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Hightech-Fasern mit Perspektive
 
 
  Die Integration von Mikroelektronik und Sensoren in Textilfasern  

Die Integration von Mikroelektronik und Sensoren in Textilfasern eröffnet neue, innovative Forschungsfelder. Anwendungen finden sich in Funktionsbekleidung oder in der Autoindustrie, im Flugzeugbau, in der Raum-fahrt und sogar bei Seilen. Mehrere Institute der Uni Stuttgart arbeiten auf dem zukunftsträchtigen Terrain.
                                                                                                                                                                      (Fotos: IFB, IPE)

Ob in Baby-Stramplern oder Arbeitskleidung, Autositzen oder im Flugzeugbau: Elektronik und Textilforschung wachsen immer enger zusammen. „Smarte Textilien“ lautet die Formel für eine Technologie, die Zukunftsmärkte erschließen und Arbeitsplätze in Deutschland sichern soll. Gleich mehrere Uni-Institute beteiligen sich daran.

Zu den europaweit ersten Adressen auf diesem Entwicklungsfeld gehört das eng mit der Uni Stuttgart verbundene Institut für Textil- und Verfahrenstechnik (ITV) in Denkendorf. Die von Prof. Heinrich Planck, Inhaber des Lehrstuhls für Textiltechnik/Maschinenbau der Uni geleitete Einrichtung misst smarten Textilien derzeit besonderen Stellenwert zu. Jüngst sorgte das Institut mit einem sensorgestützten Babybody für Aufsehen. Der Hightech-Strampler misst Vitalfunktionen wie Herzfrequenz, Atmung und Temperatur und schlägt bei lebensbedrohlichen Zuständen Alarm. Derzeit wird der Prototyp in Kooperation mit der Uniklinik Tübingen getestet. „Wenn sich die Technologie durchsetzt, könnte sie jährlich das Leben von 1 000 Kleinkindern retten“, hofft ITV-Bereichsleiter Hansjürgen Horter.

  sensorgestützte Babybody  

Der am ITV entwickelte, sensorgestützte Babybody misst Vitalfunktionen wie Herzfre-quenz, Atmung und Temperatur.     (Foto: ITV)

Diagnostische Funktionen

Auch bei Erwachsenen unterstützt Informationstechnologie in Textilien diagnostische Funktionen und verbessert die Notruf-Kommunikation. „Dadurch werden chronisch kranke Menschen vielfach so mobil wie Gesunde,“ sagt Horter. „Health Care“, wie das Forschungsfeld heißt, ist längst nicht der einzige Einsatzbereich der Stoffe mit Köpfchen. In Arbeits- und Schutzkleidung gleicht Mikroelektronik Wärme- und Kälteschwankungen aus, erfasst Druck, Zug und Dehnungen und ermöglicht die Fernübertragung von Daten. In Sport- und Freizeitbekleidung eröffnen intelligente Textilien Methoden der Trainingskontrolle, die bisher Profisportlern vorbehalten waren. Im Automobil erfassen die Textilbezüge der Sitze das Gewicht und die Haltung des Fahrers und steuern Auslösen und Füllvolumen des Airbags.

   Auch im Kampf gegen die Markenpiraterie spielen smarte Textilien eine wichtige Rolle. Immer häufiger werden in den Edelklamotten flexible Transponder eingewebt, auf denen Serien- und Artikelnummer hinterlegt sind.

   Der Einbau der kleinen Prozessoren ist allerdings eine große Herausforderung. Die Technologie muss so integriert sein, dass sie weder aufträgt noch Druckstellen hinterlässt. Neben textiladaptierten Verfahren, bei denen die Systeme beispielsweise in einem Gürtel mitgeführt werden, und textilintegrierten Verfahren, bei denen die Elektronikmodule nur in Verbindung mit dem Textil funktionieren, entwickelt das ITV deshalb so genannte textilbasierte Verfahren. Hier werden die Sensoren als Beschichtung auf die Faser aufgebracht und damit selbst Teil der textilen Struktur. Wer eine solche Jacke in die Hand nimmt, spürt nichts von der hoch komplexen Technologie.

Energie durch Solarzellen

Ein zweites Problem ist die Energieversorgung der Elektronikkomponenten. Hier hat das Institut für Physikalische Elektronik (IPE) der Uni, ein Kooperationspartner des ITV, die Nase vorne. Unter dem Schlagwort „Integrierte Fotovoltaik“ treiben Prof. Jürgen Werner und seine Mitarbeiter die Integration von flexiblen Dünnschichtsolarzellen in Kleidungsstücken voran. So erzeugen die IPE-Forscher aus einkristallinem Silizium Solarzellen, die nur 25 Mikrometer dick sind. Noch dünner sind Zellen aus amorphem Silizium. Gegenüber dem einkristallinen Silizium liefern sie zwar nur ein Drittel der elektrischen Leistung, dafür lassen sie sich aber bei 110 Grad direkt auf dünne Kunststofffolien auftragen.

