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Stuttgarter unikurier Nr. 95 Mai 2005
Die Universität lud zum ersten Dies Academicus:
Eine alte Tradition neu entdeckt

Erstmals in ihrer Geschichte hat die Universität Stuttgart zum Dies Academicus geladen. Zur Einführung dieser, an anderen Hochschulen schon lange gepflegten Tradition, war das Jubiläumsjahr 2004 gewählt worden. Am Samstag, dem 6. November, begrüßte Rektor Prof. Dieter Fritsch im Tiefenhörsaal viele Gäste aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, Kollegen und Mitarbeiter. Die Gäste ließen sich vom Kammerorchester der Uni Stuttgart unter der Leitung von Dr. Dirk Strassacker mit Mozart und Brahms auf einen interessanten Vormittag einstimmen.
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„Der Dies Academicus ist ein Tag, um den Gedankenaustausch zwischen Kollegen und Freunden der Universität zu pflegen“, sagte Dieter Fritsch, und er sei eine festliche Plattform für Preise und Auszeichnungen - so auch für die Verleihung der Ehrensenatorenwürde: Wilfried Ensinger, Gründer und Geschäftsführer der Ensinger GmbH, Nufringen, wurde am ersten Dies Academicus der Universität Stuttgart zu deren Ehrensenator ernannt. Gewürdigt wurden damit seine „richtungsweisenden Ingenieurleistungen bei der Entwicklung neuartiger Polymerwerkstoffe, Kunststoffverarbeitungsverfahren und technischer Formteile“ sowie seine unternehmerischen Erfolge beim Aufbau und der Führung seiner Unternehmensgruppe und seine tatkräftige Förderung von Forschung und Lehre der Universität. Innerhalb von 38 Jahren hat Wilfried Ensinger aus einem Ein-Mann-Unternehmen und unter schwier-igen Anfangsbedingungen eine Holding mit weltweit 25 Tochterunternehmen aufgebaut, die heute zu den bedeut-endsten Herstellern von Hochleistungspolymeren zählt.

 

Für ihre Dissertationen auf dem Gebiet der Umwelt-technik erhielten der Architekt Thomas Stark (links) und der Verfahrenstechniker Stefan Nonnenmacher den Förderpreis der Friedrich-und-Elisabeth-Boysen-Stiftung. (Foto: Eppler)
 Verpflichtung für das Gemeinwesen

Der Dies Academicus ist für den Universitätsrats-vorsitzenden Prof. Berthold Leibinger eine gute Sache. „Wenn die an diesem Tag Geehrten fühlen, dass dadurch auch eine Verpflichtung entsteht, diesem Gemeinwesen etwas zu geben“, sagte er, „dann haben wir für diese Gemeinschaft etwas Wichtiges getan.“ Doch nicht nur große Lebenswerke wurden gewürdigt. Für ihre Disser-tationen auf dem Gebiet der Umwelttechnik konnten sich der Architekt Thomas Stark, der die aktive Nutzung erneuerbarer Energien am Beispiel eines Wohn- und Bürogebäudes untersucht hat und der Verfahrens-techniker Stefan Nonnenmacher für seine Arbeit zur Restentgasung in statischen Entgasungsapparaturen den mit 5.000 Euro dotierten Förderpreis der Friedrich- und-Elisabeth-Boysen-Stiftung teilen. Die Vereinigung von Freunden der Universität Stuttgart ehrte ihre langjährigen persönlichen und kooperativen Mitglieder - so die Firmen Bosch, Breuninger, Voith und Scheuffelen, Gründungsmitglieder der ersten Stunde und „Brückenbauer zwischen Universität und Wirtschaft“, wie Dr. Claus Dieter Hoffmann betonte. 

 

Plädoyer gegen Gleichmacherei

 „Das Wissen ist der Rohstoff des 21. Jahrhunderts“, ist sich Prof. Dieter Fritsch sicher. Doch wie sieht die Bildung von morgen aus und wie kann man im internationalen Wettbewerb Schritt halten? Den Kampf um Magister und Diplom verloren, gelte es nun, daraus das Beste zu machen, konstatierte Fritsch, der daran festhält: „Der Bachelor öffnet Türen, der Master ist das Ziel.“ Letzterer solle zum Regelabschluss an den Universitäten werden. „Oder“, fragte der Rektor provokant in die Runde, „Würden Sie Ihr Kind auf das Gymnasium schicken, um den Realschulabschluss zu machen? Sich einem Arzt anvertrauen, der sein Studium mit dem BA abgeschlossen hat?“ Fachhochschule, Berufsakademie und Universität, diese Differenzierung habe sich bewährt, „Gleichmacherei wollen wir nicht, brauchen wir nicht“ - dafür gab es Szenenapplaus.

Uni-Rektor Prof. Dieter Fritsch (rechts) gratuliert dem neuen Ehrensenator Wilfried Ensinger.          (Foto: Eppler)

 

Keine Stabilität ohne Mittelbau

 Die vorderen Plätze der Universität bei Rankings aller Art zeigten, „wir wissen auch, wo es langgehen muss“, betonte Dieter Fritsch und forderte: „Forschung und Lehre benötigen einen gewissen Freiraum, positive Rahmenbedingungen und Planungssicherheit.“ Auch die rund 5.000 Mitarbeiter der Universität, von denen über die Hälfte zum wissenschaftlichen Dienst zählen, wissen eine gewisse Sicherheit zu schätzen. „Wenn man den Mittelbau entfernt, dann stürzt das Haus ein“, mahnte Dr. Dieter Leicht, der Vertreter des Akademischen Mittelbaus. „Wir sind keine Wichtigtuer, aber wir tun Wichtiges“, ob in der Technik, der Verwaltung oder der Lehre.

 

Entführung in die Welt des Leichtbaus

 Eine Entführung der besonderen Art erfolgte zum Abschluss - es ging in die „Welt des Leichtbaus“ von Prof. Dr.-Ing. Werner Sobek. Der Direktor des Instituts für Leichtbau, Entwerfen und Konstruieren (ILEK) führte seine Gäste in voll verglaste Häuser, die für Weitblick sorgen und - ärztlich bestätigt - als Antidepressivum gelten, und in solche mit Fassaden aus Stoff, die, gleich dem Weltraumanzug eines Astronauten, nur wenige Millimeter dick, Kälte und Wärme trotzen. Die Einblicke in Werner Sobeks „leichte Arbeit“ begeisterten. „Wir können viel, was andere noch lange nicht können“, sagte er und demonstrierte es sogleich. So spannen sich bei der „Stuttgarter Glasschale“ zehn Millimeter dicke Gläser über achteinhalb Meter - ohne metallische Verbinder, nur geklebt; und für einen futuristischen Messestand fügen sich 13.500 Glasscheiben spinnennetzartig zusammen. Je nach Kristalleinlagerung kann man die Transmission der Gläser kontinuierlich manipulieren - „das gibt es sonst nirgends“, erklärte der Bauingenieur. „Wir haben einen Innovationsvorsprung und Stuttgart eine Tradition im Leichtbau“, erinnerte Werner Sobek an Frei Otto oder Jörg Schlaich. Weltweit ist er mit seinem Team gefragt und baut sogar leichter als mit Luft - nämlich ohne Luft: Man ziehe dazu eine etwas zu groß geratene PVC-Folie über ein Dr.htmlodell, sauge die Luft heraus und lege dann die entstehenden Folienfalten nach ästhetischen
Gesichtspunkten ... voilà.


Julia Alber

 

 

 


last change: 28.05.05 / yj
Pressestelle der Universität Stuttgart

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