Im Mittelpunkt des Projektes, das Ende letzten Jahres in das Landesforschungsprogramm Baden-Württemberg aufgenommen wurde, steht die Strukturüberwachung sicherheitsrelevanter Konstruktionen mittels drahtloser Sensornetze. Um Eisenbahnbrücken oder Gebäudekonstruktionen kontinuierlich zu kontrollieren, sind konventionelle Monitoring-Verfahren nicht geeignet, da hoch komplexe Daten wie Zeitserien von Signalen zu analysieren sind. Zudem sind spezifische Algorithmen und Auswertetechniken zur Lokalisierung von Störungen und zur Schätzung der Lebensdauer erforderlich. Dafür braucht man drahtlos verbundene Sensoren, da heutige kabelgebundene Lösungen hinsichtlich der Anzahl und der Einsatzorte der Sensoren an Grenzen stoßen.
Die interdisziplinäre Arbeitsgruppe, an der sechs Institute aus vier Fakultäten beteiligt sind, verfolgt mehrere Ziele. So werden die Wissenschaftler zum einen die Hardware in Form von geeigneter Sensorik bereitstellen. Zum anderen werden Verfahren zur Energieversorgung, für die dezentrale Datenverarbeitung und für die Kommunikation sowie allgemeine, skalierbare Modelle für das Strukturmonitoring entwickelt.
Drei Anwendungsszenarien
Die Untersuchungen werden am Beispiel von Brückenbauwerken, Luftfahrzeugen und Windenergieanlagen durchgeführt. Obwohl diese hinsichtlich der Sicherheitserfordernisse und der Monitoring-Verfahren viele Gemeinsamkeiten aufweisen, sind sie in punkto Material und Kosntruktionstechnik so heterogen, dass eine ganzheitliche Betrachtung des Strukturmonitorings ermöglicht wird.
Windenergieanlagen, mit denen sich der Stiftungslehrstuhl Windenergie am Institut für Flugzeugbau befasst, stellen nicht nur die größten rotierenden, sondern auch äußerst flexible und schwingungsfreudige Strukturen dar. Die Nutzung der Offshore-Windenergie birgt dabei völlig neue Herausforderungen. Im Einsatz von Sensor- und Regelungstechniken steckt ein enormes Potential, um die Herstellungs-, Betriebs- und Wartungskosten zu reduzieren und gleichzeitig die Zuverlässigkeit der Anlagen weiter zu erhöhen. Im Rahmen von „KonSens“ entwickeln Lehrstuhlinhaber Prof. Martin Kühn und seine Mitarbeiter Verfahren, um beispielsweise ermüdungskritische Teile im Rotorblatt und in der Tragstruktur zu überwachen. Außerdem sollen die Blattwinkel der Rotoren mit Hilfe der im Sensornetz ermittelten Daten individuell gesteuert werden können.
An Anwendungen im Bauwesen wird schon seit mehreren Jahren in der Arbeitsgruppe Zerstörungsfreie Prüfung am Institut für Werkstoffe im Bauwesen unter der Leitung von Prof. Hans-Wolf Reinhardt gearbeitet. Drahtlose Sensornetzwerke eröffnen hier die Chance, Bauwerke preiswert und lückenlos zu überwachen. Möglich wird dies durch Miniatursensoren, die sich in großen Stückzahlen für wenige Euro herstellen lassen. Zum Einsatz kommen überwiegend hochintegrierte Sensoren auf Siliziumbasis. Es handelt sich dabei um so genannte Mikroelektromechanische Systeme (MEMS), die für die Kommunikations- oder die Mikrosystemtechnik entwickelt wurden. Auch Miniaturkameras können kombiniert werden. Die Datenübertragung erfolgt durch den Einsatz kabelungebundener Lösungen (Funk oder wireless LAN) in Verbindung mit adaptiven Netzwerken. Die Sensoren lassen sich flexibel und einfach an den kritischen Stellen anbringen und können den aktuellen Zustand des Bauwerks übermitteln. Alarmmeldungen gehen per SMS in wenigen Sekunden an die zuständige Stelle.
