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Wenn Prof. Franz Pesch über Städte spricht, zitiert er gerne den niederländischen Schriftsteller Cees Nooteboom, der über deren Vielseitigkeit einmal sagte: „Wahrscheinlich...habe ich vor allem gestaunt.“ Als der Professor für Stadtplanung und Entwerfen am Städtebau-Institut (SI) der Uni 1994 nach Stuttgart berufen wurde, staunte er zunächst einmal über die Lage der Landeshauptstadt. „Talkessel und Höhenzüge ergeben ein faszinierendes Stadtbild“, sagt er, und freut sich noch heute, wenn er frühmorgens vom Fenster seines Büros im achten Stock des K I die Sonne über dem Neckartal aufgehen sieht. |
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„Am Filderpark könnte ein gigantischer Campus ent-stehen.“ |
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Wenn Prof. Franz Pesch über Städte spricht, zitiert er gerne den
niederländischen Schriftsteller Cees Nooteboom, der über deren Vielseitigkeit einmal sagte: „
Wahrscheinlich...habe ich vor allem gestaunt.“ Als der Professor für Stadtplanung und Entwerfen
am Städtebau-Institut (SI) der Uni 1994 nach Stuttgart berufen wurde, staunte er zunächst einmal über
die Lage der Landeshauptstadt. „Talkessel und Höhenzüge ergeben ein faszinierendes Stadtbild“,
sagt er, und freut sich noch heute, wenn er frühmorgens vom Fenster seines Büros im achten Stock des K I
die Sonne über dem Neckartal aufgehen sieht.
Auf die Frage der Berufungskommission, was er in Stuttgart außer Lehren zu tun gedenke, reagierte Pesch, der bis
dato in Herdecke, Dortmund und Kassel tätig war, denn auch zurückhaltend. „Zunächst muss man eine Stadt
verstehen und auch einen gewissen Bekanntheitsgrad haben. Ich wollte lernen, welcher Geist Stuttgart bestimmt.“
Inzwischen mischt Pesch mit seinem Team vom Architekturbüro Pesch & Partner bei vielen städtebaulichen Projekten
in Stuttgart mit. Das 2004 vorgestellte Stadtentwicklungskonzept trägt die Handschrift des Uni-Professors, der
auch Mitglied des Städtebauausschusses ist. „Wir wollten nicht einfach ein plakatives Leitbild für Stuttgart“,
skizziert Pesch die Intention der 190 Seiten umfassenden Analyse. Das Konzept zeigt vielmehr Facetten auf,
in denen die Stadt sich qualitativ weiterentwickeln kann – und muss: „Innovation ist das Lebenselixier
einer Stadt. Die Ansiedelung zukunftsweisender Industrien und Dienstleistungen in Stuttgart liefert zahlreiche
Ansatzpunkte für neue städtebauliche Lösungen.“ Dies genüge aber nicht. „Stuttgart muss auch Innovationen
einfordern.“
Beispiel Mobilität: Wenn Stuttgart angesichts der wachsenden Pkw-Dichte nicht im Verkehr ersticken will, sind
intelligente Verkehrslösungen gefragt. „Wir müssen das Prinzip ‚hohe Mobilität, weniger Verkehr’
in den Köpfen verankern. Wirtschaft, Stadt und auch die Universität können hier Großes leisten.“ Wenn die
Akteure sich noch stärker vernetzen, könnte die Stadt auch als Wissenschaftsstandort gewinnen, meint Pesch, und
verweist auf die Entwicklung auf den Fildern. „Mit den Instituten der Uni Stuttgart in Vaihingen, den
Forschungseinrichtungen in unmittelbarer Nachbarschaft, zahlreichen Hightech-Unternehmen und dem Flughafen
mit der Neuen Messe entsteht hier eine Wissenslandschaft, die völlig neue Themenfelder besetzen kann. Am
Filderpark könnte ein gigantischer Campus entstehen.“
Auch in den Stadtzentren – sie sind ein Forschungsschwerpunkt an seinem Lehrstuhl – sieht Pesch
Erneuerungspotentiale. „Die Fußgängerzonen sterben an ihrem Erfolg, da nur noch einige Filialisten eine
ausreichende Umsatzrendite erwirtschaften können.“ Zu stark ist inzwischen die Konkurrenz der Shopping
Center auf der ‚grünen Wiese’. Um die Verödung der Innenstädte zu stoppen, müssen Einzelhandelsgroßprojekte
an der Peripherie verhindert werden. Dennoch werden die Kommunen um eine Erneuerung ihrer Innenstädte auf keinen
Fall herum kommen. Es geht um eine Konzentration der Geschäftslagen und mehr Freizeit- und Kulturangebote. „Eine
Perspektive für notleidende Randlagen bietet die Mischung von Wohnen und Arbeiten.“ Die Zukunft der Städte sieht
der forschende Stadtplaner optimistisch: „Die in tausend Jahren gewachsene Europäische Stadtkultur wird durch die
Krise einer Nutzung nicht aus der Bahn geworfen.“
Intensiv beteiligte Pesch sich an der Debatte um Stuttgart 21, stritt in einer vom SI betreuten Diskussionsreihe
mit Experten und Bürgern um die Perspektiven und Risiken. Bis heute steht er klar zu dem Umbau des Hauptbahnhofs
in einen Durchgangsbahnhof - trotz Sparplänen der Bahn und wachsenden Zweifeln in der Bevölkerung. „Stuttgart
21 macht die Stadt zu einem Knotenpunkt auf der Magistrale Paris –
Istanbul. Das wäre ein enormer Gewinn.“
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„Stuttgart muss Innova-tionen einfordern.“ |
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Zumal auf den frei gewordenen Bahnflächen schon jetzt spannende neue Quartiere entstehen. Der nächste kreative
Puzzlestein wird das Rosensteinviertel nahe dem Nordbahnhof sein. Für ihren Vorschlag zur Weiterentwicklung dieses
Stadtteils in der Tradition der Stuttgarter Gründerzeit gewannen Pesch und Partner jüngst bei einem Wettbewerb
der Landeshauptstadt den ersten Preis - wie zuvor schon beim Ideenwettbewerb für den Killesberg nach dem Wegzug
der Messe.
In beiden Fällen wurden die Projekte auch in studentischen Wettbewerben bearbeitet – mit anderen Programmen
und teilweise futuristischen Ergebnissen. Für Pesch ist die Bearbeitung von Praxisprojekten die ideale Vorbereitung
auf den Beruf, er legt jedoch größten Wert auf die Förderung der Phantasie: „Studierende sollen sich ohne
Gutachterzwänge im kreativen Freiraum bewegen“, betont er. „Querdenken ist erlaubt und erwünscht.“
Dennoch will Pesch, der seine Erstsemestervorlesung als Bildungsreise durch die europäische Städtebaugeschichte versteht,
junge Menschen für die gewachsene Bausubstanz sensibilisieren. „Nicht wegwerfen, was gut ist“,
lautet einer seiner Leitsätze. Aber auch das Ringen mit den Bauämtern bleibt im Studium nicht ausgeklammert.
„Wir möchten aufzeigen, wie sich Architekten in der Praxis behaupten können.“ Infos über Jury-
und Gemeinderatsentscheidungen gibt’s deshalb gratis dazu.
Wenn Franz Pesch zwischen Uni, Architekturbüro und Ausschussarbeit zur Ruhe finden möchte, nimmt er sich Zeit
für ein Buch. Bewusst greift er dann zur Belletristik: „Es ist eine Bereicherung, die Welt mit anderen
Augen zu sehen.“
amg |