„Der Dies Academicus ist ein Tag, um den Gedankenaustausch
zwischen Kollegen und Freunden der Universität zu pflegen“,
sagte Dieter Fritsch, und er sei eine festliche Plattform
für Preise und Auszeichnungen - so auch für die Verleihung
der Ehrensenatorenwürde: Wilfried Ensinger, Gründer und
Geschäftsführer der Ensinger GmbH, Nufringen, wurde am
ersten Dies Academicus der Universität Stuttgart zu deren
Ehrensenator ernannt. Gewürdigt wurden damit seine „richtungsweisenden
Ingenieurleistungen bei der Entwicklung neuartiger
Polymerwerkstoffe, Kunststoffverarbeitungsverfahren und
technischer Formteile“ sowie seine unternehmerischen Erfolge
beim Aufbau und der Führung seiner Unternehmensgruppe und
seine tatkräftige Förderung von Forschung und Lehre der
Universität. Innerhalb von 38 Jahren hat Wilfried Ensinger
aus einem Ein-Mann-Unternehmen und unter schwier-igen
Anfangsbedingungen eine Holding mit weltweit 25
Tochterunternehmen aufgebaut, die heute zu den bedeut-endsten
Herstellern von Hochleistungspolymeren zählt.
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Für ihre Dissertationen auf dem Gebiet der Umwelt-technik
erhielten der Architekt Thomas Stark (links) und der
Verfahrenstechniker Stefan Nonnenmacher den Förderpreis der
Friedrich-und-Elisabeth-Boysen-Stiftung. (Foto: Eppler) |
Verpflichtung für das Gemeinwesen
Der Dies Academicus ist für den Universitätsrats-vorsitzenden
Prof. Berthold Leibinger eine gute Sache. „Wenn die an
diesem Tag Geehrten fühlen, dass dadurch auch eine
Verpflichtung entsteht, diesem Gemeinwesen etwas zu geben“,
sagte er, „dann haben wir für diese Gemeinschaft etwas
Wichtiges getan.“ Doch nicht nur große Lebenswerke wurden
gewürdigt. Für ihre Disser-tationen auf dem Gebiet der
Umwelttechnik konnten sich der Architekt Thomas Stark, der
die aktive Nutzung erneuerbarer Energien am Beispiel eines
Wohn- und Bürogebäudes untersucht hat und der
Verfahrens-techniker Stefan Nonnenmacher für seine Arbeit
zur Restentgasung in statischen Entgasungsapparaturen den
mit 5.000 Euro dotierten Förderpreis der Friedrich-
und-Elisabeth-Boysen-Stiftung teilen. Die Vereinigung von
Freunden der Universität Stuttgart ehrte ihre langjährigen
persönlichen und kooperativen Mitglieder - so die Firmen
Bosch, Breuninger, Voith und Scheuffelen,
Gründungsmitglieder der ersten Stunde und „Brückenbauer
zwischen Universität und Wirtschaft“, wie Dr. Claus Dieter
Hoffmann betonte.
Plädoyer gegen Gleichmacherei
„Das
Wissen ist der Rohstoff des 21. Jahrhunderts“, ist sich
Prof. Dieter Fritsch sicher. Doch wie sieht die Bildung von
morgen aus und wie kann man im internationalen Wettbewerb
Schritt halten? Den Kampf um Magister und Diplom verloren,
gelte es nun, daraus das Beste zu machen, konstatierte
Fritsch, der daran festhält: „Der Bachelor öffnet Türen, der
Master ist das Ziel.“ Letzterer solle zum Regelabschluss an
den Universitäten werden. „Oder“, fragte der Rektor
provokant in die Runde, „Würden Sie Ihr Kind auf das
Gymnasium schicken, um den Realschulabschluss zu machen?
Sich einem Arzt anvertrauen, der sein Studium mit dem BA
abgeschlossen hat?“ Fachhochschule, Berufsakademie und
Universität, diese Differenzierung habe sich bewährt, „Gleichmacherei
wollen wir nicht, brauchen wir nicht“ - dafür gab es
Szenenapplaus.
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Uni-Rektor Prof. Dieter Fritsch (rechts) gratuliert dem
neuen Ehrensenator Wilfried Ensinger.
(Foto: Eppler) |
Keine Stabilität ohne Mittelbau
Die vorderen Plätze der Universität bei Rankings
aller Art zeigten, „wir wissen auch, wo es langgehen muss“,
betonte Dieter Fritsch und forderte: „Forschung und Lehre
benötigen einen gewissen Freiraum, positive
Rahmenbedingungen und Planungssicherheit.“ Auch die rund
5.000 Mitarbeiter der Universität, von denen über die Hälfte
zum wissenschaftlichen Dienst zählen, wissen eine gewisse
Sicherheit zu schätzen. „Wenn man den Mittelbau entfernt,
dann stürzt das Haus ein“, mahnte Dr. Dieter Leicht, der
Vertreter des Akademischen Mittelbaus. „Wir sind keine
Wichtigtuer, aber wir tun Wichtiges“, ob in der Technik, der
Verwaltung oder der Lehre.
Entführung in die Welt des Leichtbaus
Eine Entführung der besonderen Art erfolgte zum
Abschluss - es ging in die „Welt des Leichtbaus“ von Prof.
Dr.-Ing. Werner Sobek. Der Direktor des Instituts für
Leichtbau, Entwerfen und Konstruieren (ILEK) führte seine
Gäste in voll verglaste Häuser, die für Weitblick sorgen und
- ärztlich bestätigt - als Antidepressivum gelten, und in
solche mit Fassaden aus Stoff, die, gleich dem Weltraumanzug
eines Astronauten, nur wenige Millimeter dick, Kälte und
Wärme trotzen. Die Einblicke in Werner Sobeks „leichte
Arbeit“ begeisterten. „Wir können viel, was andere noch
lange nicht können“, sagte er und demonstrierte es sogleich.
So spannen sich bei der „Stuttgarter Glasschale“ zehn
Millimeter dicke Gläser über achteinhalb Meter - ohne
metallische Verbinder, nur geklebt; und für einen
futuristischen Messestand fügen sich 13.500 Glasscheiben
spinnennetzartig zusammen. Je nach Kristalleinlagerung kann
man die Transmission der Gläser kontinuierlich manipulieren
- „das gibt es sonst nirgends“, erklärte der Bauingenieur. „Wir
haben einen Innovationsvorsprung und Stuttgart eine
Tradition im Leichtbau“, erinnerte Werner Sobek an Frei Otto
oder Jörg Schlaich. Weltweit ist er mit seinem Team gefragt
und baut sogar leichter als mit Luft - nämlich ohne Luft:
Man ziehe dazu eine etwas zu groß geratene PVC-Folie über
ein Dr.htmlodell, sauge die Luft heraus und lege dann die
entstehenden Folienfalten nach ästhetischen
Gesichtspunkten ... voilà.
Julia Alber
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