Im Januar 2003 wurde der von der Deutschen
Forschungsgemeinschaft geförderte und interdisziplinär
angelegte SFB 627 Nexus „Umgebungsmodelle für mobile
kontextbezogene Systeme“ eingerichtet. Mit seinen über 30
wissenschaft-lichen Mitarbeitern, unter anderem aus der
Informatik, der Photogrammetrie, Technikphilosophie,
Elektrotechnik und Fertigungs ist er für „universitäre
Maßstäbe groß“, so dessen Sprecher, Prof. Dr. Kurt Rothermel
vom Institut für Para-llele und Verteilte Systeme der
Universität Stuttgart.
Zukunftsvision
Die Besucherin des Industriekolloquiums, „Frau Scholl“, die
mithilfe dynamischer Informationen automatisch zu einem
freien Parkplatz geleitet wird und dank 3D-Modellen von
Campus und Informatikgebäude den Hörsaal findet, entsprang
ebenso der Fiktion von Kurt Rothermel wie „Herr Maier“.
Dieser erfährt aufgrund kontextbezogener Informationen an
der Haltestelle von der Verspätung seines Busses oder -
falls er mit dem Auto unterwegs ist - meldet ihm sein
intelligen-ter Reifen, dass das Profil zu wünschen übrig
lässt und liefert zugleich die Information, wo man in der
Nähe Abhilfe findet.
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Die Stuttgarter Forscher können mit ihrem Kow-how auch
Gebäudetexturen automatisch erzeugen, wie hier bei einem
virtuellen Modell des Stuttgarter Großen Hauses.
(Darstellung: Institut) |
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Zauberwort: Kontextbezogene Informationen
Damit solche Zukunftsszenarien Wirklichkeit werden können,
benötigt man Umgebungsmodelle. Dazu müssen die
Zustands-verhältnisse der realen Welt erfasst und in die
virtuelle Welt übertragen werden, erläuterte Kurt Rothermel.
Dieser hohe Auf-wand sei jedoch nur finanzierbar, wenn viele
Anwender zur Ver-fügung stehen und die verschiedensten
Umgebungsmodelle zusammengebracht werden. Ziel der aktuellen
Forschung daher: Wie kann man globale, skalierbare,
hochdynamische Umgeb-ungsmodelle integrieren und einheitlich
zur Verfügung stellen? „In kontextbezogenen Systemen steckt
ein großes Potenzial und eine große Herausforderung“,
betonte Rothermel - „genau das Richtige für uns
“
Immer online für spezifische Dienste?
Für Dr. Heinrich Stüttgen von NEC Research Labs Europe
Heidelberg zählt die Praxis. Gerade beim Handy müssen sich
die Informationsdienste mit wenigen Handgriffen finden
lassen - oder noch besser, so Stüttgen: „Man kann
vor-hersehen, was der Nutzer will ...“ Sucht dieser ein
Restaurant, dann wohl eines in seiner Nähe, kommt er zu
einer Bushaltestelle, will er vielleicht den Fahrplan wissen
und steigt er ein - nun, wo überall könnte er ankommen und
was gibt es dort? „Um spezifische Dienste anbieten zu können,
muss man über die Geschichte und die Gewohnheiten des
Benutzers etwas wissen“, verriet Heinrich Stüttgen. Je
besser die personalisierten Dienste sind, desto eher werden
sie genutzt - nur so könne man den Kunden langfristig binden,
nicht über den Preis, ist sich der Fachmann sicher.
Aber will wirklich jeder jederzeit mit seinem Handy
lokalisierbar sein, sein Bewegungsprofil erfasst wissen, um
dann entsprechend informiert zu werden? Dr. Stephan Rupp
(Alcatel), der sich für das interessiert, was in drei Jahren
auf den Markt kommt, weiß nur sicher: „Beim Einsatz
kontextbezogener Systeme in der Praxis müssen sich die
persön-lichen Assistenten selbst verwalten, deren Nutzung
darf kein Ingenieurstudium voraussetzen.“
Besuch in der „Smart Factory“
Prof. Dr. Engelbert Westkämper vom Institut für
Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb (IFF) entführte
seine Zuhörer in die „Smart Factory“. „In der Echtzeitfabrik
benötigen wir Strukturen, die sich ständig anpassen“,
erklärte Westkämper. Neben den Interaktionen von Mensch zu
Maschine oder Objekt, interessieren auch besonders die
Objekt-zu-Objekt-Interaktionen: „Ein Behälter sollte wissen,
was in ihm drin ist, ein Fahrzeug, was es geladen hat“. Bei
der Echtzeit-lokalisation mobiler Objekte sind die
Wissenschaftler schon auf einen Meter genau. Und damit Big
Brother keine Chance hat, standen das Duo Datenschutz und -sicherheit
bei der Erfassung personenbezogener Daten schon von Anfang
an ganz oben auf der Agenda von Nexus.
Von Fässern, die sich „beschweren“, wenn abweichend
von den Lagervorschriften zu viele von ihnen auf einer best-immten
Fläche stehen oder Chemikalien enthalten, die nicht zusammen
gelagert werden dürfen, berichtete Dr. Uwe Kubach (SAP) in
seinem Beitrag aus der aktuellen Forschung. Möglich wird
dies, weil die Fässer mit Sensorchips ausgestattet sind und
miteinander „kommunizieren“. Uwe Kubachs wichtigste
Erfahrung jedoch aus der Praxis: „Die Kunden wollen nicht an
einen Anbieter gebunden sein und verlangen daher Systeme mit
offenen Standards und eine serviceorientierte Architektur,
die in jede IT-Landschaft schnell integriert werden kann.“
Anregungen aus der Industrie
Bevor am späten Nachmittag der Nexus Demonstrator zur
Vorführung kam, berichtete Dr. Axel Hildebrand
(Daimler-Chrysler) über den Einsatz von Augmented Reality im
Automobilumfeld, und die am SFB beteiligten Wissenschaftler
Prof. Dr. Bernhard Mischang und Dr. Daniel Weiskopf gingen
auf die Herausforderungen und Ansätze für Kontext-modelle
ein und gaben einen Einblick in die Visualisierung und 3D
Computergrafik auf mobilen Geräten. Aufgrund der hohen
Praxisrelevanz soll das Industriekolloquium in Zukunft alle
zwei Jahre durchgeführt werden: „Wir erhoffen uns durchaus
auch Anregungen aus der Industrie“, sagte Kurt Rothermel.
Julia Alber
KONTAKT
Prof. Dr. Kurt Rothermel, Christian Becker
Institut für Parallele und Verteilte Systeme
Tel. 0711/7816-434, -357
Fax 0711/7816-424
e-mail:
kurt.rothermel@Informatik.uni-stuttgart.de,
christian.becker@informatik,uni-stuttgart.de
www.nexus.uni-stuttgart.de