Für den Start sind aufgrund des erforderlichen hohen Schubs ausschließlich chemische Raketen einzusetzen. Und auch im Orbit werden die meisten Raumfahrzeuge noch mit chemischen Raketen angetrieben. Ihr Treibstoffverbrauch ist jedoch so hoch, dass man auf ballistische Flugbahnen angewiesen ist. Das sind die natürlichen Bahnen, auf denen sich ein nicht angetriebener Körper im Schwerefeld eines Zentralkörpers bewegt. Dadurch sind die Raumfahrzeuge im Bezug auf die Wahl der Flugbahn wenig flexibel. Dies stellt im Fall eines Versagens bei bemannten Missionen ein großes Sicherheitsrisiko für die Besatzung eines Raumschiffs dar.
Antriebssysteme, die hingegen eine hohe Austrittsgeschwindigkeit des Treibstoffs erreichen, können durch geringen Treibstoffverbrauch kontinuierlich und nicht nur gepulst betrieben werden und man kann von ballistischen Bahnen abweichen. Dies garantiert Flexibilität und Sicherheit für die Besatzung. Die Möglichkeit, hohe Austrittsgeschwindigkeiten zu erreichen, bieten elektrische Triebwerke. Elektrische Antriebe werden bereits in der Raumfahrt eingesetzt. So wird zum Beispiel bei der Deep-Space-1 Mission ein Kaufmann-Ionen-Triebwerk verwendet.
Großes Potenzial
Obwohl elektrische Antriebe geringe Schübe aufweisen, ist ihr Potenzial für bemannte interplanetare Missionen offensichtlich: Sie vereinbaren Machbarkeit, Flexibilität (und damit Sicherheit), kurze Flugzeiten und erlauben vergleichsweise hohe Startmassen (aus dem Low-Earth-Orbit LEO, Höhe bis zu 1 000 Kilometern). Böhrks Kollegin Tanja Schmidt am DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) errechnete, dass ein Flug zum Mars mit elektrischen Antrieben bei einem Schubniveau von mindestens 100 Newton und einer Austrittsgeschwindigkeit von 30 Kilometern pro Sekunde realisierbar ist.
Am Institut für Raumfahrtsysteme wird in der Arbeitsgruppe von Prof. Monika Auweter-Kurtz schon seit Jahrzehnten an elektrischen Raumfahrtantrieben geforscht. Die Experimente erfolgen in Vakuumtanks von zwei Metern Durchmesser und bis zu vier Metern Länge. Die neuartige Plasmaquelle heißt ATTILA und ist ein zweistufiger Hybridplasmagenerator in der Leistungsklasse 100 bis 200 Kilowatt. Er wird mit Wasserstoff betrieben. Als Abfallprodukt entsteht ein Plasmastrahl, der mit hoher Geschwindigkeit ausgestoßen wird.
Als erste Stufe dient bei ATTILA ein Lichtbogenplasmagenerator, in dem ein Lichtbogen zur Aufheizung und zur Beschleunigung des Plasmas genutzt wird. Dieser Plasmastrahl ist durch hohe spezifische Enthalpie und hohe Strömungsgeschwindigkeit gekennzeichnet. Diese Eigenschaften sind oft mit hohen radialen Gradienten der Zustandsgrößen im Plasma gepaart. Man hat es also mit einem heißen, energiereichen Kernstrahl mit einem relativ kalten Gasmantel zu tun. Diesen Gasmantel gilt es noch weiter aufzuheizen. Das geschieht in der zweiten Stufe, einem induktiv beheizten Plasmagenerator (IPG). Dessen Funktionsweise basiert auf den elektrodynamischen Effekten eines Wechselfeldes. Ein Entladungsrohr - in diesem Fall mit einer Brennkammer vergleichbar - ist von einer Spule umschlossen, die Teil eines Schwingkreises ist. Durch den so genannten Skin-Effekt wird die Leistung hier vor allem in den äußeren Plasmaschichten eingekoppelt und man kann gezielt den Kaltgasmantel weiter aufheizen. Das ist besonders interessant, weil die Austrittsgeschwindigkeit von der mittleren Gastemperatur in der Brennkammer abhängt. Und die soll bei elektrischen Antrieben möglichst hoch sein, damit man sich im All auf flexiblen Bahnen bewegen kann.
Hannah Böhrk
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