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Die Entscheidung für Indien fiel leicht, schließlich ist das Land seit einigen Jahren in aller Munde, wenn es um Software-Entwicklung geht. Die organisatorischen Hürden waren niedriger als vermutet. Prof. Jochen Ludewig, Leiter der Abteilung Software Engineering des Instituts für Softwaretechnologie der Uni Stuttgart, vermittelte den Kontakt zu einem Kollegen in Kanpur. Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) unterstützte das Vorhaben mit einem Stipendium und übernahm zudem die Abstimmung mit der Partnerhochschule und den zuständigen Stellen in Indien.
Ähnliche Erwartungen an Absolventen
Die Diplomarbeit selbst behandelte ein Thema, das angesichts der Outsourcing-Bestrebungen vieler deutscher Unternehmen brandaktuell ist: die Ausbildung von Software-Ingenieurinnen und –Ingenieuren in Indien und Deutschland. Am Beispiel der Stuttgarter Studiengänge Informatik und Softwaretechnik und der Informatik-Studiengänge am IIT Kanpur untersuchte Röder Rahmenbedingungen, Lehrinhalte und -methoden sowie Resultate der universitären Ausbildung von Software-Ingenieuren in beiden Ländern. Im Anschluss bewertete der 25-Jährige die Ausbildung nach Kriterien, die sich in Interviews mit indischen und deutschen Softwarefirmen ergeben hatten. Diese hatte Röder gefragt, über welche Kenntnisse und Fähigkeiten Absolventen verfügen sollten – und dabei herausgefunden, dass kaum Unterschiede zwischen beiden Ländern bestehen. Software-Ingenieure sollten aus Sicht der Firmen neben fundierten allgemeinen Informatik-Kenntnissen insbesondere auch Kenntnisse über das Themengebiet Software Engineering sowie gute Soft Skills und ein gewisses Maß an praktischer Erfahrung aus Softwareprojekten besitzen.
Zurück auf die Schulbank
Die Ergebnisse des Vergleichs sind durchaus überraschend, widersprechen sie doch in Teilen dem verbreiteten Bild der hervorragend ausgebildeten indischen Softwareentwickler. Insbesondere zeigte sich, dass die Informatik-Ausbildung an indischen Universitäten das Thema Software Engineering meist nur am Rande abdeckt – ähnlich wie an vielen deutschen Universitäten. Der 1996 eingeführte Studiengang Softwaretechnik in Stuttgart geht hier neue Wege und unterstreicht die Bedeutung des Themengebiets durch Pflichtveranstaltungen und Projekte. Hinzu kommt in Indien, dass viele Informatik-Studenten während ihres Studiums kaum Gelegenheit haben, Praxiserfahrung zu sammeln oder ihre soziale Kompetenz zu schulen. Nebenjobs, beispielsweise als Programmierer, oder Softwareprojekte im Rahmen des Studiums bilden die Ausnahme – hier haben Informatik-Studenten in Deutschland zumeist Vorteile. Erstaunlich ist auch, wie indische Softwarekonzerne mit dem Problem der ungenügenden universitären Ausbildung von Software-Ingenieuren umgehen: sie schicken ihre neuen Angestellten einfach nochmals für zwei bis vier Monate zurück auf die Schulbank – die häufig in firmeninternen Schulungszentren steht. In Deutschland wird der Berufseinstieg in der Regel nur von ein- oder zweitägigen Einführungsveranstaltungen begleitet.
Eine große Rolle spielte für Röder neben der fachlichen Arbeit auch das Kennenlernen von Land und Leuten, Kultur und Küche. Besonders beeindruckt haben ihn die Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft der Menschen. „Ernsthafte Probleme, gleich welcher Natur, gab es eigentlich nie“, resümiert er. Die Entscheidung, nach Indien zu gehen, bereue er „keine Sekunde“, sagt Röder, der mittlerweile als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Stuttgart arbeitet. Angesichts seines unkomplizierten Aufenthalts in Indien empfiehlt er Studierenden, durchaus auch exotischere Ziele in Betracht zu ziehen. Schließlich biete sich einem als Student eine Perspektive auf ein fremde Kultur, die man so später als Tourist oder Geschäftsreisender nie mehr haben werde.
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