Prorektor Prof. Horst Thomé erinnerte an die besondere
Verbindung zwischen Heuss und der Universität Stuttgart: „Als
Kultusminister hat Heuss 1945 den Aufbau der Universität
angeregt. Er lehrte hier als Honorarprofessor und erhielt
von der Hochschule die Ehrendoktorwürde.“ Unter den Zuhörern
im Hörsaal 17.01 waren Mitglieder der Familie Heuss und die
Sozialbürgermeisterin von Stuttgart Gabriele
Müller-Trimbusch, die Vorsitzende der Stiftung. Sie
berichtete über den Entschluss von Heuss, sein Gesuch um ein
Rechtsgutachten beim Bundes-verfassungsgericht
zurückzuziehen, bei dem es um die Wiederbewaffnung
Deutschlands ging. Er wollte nicht, dass sich die
verfassungsgerichtliche Entscheidungsgewalt ausweitet.
Kontroverse Debatten zu Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts sind auch heute aktuell. Die „Instanz
des letzten Wortes“ unterliegt keiner direkten Kontrolle von
außen, deshalb besteht die Gefahr, dass sie ihre Kompetenzen
gegenüber Parlament und Regierung erweitert und damit die
Handlungsfähigkeit der Politik in Frage stellt. Genau um
dieses Thema ging es in dem Vortrag von Prof. Peter Graf
Kielmansegg, Präsident der Heidelberger Akademie der
Wissenschaften. Er lehrte Politikwissenschaften an den
Universitäten Mannheim und Köln und an der Georgetown
University in Washington, D.C.
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Das Zusammenspiel von Verfassungsgerichtsbarkeit und
demokratischer Gewaltenteilung erinnere geleg-entlich an
eine Ehe - hin und wieder käme es zu Spannungen, erläuterte
Peter Graf Kielmannsegg. (Foto: Eppler) |
Kielmansegg verglich das Verhältnis zwischen der
Verfassungsgerichtsbarkeit und dem demokratischen System mit
einer Ehe. Es sei eine Symbiose zweier verschiedener
Grundprinzipien, in der es manchmal Spannungen gibt. Diese
Symbiose solle die Bindung des Gesetzgebers an die
Verfassung gewährleisten. „Wieso akzeptieren eigentlich die
meisten demokra-tischen Staaten ein Gericht als letzte
Instanz?“, fragte Kielmansegg. Als Gründe gab er die
Diktaturerfahrungen vieler Länder an. Diktaturen würden
meist weniger als Demokratieverlust denn als Rechtsverlust
empfunden.
Er
stellte klar, dass das Bundesverfassungsgericht eine ganz
andere Stellung als andere Gerichte besitzt. Die Hürden, um
die Verfassung zu ändern, seien sehr hoch. Zudem muss das
Bundesverfassungsgericht angerufen werden und wird nicht von
selbst aktiv.
Verfassung als Rechtsrahmen der Politik
„Die Verfassungsgerichtsbarkeit überwacht die Fairness des
demokratischen Systems“, erläuterte Kielmansegg, „die
Verfassung bietet Rechtsrahmen der Politik - also eine Art
Machtteilung.“ Das Bundesverfassungsgericht genieße bei der
Bevölkerung hohes Ansehen, betonte Kielmannsegg. Dies lege
nahe, dass ein gewisses Misstrauen gegenüber dem
demokratischen System vorhanden sei, vermutet er.
Demokratische Verfahren lassen nur Argumente zur
Entscheidungsfindung zu. Gerade deshalb gäbe es offenbar
auch ein Bedürfnis nach einer autoritären Entscheidung,
sozusagen als Entlastung der Demokratie, um die Gefahr zur
Einseitigkeit zu vermindern. Abschließend fasste Kielmansegg
zusammen: „Die gemischte Verfassung bietet die Stabilität
des mittleren Weges, doch das Zusammenspiel muss gelernt
werden.“
Birgit Vennemann
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