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Stuttgarter unikurier Nr. 95 Mai 2005
Von der Natur lernen:
Bioinspirierte Synthese und Materialien

Die Vorgehensweise der Natur bei der Bildung von Gehäusen, Schalen und Knochen, der so genannten Biomineralisation, kann für die Technik zum Vorbild werden, neuartige Materialien unter vergleichsweise einfachen Bedingungen herzustellen.
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Die Suche nach bioinspirierten Wegen zur Synthese von „Keramiken bei Raumtemperatur“ ist ein stark expandieren-des Forschungsgebiet und stellt einen Schwerpunkt am Institut für Ni.htmletallische Anorganische Materialien der Universität Stuttgart und dem Pulvermetallurgischen Laboratorium am Max-Planck-Institut für Metallforschung dar, die beide von Professor Fritz Aldinger geleitet werden. Um diese Themen ging es auch bei dem internationalen Sympo-sium „Bioinspired Synthesis and Materials - From Fundamentals to New Processing Routes“ im Oktober 2004, das von beiden Institutionen gemeinsam veranstaltet wurde.

 

 

Künstliche Mineralisation aus wässrigen Lösungen von Zinksalzen:

    Mineralisierung in Gegenwart der Aminosäure Arginin führt zum plattenförmigen Aufbau.
 
Bei Anwesenheit eines Dipeptids aus den Aminosäurebausteinen Tryptophan und Glycin bilden sich schwammartige Morphologien.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Natürliche Mineralisation:

    Plattenförmige Struktur des Calciumcarbonats bei Muschelschalen einer Auster.

 
Schwammartige Struktur auf der Oberfläche eines Blattes der Taropflanze. Diese Struktur ist verant-wortlich für wasserabweisende Eigenschaften.
(Quelle: Planta 202, 1997)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Muschelschalen bilden sich ohne großen Aufwand

Die Natur bietet eindrucksvolle Beispiele für den Aufbau hochkomplexer Strukturen mit multifunktionellem Eigen-schaftsprofil. So bilden sich Muschelschalen bei Umgebungsdruck und -temperatur mit offensichtlich geringem Aufwand. Im Gegensatz dazu ist die Herstellung von Keramiken mit nicht unerheblichem verfahrenstechnischem Aufwand sowie erhöhten Prozesstemperaturen (Brennen, Sintern) verbunden. Zudem ergeben sich hohe Kosten und technische Einschränkungen, wie beispielsweise beim Aufbringen von keramischen Schutzschichten auf temperatur-empfindliche Kunststoffe. Bei den natürlich ablaufenden Prozessen steuern bioorganische, proteinbasierte Stoffe, die als Schablonen - so genannte Template - dienen, die Mineralisation eines anorganischen Materials. Nach diesem Prinzip bauen beispielsweise Muscheln ihre Schalen aus Calciumcarbonat auf. Die Wissenschaftler schauen sich diese Prozessprinzipien von der Natur ab und übertragen sie auf die Erzeugung künstlicher neuer Materialien.

 

Nanopartikel als Knochenersatzmaterial

Das Symposium bot einen Brückenschlag zwischen biologischen und materialwissenschaftlichen Aspekten mit besonderem Schwerpunkt auf die technische Nutzung von bioinspirierten Syntheseverfahren und Materialien. Calciumphosphat, aus dem Knochen aufgebaut sind, könnte ein Vorbild für die Synthese von Nanopartikeln liefern, die dann als Knochenersatzmaterial oder als Vehikel zur Einführung der Erbsubstanz DNA in lebende Zellen dienen würden. Andere bioinspirierte Nanostrukturen könnten zum Transport und zur gezielten Freisetzung von Pharmaka im Organismus eingesetzt werden.

 Wie sich die Prinzipien der Biomineralisation auf die Herstellung neuer Materialien konkret übertragen lassen, zeigt sehr anschaulich der Lotuseffekt (siehe Abbildungen). Künstliche Materialien, die nach dem gleichen Prinzip wie bestimmte Pflanzenblätter aufgebaut sind, haben stark wasserabweisende Eigenschaften. Wassertropfen perlen von ihnen ab, wie bei ihrem Vorbild aus der Natur. Die Forscher zeigten, dass sich beispielsweise Zinkoxid, das sich prinzipiell als Basismaterial für Leuchtstoffe in Displays oder zum Bau von Elektroden für Solarzellen eignet, bei der Morphogenese durch die Gegenwart von Aminosäuren und Peptiden bei der Mineralisation beeinflussen lässt. Je nach Art der Biomoleküle entstehen korn-, stängel- sowie schicht- und schwammartige Morphologien. So führt die Mineralisation in Gegenwart der Aminosäure Arginin zu einem plattenförmigen Aufbau. Wird dagegen beispielsweise ein Dipeptid aus den Aminosäurebausteinen Tryptophan und Glycin eingesetzt, so bilden sich schwammartige Morphologien. Diese Architekturen auf der Basis von Zinkoxid weisen Analoga in der belebten Natur auf. Der platten-förmige Aufbau ist typisch für die Anordnung von Calciumcarbonat in Muschelschalen. Den Lotus-Effekt, also die Eigenschaft stark Wasser abweisend zu sein, verdanken organische und künstliche Materialien schwammartigen Strukturen auf ihrer Oberfläche
 


 

Materialien mit analogen Eigenschaften

Möglich ist auch die Erzeugung von so genannten mesoporösen Materialien, die aufgrund sehr kleiner Porengrößen im Bereich von etwa zwei bis 50 Nanometer eine hohe innere Oberfläche aufweisen und sich daher insbesondere für Sensor- oder Katalysatoranwendungen sowie als elektrooptische Materialien anbieten.

 Abschließend diskutierten die Wissenschaftler über die laterale Strukturierung von Funktionsmaterialien bis in Nano-meterdimensionen mittels organischer Template. Es wurde deutlich, dass die bioinspirierte Vorgehensweise die Möglichkeit bietet, anorganische Funktionsmaterialien mit einer Auflösung im Nanometerbereich zu strukturieren. Dies ist beispielsweise im Bereich der Informationstechnologie von erheblicher Relevanz.                 Bill/ve
 

 

Lotus-Effekt: Wasserabweisende Oberfläche eines bioinspirierten Materials, mit schwammartiger Oberflächen-struktur, wie in der Abb. S. 58 rechts oben zu sehen ist.                              (Quelle: INAM/MPI für Metallforschung)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kontakt

Dr. Joachim Bill
Max-Planck-Institut für Metallforschung
Institut für Ni.htmletallische Anorganische Materialien, Universität Stuttgart
Tel. 0711/689-3228
Fax 0711/689-3131
e-mail: bill@mf.mpg.de 

 

 

 

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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