Fehlersuche mit elastischen Wellen
Ein entscheidender Faktor für die Ortung von Veränderungen an Bauteilen im Betrieb mittels wellenbasierter Methoden ist die Entwicklung von Einzelsensoren beziehungsweise Sensorarrays auf flexiblen Substraten. Dies ermöglicht eine einfache Montage und Betrieb desselben Sensortyps an unterschiedlichen, meist gekrümmten, Oberflächen verschiedenster Bauteile. Hierfür entwickelt das Institut für Systemtheorie und Bildschirmtechnik (ISB) unter der Leitung von Prof. Norbert Frühauf Schaltungskonzepte zur Herstellung von vollintegrierten matrixförmigen Aktuator- und Sensorstrukturen auf flexiblen Substraten in poly-Si Technik. Mittelfristiges Ziel sind Prototypen dieser Aktuator- beziehungsweise Sensor-Matrizen für Ultraschall zur weiterführenden Integration in ein Sensornetzwerk.
Dabei kooperiert das ISB eng mit dem von Prof. Lothar Gaul geleiteten Institut für Angewandte und Experimentelle Mechanik. Dieses entwickelte Verfahren, um mittels elastischer Wellen Fehlstellen und Risse in homogenen Materialien zu lokalisieren. Diese werden nun auf komplexere Strukturen wie etwa Seile übertragen. Für die Energieversorgung sollen Sensorfolien für vollintegrierte passive und aktive wellenbasierte Messungen entwickelt werden, die zusammen mit Verfahren zur Energiegewinnung (Energy-Harvesting) eingesetzt werden können. Dabei versorgen sich die drahtlosen Sensoren selbst mit Energie: Integrierte Piezokeramiken wandeln die mechanische Deformation der schwingenden Struktur in elektrische Ladung um, die wie in einer Batterie gespeichert und bei Bedarf abgerufen wird. Die Positionierung der Umwandler auf der überwachten Konstruktion ist entscheidend für die Energieausbeute. Diese wird durch Analyse der Schwingungsformen der Struktur optimiert.
Hohe Anforderungen an Algorithmik
Die von „KonSens“ betrachteten Anwendungen stellen sehr hohe Anforderungen an die im Sensornetz verwendeten Algorithmen. Das Institut für Parallele und Verteilte Systeme (IPVS) unter der Leitung von Prof. Kurt Rothermel entwickelt deshalb Algorithmen zur Datenweiterleitung (Routing) und verteilten Datenauswertung im Sensornetz. Die Algorithmen sind optimal aufeinander, auf die Anwendung und auf die besonderen Eigenschaften der drahtlosen Kommunikation abgestimmt. Diese ist besonders wichtig, da Funkkommunikation einen hohen Energiebedarf erfordert.
Da sich die Anforderungen an die Software und die Umgebungsbedingungen des Sensornetzes im Laufe der Zeit ändern, wird das IPVS eine adaptive Systemsoftware erstellen, die das Programm ohne manuelles Eingreifen an die veränderte Situation anpasst. Die Systemsoftware tauscht dazu einen Algorithmus gegen einen anderen aus. Ohne eine gemeinsame Plattform für Monitoring-Anwendungen müsste ein Entwickler zudem für jede neue Anwendung Einzelalgorithmen erneut auswählen und zu einem lauffähigen Gesamtsystem zusammensetzen. Durch die Systemsoftware des IPVS soll die Entwicklung von solch komplexen Sensornetzanwendungen erleichtert werden.
Die verteilten Sensoren werden über drahtlose Funknetze mit der Informationsverarbeitung verbunden. Hierzu ist eine dezentrale und verteilte Koordination des Zugriffs auf den Funkkanal erforderlich. Die übermittelten Daten sind gegen Störeinflüsse, beabsichtigte oder unbeabsichtigte Beeinflussungen zu schützen. Diese systemtechnischen Fragen der sicheren und zuverlässigen Kommunikation werden vom Institut für Kommunikationsnetze und Rechnersysteme unter Leitung von Prof. Paul Kühn wahrgenommen.
amg
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