Die Suche nach bioinspirierten Wegen zur Synthese von „Keramiken
bei Raumtemperatur“ ist ein stark expandieren-des
Forschungsgebiet und stellt einen Schwerpunkt am Institut
für Ni.htmletallische Anorganische Materialien der
Universität Stuttgart und dem Pulvermetallurgischen
Laboratorium am Max-Planck-Institut für Metallforschung dar,
die beide von Professor Fritz Aldinger geleitet werden. Um
diese Themen ging es auch bei dem internationalen Sympo-sium
„Bioinspired Synthesis and Materials - From Fundamentals to
New Processing Routes“ im Oktober 2004, das von beiden
Institutionen gemeinsam veranstaltet wurde.
Muschelschalen bilden sich ohne großen Aufwand
Die Natur bietet eindrucksvolle Beispiele für den Aufbau
hochkomplexer Strukturen mit multifunktionellem
Eigen-schaftsprofil. So bilden sich Muschelschalen bei
Umgebungsdruck und -temperatur mit offensichtlich geringem
Aufwand. Im Gegensatz dazu ist die Herstellung von Keramiken
mit nicht unerheblichem verfahrenstechnischem Aufwand sowie
erhöhten Prozesstemperaturen (Brennen, Sintern) verbunden.
Zudem ergeben sich hohe Kosten und technische
Einschränkungen, wie beispielsweise beim Aufbringen von
keramischen Schutzschichten auf temperatur-empfindliche
Kunststoffe. Bei den natürlich ablaufenden Prozessen steuern
bioorganische, proteinbasierte Stoffe, die als Schablonen -
so genannte Template - dienen, die Mineralisation eines
anorganischen Materials. Nach diesem Prinzip bauen
beispielsweise Muscheln ihre Schalen aus Calciumcarbonat
auf. Die Wissenschaftler schauen sich diese
Prozessprinzipien von der Natur ab und übertragen sie auf
die Erzeugung künstlicher neuer Materialien.
Nanopartikel als Knochenersatzmaterial
Das Symposium bot einen Brückenschlag zwischen biologischen
und materialwissenschaftlichen Aspekten mit besonderem
Schwerpunkt auf die technische Nutzung von bioinspirierten
Syntheseverfahren und Materialien. Calciumphosphat, aus dem
Knochen aufgebaut sind, könnte ein Vorbild für die Synthese
von Nanopartikeln liefern, die dann als
Knochenersatzmaterial oder als Vehikel zur Einführung der
Erbsubstanz DNA in lebende Zellen dienen würden. Andere
bioinspirierte Nanostrukturen könnten zum Transport und zur
gezielten Freisetzung von Pharmaka im Organismus eingesetzt
werden.
Wie sich die Prinzipien der Biomineralisation auf die
Herstellung neuer Materialien konkret übertragen lassen,
zeigt sehr anschaulich der Lotuseffekt (siehe Abbildungen).
Künstliche Materialien, die nach dem gleichen Prinzip wie
bestimmte Pflanzenblätter aufgebaut sind, haben stark
wasserabweisende Eigenschaften. Wassertropfen perlen von
ihnen ab, wie bei ihrem Vorbild aus der Natur. Die Forscher
zeigten, dass sich beispielsweise Zinkoxid, das sich
prinzipiell als Basismaterial für Leuchtstoffe in Displays
oder zum Bau von Elektroden für Solarzellen eignet, bei der
Morphogenese durch die Gegenwart von Aminosäuren und
Peptiden bei der Mineralisation beeinflussen lässt. Je nach
Art der Biomoleküle entstehen korn-, stängel- sowie schicht-
und schwammartige Morphologien. So führt die Mineralisation
in Gegenwart der Aminosäure Arginin zu einem plattenförmigen
Aufbau. Wird dagegen beispielsweise ein Dipeptid aus den
Aminosäurebausteinen Tryptophan und Glycin eingesetzt, so
bilden sich schwammartige Morphologien. Diese Architekturen
auf der Basis von Zinkoxid weisen Analoga in der belebten
Natur auf. Der platten-förmige Aufbau ist typisch für die
Anordnung von Calciumcarbonat in Muschelschalen. Den Lotus-Effekt,
also die Eigenschaft stark Wasser abweisend zu sein,
verdanken organische und künstliche Materialien
schwammartigen Strukturen auf ihrer Oberfläche
Materialien mit analogen
Eigenschaften
Möglich ist auch die Erzeugung von so genannten mesoporösen
Materialien, die aufgrund sehr kleiner Porengrößen im
Bereich von etwa zwei bis 50 Nanometer eine hohe innere
Oberfläche aufweisen und sich daher insbesondere für Sensor-
oder Katalysatoranwendungen sowie als elektrooptische
Materialien anbieten.
Abschließend diskutierten die Wissenschaftler über die
laterale Strukturierung von Funktionsmaterialien bis in
Nano-meterdimensionen mittels organischer Template. Es wurde
deutlich, dass die bioinspirierte Vorgehensweise die
Möglichkeit bietet, anorganische Funktionsmaterialien mit
einer Auflösung im Nanometerbereich zu strukturieren. Dies
ist beispielsweise im Bereich der Informationstechnologie
von erheblicher Relevanz.
Bill/ve
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Lotus-Effekt: Wasserabweisende Oberfläche eines
bioinspirierten Materials, mit schwammartiger
Oberflächen-struktur, wie in der Abb. S. 58 rechts oben zu
sehen ist.
(Quelle: INAM/MPI für Metallforschung) |
Kontakt
Dr. Joachim Bill
Max-Planck-Institut für Metallforschung
Institut für Ni.htmletallische Anorganische Materialien,
Universität Stuttgart
Tel. 0711/689-3228
Fax 0711/689-3131
e-mail: bill@mf.mpg.de
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