   Neu ist eine im Rahmen des Verbundprojekts „Solartex“ entwickelte Kinderjacke mit Leuchtdioden, die gewährleistet, dass der Träger im Straßenverkehr besser wahrgenommen wird. Bis zum endgültigen Einsatz sind allerdings noch einige Hürden zu meistern. So muss die Ladefähigkeit der Zellen erhöht und ihr Energiemanagement optimiert werden. Ebenso wichtig ist die nutzerfreundliche und haltbare Einbindung der Zellen. Und last not least müssen die Prototypen auf ihre Gebrauchstauglichkeit getestet werden. Schließlich darf der empfindlichen Elektronik nicht schon nach einigen Waschgängen der Strom ausgehen.

Einsatz im Flugzeugbau

Ein anderes Einsatzfeld finden intelligente Textilien als Verstärkungsmaterial im Bereich der Faserverbundwerkstoffe. „Die Integration von Fasern mit sensorischen oder aktuatorischen Eigenschaften bietet interessante Möglichkeiten zur Herstellung von intelligenten Strukturen im Flugzeug- oder Automobilbau“, erklärt Prof. Klaus Drechsler, Leiter des Instituts für Flugzeugbau der Uni. So haben Piezofasern, die in die Textilstruktur integriert werden, ein hohes Potential zur Herstellung von adaptiven Strukturen. Durch das Anlegen einer Spannung dehnen sich die Piezofasern und können so minimale Verformungen erzeugen.

   Ein weiterer Forschungsbereich ist das „Health-Monitoring“, bei dem sensorische Fasern im Textilprozess zusammen mit den Verstärkungsfasern verarbeitet werden. Im Verbundwerkstoff können diese Fasersensoren sehr feine Dehnungen lokal messen, die als Indikation für Schäden im Bauteil genutzt werden können. Dies erhöht die Sicherheit von Strukturbauteilen und reduziert die Wartungskosten.

   Auch im Leichtbau und in der Raumfahrt kommen Konzepte adaptiver Strukturen zum Tragen. Das Institut für Statik und Dynamik der Luft- und Raumfahrtkonstruktionen unter der Leitung von Prof. Bernd Kröplin erforscht diese seit Beginn der 90er Jahre. Schwerpunkte sind die Entwicklung neuartiger Werkstoffe, die als Stellglieder und chemo-elektro-mechanische Energiewandler zur Schadensdetektion, Geometrieoptimierung oder im Bereich der Struktur-Akustik eingesetzt werden können.

Künstliche Muskeln

Da die bisher verwendeten adaptiven Materialien größtenteils geringe aktive Dehnungen bereitstellen, werden auch elektroaktive Polymere, insbesondere Polymergelfasern untersucht, die bis zu 100 Prozent aktive Dehnung erreichen. Angedacht ist ihr Einsatz im Bereich künstlicher Muskeln.

   In hochfesten Faserseilen, die in modernen Materialfluss- und Logistiksystemen zunehmend eingesetzt werden, ermitteln intelligente Fasern Lebensdauer und den optimalen Zeitpunkt für den Austausch. „Im Bereich der so genannten Ablegereifeerkennung kann mit intelligenter Sensorik und Aktuatorik dieser Zeitpunkt nach umfangreicher versuchs- und rechentechnischer Verifikation sicher und zuverlässig erkannt werden“, sagt Dr. Wolfram Vogel vom Institut für Fördertechnik und Logistik (IFT). So hat der Aufzugbauer Schindler ein hochfestes Faserseil mit Indikationsfasern aus Kohlefasern ausgestattet, das am IFT getestet wurde.

   Angesichts der vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten ist das Forschungsfeld noch lange nicht ausgereizt. Gefordert sind die Verbesserung der Integrationstiefe und die Erhöhung der Intelligenz integrierter Systeme. Auch müssen massentaugliche Herstellungs- und Produktionsverfahren entwickelt werden. Noch eine Vision, aber in der Grundlagenforschung bereits betrachtet sind textilbasierte Schaltungen in Filamenten und textilen Flächengebilden. „Branchenübergreifendes Arbeiten und enge Kooperationen unterschiedlichster Partner sind dabei unabdingbar“, so das Resümee eines Kolloquiums „Smarte Textilien“ am ITV.                        amg

 

  

 
 

 

KONTAKT

 
 


Hansjürgen Horter
Institut für Textil- und Verfahrenstechnik
Tel. 0711/ 9340 279
Fax 0711/ 9340 297
e-mail: Hansjuergen.Horter@itv-denkendorf.de
 

 

 

last change: 08.01.06 / yj
Pressestelle der Universität Stuttgart