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Dezentrales Entsorgungskonzept für Hotelanlagen > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >
 
Sauberes Wasser, weniger Müll
 

Wer am Pool des Tourismuszentrums „Sarigerme Parc“ entspannt, dürfte wohl kaum an die Uni Stuttgart denken. Zu Unrecht: In dem Viersternehotel an der türkischen Ägäis erproben Wissenschaftler des Instituts für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft (ISWA) eine dezentrale Kleinanlage zur Abwasser- und Abfallbehandlung. Mit beteiligt sind auch der AT-Verband zur Förderung angepasster, sozial- und umweltverträglicher Technologien, das Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) sowie Partner aus der Industrie.

  Poollandschaften  

Üppige Poollandschaften verursachen große Ab-wasserprobleme.

Im Zuge des Tourismus-Booms der letzten Jahre entstanden entlang der kargen Mittelmeerküste im Süden der Türkei große Hotelzentren weitab des nächsten Dorfes. Blühende Gärten und üppige Poollandschaften sind in diesen Luxusoasen Standard. Die Kehrseite der Medaille ist der üppige Wasserverbrauch. Bis zu 1 200 Liter gehen pro Gast und Tag durch die Leitung – Wasser, das den Bauern auf ihren Feldern fehlt und das sich zudem als stinkende Brühe ins Meer ergießt, weil es in den abgelegenen Regionen keine Kläranlagen gibt.

   Nicht weniger schwer zu entsorgen sind die Müllberge der Hotels. Die brisante Mischung aus Bioabfällen und Restmüll, Plastik, Papier und umweltschädlichen Stoffen wird ungetrennt auf archaische Deponien gekippt und gefährdet das Grundwasser.

   Unter dem Titel „Modulaare“ entwickelten die Stuttgarter Wissenschaftler deshalb ein modulares, innovatives Konzept, mit dem Hotels unabhängig von einer bestehenden Infrastruktur in kleinen, einfach zu handhabenden Anlagen ihren Müll selbst entsorgen und ihr Abwasser klären können. Einer der Bausteine ist eine Vergärungsanlage, in der die organischen Abfälle aus Küche und Grünanlagen sowie die anfallenden Schlämme zu Dünger kompostiert werden. Sie wird kombiniert mit einer Membranbelebungsanlage zur Reinigung der Hotelabwässer sowie der bei der Vergärung anfallenden Abwässer, die anschließend als Brauchwasser für die Bewässerung der Hotelgärten zur Verfügung stehen. Die im Vergärungsmodul anfallenden Biogase werden als Energieträger für die Abwasserreinigung genutzt.

   Durch diese Kombination arbeitet die Anlage nicht nur ökologisch, sondern auch kostengünstig. „Wir erwarten, dass sich durch die Synergieeffekte die Vorteile der Einzelverfahren verstärken, so dass diese dezentralen Kleinanlagen sowohl in wirtschaftlicher Hinsicht als auch bezüglich der Qualität der entstehenden Sekundärprodukte optimal zu betreiben sind“, sagt der geschäftsführende Direktor des ISWA, Prof. Martin Kranert, der die wissenschaftliche Projektleitung innehat.

  Blick in den Container der Membranbelebungsanlage.  

Blick in den Container der Membranbelebungsanlage.
                                                                       (Fotos: Institut)

   Wie hoch die Effekte ausfallen, soll jetzt in der Praxis getestet werden. Untersucht werden die Effizienz der Membranbelebung sowie die verschiedenen Einsatzbereiche für das gereinigte Brauchwasser, die technische Anpassung der Vergärungsanlage an das Inputmaterial und die Standortbedingungen sowie Qualität und Verwendungsmöglichkeiten des Gärreststoffes. Auch der Energieverbrauch der Anlage sowie andere Parameter wie Stoffflüsse und Geruch werden analysiert. Last not least spielt auch die Handhabung eine Rolle: Da das Hotelpersonal häufig wechselt, müssen die Maschinen leicht zu bedienen sein. „Wir wollen Störfälle simulieren und schauen, ob die Angestellten zurechtkommen“, sagt Dieter Steinbach vom AT-Verband.

   Die Membranbelebungsanlage hat inzwischen den Probebetrieb erfolgreich aufgenommen, die Vergärungsanlage wird Anfang nächsten Jahres installiert, so dass der Versuchsbetrieb im Frühjahr 2006 beginnen kann. Das Interesse der türkischen Partner ist groß, wie Kranert anlässlich einer Fachtagung im Mai in Izmir feststellen konnte. Der EU-Aspirant Türkei ist bestrebt, die Umweltgesetzgebung an die europäischen Standards anzugleichen und lässt sich dabei schon seit 25 Jahren von Wissenschaftlern der Uni beraten. Die dezentralen Kleinanlagen bieten auch deshalb neue Perspektiven, weil sie nicht nur in Hotels, sondern auch für kleine Dörfer und Städte genutzt werden können. Siedlungen ohne Kläranlage gibt es im strukturschwachen Landesinneren der Türkei, aber auch in vielen anderen Ländern schließlich genug.                                amg

 

  

 
 

 

KONTAKT

 
 


Prof. Martin Kranert/ Andreas Sihler
Institut für Siedlungswasserbau,
Wassergüte- und Abfallwirtschaft
Tel. 0711/685 5500
Fax 0711/685 5460
e-mail: sihler@iswa.uni-stuttgart.de
 

 

 

last change: 08.01.06 / yj
Pressestelle der Universität Stuttgart