moderne Methoden der Biochemie und
molekularen Genetik experimentell leicht zugänglich. Ihr
genetischer Bauplan ist seit 1996 vollständig bekannt. So
bieten sich Hefezellen besonders an, um rasch die
Basisfunktionen höherer Zellen zu erkunden und im Detail zu
analysieren. Hier erschlossene Wege erwiesen sich als
richtungsweisend gerade auch für die Erforschung der
Funktionen menschlicher Zellen. So hat Hefe-Biochemie und
Molekularbiologie eine allgemeine Schrittmacherfunktion in
der Aufklärung zellbiologischer Prozesse.
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Das Ubiquitin-Proteasom-System ist ein wichtiger
Ansatzpunkt für die Entwicklung neuer Medikamente.
(Quelle: Institut) |
„Proteinmüll“ als Störfaktor
Zwei Aspekte standen im Zentrum der Stuttgarter Forscher.
Zum einen wurde der Abbau geschäd-igter oder abnormaler
Eiweißmoleküle untersucht. Diese entstehen durch äußere
Stresseinflüsse wie Hitze, Strahlung oder toxische
Chemikalien, können aber auch zellintern infolge genetischer
Fehler oder im Verlauf der Zellalterung gebildet werden.
Dieser „Proteinmüll“ kann essenzielle Prozesse stören oder
zelluläre Wege verstopfen. Schwerste Erkrankungen wie die
Alzheimer-Krankheit, Creutzfeldt-Jakob-Krankheit oder Park-inson-Krankheit
können die Folge sein. Die Zelle versucht, dies durch
Proteolyse der geschädigten Proteine zu vermeiden.
Zum anderen werden am Institut für Biochemie die
Beteiligung zielgerichteter Proteolyseschritte an der
Steuerung grundlegender zellulärer Prozesse erforscht. Die
Forschungsarbeiten der letzten zehn Jahre haben gezeigt,
dass die termingerechte, gezielte prote-olytische Zerstörung
bestimmter Regulatorproteine eine bedeutsame Rolle in der
Steuerung des Zellzyklusprogramms und der Induktion der
Apoptose ausübt. Fehler in diesen Funktionen sind eine
Ursache für die Entstehung bösartiger Tumoren.
Ansatzpunkt für neue Medikamente
Damit ist das Ubiquitin-Proteasomensystem ein wichtiger
Ansatzpunkt für die Entwicklung neuer Medikamente mit noch
gezielterer Wirkung. Ein Inhibitor des Proteasoms,
Bortezomib (Velcade), der die Aktivität der
Prote-olysemaschine blockiert, ist inzwischen in der
klinischen Behandlung bestimmter Krebserkrankungen (multiple
Myelome, non-Hodgkin-Lymphome) im Einsatz. Vielversprechende
Angriffspunkte sind die Zielproteine des Proteasoms. Um sie
zu definieren, planen die Forscher am Institut für Biochemie
in einem systembiologischen Ansatz, alle Substrate des
Proteasoms des Hefesystems zu entschlüsseln und deren
Einbindung in das Proteinnetzwerk der Hefe aufzuklären.
Zusätzlich sollen Strategien entwickelt werden, die das
Screening nach pharmakologisch wirksamen Substanzen unter
Verwendung des Hefemodells ermöglichen.
KONTAKT
Prof. Dr. Dieter Wolf
Institut für Biochemie
Tel. 0711/685-4390
Fax 0711/685 4392
e-mail:
dieter.wolf@ibc.uni-stuttgart.
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