Nicht nur beim Frühstück, auch in der Natur begegnen uns Granulate buchstäblich auf Schritt und Tritt. Denn ob wir die Erde unter unseren Füßen als Sand, Lehm oder Kies bezeichnen, hängt weitestgehend von der Größe der Bodenkörner ab. Genauso ist das alltägliche Leben geprägt von granularen Stoffen: Auf Baustellen werden Lastwagen voller Schotter, Kies und Zement verarbeitet. In der Hausapotheke lagern verschiedenste Pülverchen und im Waschkeller die Familienpackung MegaPearls. Tonnenweise werden granulare Stoffe produziert, transportiert und gelagert. Dabei tauchen immer wieder Probleme auf, die typisch für körnige Strukturen sind. Ob rutschende Bahndämme oder verstopfte Getreidesilos: der Bedarf an Erkenntnissen über das Verhalten dieser Stoffe ist groß. Zumal auch natürliche Phänomene wie Lawinen und Erdbeben Bewegungen granularer Medien sind. Wissen kann hier Leben retten.
Schon seit vielen hundert Jahren machen sich Physiker und Ingenieure Gedanken über das Verhalten von körnigen Substanzen. Wie verformen sie sich bei Druck? Wie reagieren kleine Teilchen untereinander? Was ändert sich, wenn große Mengen Körner sich bewegen? Einen enormen Schub hat die Forschung in den 80-er Jahren genommen: die rasante Entwicklung der Datenverarbeitung mit Computern ermöglichte völlig neue Lösungsansätze.
Seit dieser Zeit hat auch die Computersimulation einen festen Platz in der Erforschung der granularen Medien. Und so ist es am Institut für Computerphysik der Universität Stuttgart heute möglich, ausgehend vom Verhalten einzelner Erdkrümel die Wanderung ganzer Dünen zu simulieren. Dabei beschränken sich die Untersuchungen inzwischen nicht mehr alleine auf unseren Planeten. Im Rahmen der Tagung präsentierte Eric Parteli erste Ergebnisse seiner Doktorarbeit über Dünen auf dem Mars. Die Daten zu Windgeschwindigkeiten, Gravitation und Sandkorngrößen kommen dazu von der NASA. Die Computersimulation errechnete daraus, dass die Dünen auf dem Mars deutlich länger und höher sein müssen als auf der Erde. Das bestätigen die Satellitenbilder. Was genau dafür verantwortlich ist, können die Wissenschaftler noch nicht sagen. Entscheidend ist aber, dass der Transport der Sandkörner durch den Wind auf dem Mars anders abläuft als bei uns.
Hilfe beim Füllen von Getreidesilos
Ein weiteres Forschungsprojekt in Stuttgart ist der Transport pulvriger Substanzen durch Rohrleitungen. Auch das Füllen und Leeren von Getreidesilos lässt sich mit Hilfe von Computersimulationen deutlich verbessern. In Deutschland wurden laut Statistischem Bundesamt im letzten Jahr immerhin rund 51 Millionen Tonnen Getreide geerntet. Auf der Tagung zeigten neben den Vorträgen vor allem die ausgestellten Poster, wie vielfältig weltweit die Forschung an granularen Medien ist: Sie reicht von Lawinen im Meer über die Geometrie von Kugelpackungen bis zur Stabilität des Felsens, auf dem die Akropolis steht.
Zurück zum Frühstückstisch: Wer hätte gedacht, dass selbst bei Cornflakes Computersimulation im Spiel sein könnte? Gemeinsam mit einem Lebensmittelkonzern wird in Stuttgart untersucht, wie Maisflocken zu besonders knusprigen Flakes verarbeitet werden können…
Birgit Gebauer
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