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Der elektrische Schnellseher von Ottomar Anschütz aus dem
Jahre 1887. Jedes Glas-bild auf der kreisförmigen Scheibe
wird bei seiner Rotation mittels einer Handkurbel durch ein
Blitzlicht aus einer Geißler'schen Röhre erleuchtet und
löst so beim Betrachter den Effekt bewegter Bilder aus.
(Quelle: Scientific American 1889) |
„Die frühen Daumenkinos, Thaumatrope und
Projektionsapparate stürzten die klassischen Erkenntnisse
des Sehens in eine tiefe Krise“, erläuterte der
geschäftsführende Direktor des IZKT, Prof. Georg Maag, bei
der Er-öffnung im Theaterhaus Stuttgart. Sie fand ihren
Niederschlag in der naturwissenschaftlichen Forschung,
insbesondere in technologischen Laboratorien der Optik. „Wir
verhandeln jedoch heute ein Thema, das interdisziplinäres
Herangehen erfordert. Es ist damit ein klassisches Feld für
das IZKT“, betonte Maag. Und Prorektor Wolfgang Ehlers
ergänzte in einem Grußwort der Uni: „Bewegte Bilder haben
die Welt verändert. Dabei wurden sie an der Schnittstelle
von Kultur und Technik selbst zum Objekt der Geschichte.“
Vielfältige Fragestellungen
Ein Objekt, das vielfältige Fragestellungen aufwirft, wie
Daniel Gethmann vom Institut für Kunst- und
Kulturwissenschaften der Technischen Univer-sität Graz
darlegte. Zunächst stand die Funktionsweise der
erstaunlichen Apparaturen im Mittelpunkt des
Forschungsinteresses. Spätere Studien analysierten, wie das
Auge Bewegung als Dehnung oder Verdichtung zeitlicher
Abläufe wahrnimmt und wie die Apparate aus dieser
„Sinnes-täuschung“ Bewegungsillusionen produzieren. „Durch
die Erstellung be-wegter Bilder geriet das Sehen selbst
unter Beobachtung“, resümierte Gethmann.
Internationale Besetzung
Das international besetzte Symposion folgte dieser
Aufgabenstellung: Statt bewegte Bilder alleine in der
Perspektive einer Vorgeschichte des Films wahrzunehmen,
sollten die wechselvollen Verflechtungen von apparativen
Gegebenheiten, phy-siologischen Untersuchungen,
experimentellen Anordnungen, technischen Erfindungen und
ästhetischen Effekten zur Sprache kommen. Die Beiträge
skizzierten die Entwicklung vom Daumenkino zum Kino (Prof.
Mary Ann Doane, Rhode Island, USA), hinterfragten, wie sich
die Apparaturen bewegter Bilder zu den heutigen
autovisuellen Medien verhalten (Prof. Frank Kessler,
Utrecht) oder schlugen einen philosophischen Bogen von der
Auseinandersetzung mit der optischen Täuschung bei Kant zu
der transzendenten Perspektive eines Johann Heinrich
Lambert.
Radikaler Bruch
Dabei zeigten die Tagungsbeiträge, dass die „Apparaturen
bewegter Bilder“ nicht von ihrer Bestimmung als „Appareil du
sens“ zu trennen sind. Technische Apparaturen, erläuterte
Christoph Hoffmann (Max-Planck-Institut, Berlin) am Beispiel
der stroboskopischen Experimente Joseph Plateaus, stellen
stets auch sinnesphysiologische Kulturmerkmale einer
bestimmten historischen Zeit dar. Die frühen visuellen
Medientechniken und ihre sequentiellen Bilder initiierten
einen radikalen Bruch mit den überkommenen Vorstellungen des
Sehens - und zwar vor der Erfindung der Photographie oder
gar des Films.
Eine amüsante Annäherung an die Materie erwartete
die Besucher des Kommunalen Kinos, das als
Kooperationspartner des IZKT eingebunden war. Dort zeigte
Christian Lebrat (Paris) museales Filmmaterial, in dem das
avantgardistische Potential der so genannten „trous noirs“ (schwarze
Löcher, gemeint sind die Schnittstellen zwischen den
einzelnen Auf-nahmen) ausgelotet wurde. „Künstler wie
Fernand Leger oder Stan Brakhage zogen beispielsweise
Pflanzen über das Zelluloid und bearbeiteten es wie eine
Skulptur von Hand“, schilderte Lebrat den experimentellen
Entstehungsprozess der Filme.
Ein weiteres Highlight war der Festvortrag über die
Chronophotographien Etienne-Jules Mareys von Prof. Michel
Frizot (Paris). Der von der DVA-Stiftung im Rahmen des 42.
Jahrestages der Unterzeichnung des Vertrags über die
deutsch-französische Freundschaft geförderte Vortrag fand im
voll besetzten Max Bense-Saal der Stadtbücherei statt.
Andrea Mayer-Grenu
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Chronophotographie des Fluges einer Möwe von Etienne Jules
Marey, zehn Bilder pro Sekunde (1886).
(Quelle: Marey, Etienne Jules: LE MOUVEMENT. PARIS: MASSON
1894) |
KONTAKT
Prof. Georg Maag
Internationales Zentrum für Kultur- und Technikforschung
Tel. 0711/121-3113
Fax. 0711/121-2819
e-mail:
info@izkt.uni-stuttgart.de