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„Boris Podrecca – Im Schnittpunkt der Kulturen“ hatte Dr. Matthias Boeckl, Chefredakteur der Zeitschrift „architektur.aktuell“, seine Laudatio zur Abschiedsvorlesung überschrieben. Wenn es Boris Podrecca nicht gäbe – man könnte ihn nicht erfinden, stellte Boeckl fest. „Die in ihm gebündelte, einmalige Kombination mehrerer glücklicher historischer und selbst initiierter biographischer Umstände, die die Entstehung eines der vielschichtigsten Oeuvres der zeitgenössischen Architektur ermöglichten, wirkt fast zu unwahrscheinlich, um real zu sein. Just in einer der schwierigsten Perioden der posthabsburgischen Geschichte Südosteuropas, als die einzelnen Länder dieses Jahrhunderte lang eng verbundenen Kulturkreises für immer getrennt zu werden schienen, kam Podrecca im Jahre 1958 als 18-Jähriger Maturant aus Triest nach Wien, um hier an der Akademie der bildenden Künste Bildhauerei und Architektur zu studieren. Künstlerfiguren wie Fritz Wotruba und Herbert Boeckl, Architekten wie Roland Rainer und Karl Schwanzer standen damals für den beginnenden internationalen Erfolg der jungen Republik auf dem Gebiet moderner Kunst. Diese ersten, einfachen Positionsbestimmungen der Karriere Podreccas enthalten im Grunde bereits den Keim seiner gesamten späteren Laufbahn, die nichts anderem gewidmet war, als die vielfältigen Wurzeln und reichen Quellen, aus denen er bis heute mit traumwandlerischer Sicherheit schöpft, miteinander zu vernetzen und so ein dichtes Gewebe kulturgeschichtlicher Beziehungen rund um seine jeweilige Bauaufgabe zu spinnen.“
In der Gleichzeitigkeit der Werte in einer extrem pluralistischen, zielorientierten Zeit suche auch die Architekturschule nach Haltung, Positionierung und Sinn, lautete Boris Podreccas Kernthese in seinem Abschiedsvortrag zum Thema „Lehre und Leere“. Was tun? Abseits vom Kerngeschäft mit dem pragmatisch beweisbaren Stoff sei es notwendig, wieder Metadiskurse zu führen. Bildungstheoretischer Disput sei aus der bereits merkantilisierten Architekturpädagogik verschwunden, stellte Podrecca fest. Bildung und Archikultur werde kaum noch interdisziplinär, sondern, wenn überhaupt, dann im fragmentarischen Gespräch abgehandelt. Wieder etwas Schwung in dieser Debatte wäre vonnöten, forderte er. Eine gute Lehre subsumiere Fortschritt, Geist, Erfindung und Neuerung, aber nicht illustrierend, sich nicht daran ergötzend, sondern korrigierend, mit gesunder Skepsis beladen und fragend. „Gute Lehre fühlt den Puls der Zeit“, hob er hervor.
Gerhard Luckner/uk
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