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35 Jahre am Höhenprüfstand für Turboflugtriebwerke > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >
 
Ein Arbeitsplatz, den es nur einmal gab

Ab dem 5. Mai 1955, dem Tag, an dem die Bundesrepublik Deutschland von den westlichen Siegermächten ihre volle Souveränität erhielt, waren Forschung, Entwicklung und der Bau von Antrieben der Luftfahrt wieder erlaubt. Am 2. November 1955 wurde die Abteilung Luftfahrttechnik als dritte Abteilung der Fakultät Maschinenwesen wiedergegründet. Maßgeblich daran beteiligt war Ulrich Senger, der 1948 als Ordinarius für Thermische Strömungsmaschinen und Dampfkraftanlagen und als Direktor des Maschinenlaboratoriums an die damalige TH Stuttgart berufen worden war. Zusätzlich übernahm er die Leitung des neuen Instituts für Turboflugtriebwerke, eines der ersten in der neuen Abteilung Luftfahrttechnik.

Von Anfang an war klar, dass ein Institut für Turboflugtriebwerke ohne eine eigene Versuchseinrichtung nicht viel Sinn machen würde.1957 schlug Senger der Landesregierung den Bau eines Forschungszentrums zur Untersuchung des Höhenverhaltens von Flugtriebwerken vor. Die Initiative hatte Erfolg. In den Jahren 1960 bis 1966 wurde das Institut für Turboflugtriebwerke mit Höhenprüfstand1) zusammen mit dem Institut für Thermische Strömungsmaschinen und dem Maschinenlaboratorium, vormals in Stuttgart-Berg in der Dammstraße 5 neben dem Mineralbad Leuze angesiedelt, auf dem Campus Vaihingen am Pfaffenwaldring 6 neu errichtet. 1972 erfolgte eine Umbenennung in Institut für Luftfahrtantriebe.

Das neue Institut brauchte Mitarbeiter. Einer der ersten war Dieter Müller (Jahrgang 1940). Herbert Brandl2) sprach mit ihm über seine Erfahrungen.

Herr Müller, in einer Zeitungsanzeige Ende 1969 wurden Mitarbeiter für Versuche an Turboflugtriebwerken auf einem Höhenprüfstand gesucht. Sie haben sich beworben.

Müller:
Ja, obwohl ich weder gewusst habe, wie ein solches Triebwerk funktioniert und was ein Höhenprüfstand ist. Aber das wussten seinerzeit sowieso nicht viele. Jedenfalls, es war was ganz Neues und es hat mich gereizt.

  Dieter Müller  
Dieter Müller

Mit welchen Qualitäten haben Sie dann Professor Senger überzeugt, dass Sie der richtige Mann waren?  

Müller:
Nun, er fragte mich, ob ich den Unterschied kenne zwischen Gleichdruckturbinen und Überdruckturbinen. Ich kannte ihn und war eingestellt. Per Handschlag.

Wie war Ihr erster Eindruck vom Höhenprüfstand?

Müller:
Ich war überwältigt. Ich hätte nie gedacht, dass es an einer Hochschule so eine phantastische Versuchseinrichtung geben könnte. Und dass ich, sagen wir mal, ein wichtiger Mitarbeiter werden sollte an einer Einrichtung, der einzigen ihrer Art in der Bundesrepublik. Für mich war das eine tolle Herausforderung.

Was sollte Ihre Aufgabe sein?  

Müller:
Ich sollte den Höhenprüfstand instandhalten, modernisieren und fahren, wie die Techniker sagen. Das ging natürlich nicht von heute auf morgen. Man denke sich: fünf Verdichter, je nach Triebwerk und Versuchsziel beliebig schaltbar, Antriebsmotoren, zwei Kühlturbinen, Kühlsolebehälter, Kühlwasserbehälter, Dampf-, Heißwasser- Öl-, Kraftstoff-, Stickstoff- und Ammoniakkreisläufe, jede Menge Rohrleitungen, Schieber, Ventile, Betriebsüberwachung, alles ganz schön kompliziert und auf engstem Raum zusammengepackt... Es dauerte schon ein, zwei, Jahre, bis ich den vollen Durchblick hatte.

Der Höhenprüfstand ist mehrmals erweitert und jeweils mit modernster Anlagen- und Messtechnik ausgestattet worden. Er war fast immer gut ausgelastet. Welche Firmen ließen ihre Triebwerke oder deren Komponenten im Höhenprüfstand untersuchen?

Müller:
Klangvolle Namen! Bristol-Siddeley, Daimler-Benz, MTU Motoren- und Turbinen-Union München, Klöckner-Humboldt-Deutz, Dornier, Messerschmitt-Bölkow-Blohm, Porsche, Mitsubishi, Kawasaki, BMW-Rolls-Royce, Rolls-Royce, Turboméca, Pratt & Whitney...

Sie bezeichnen den Höhenprüfstand als „einzige Anlage ihrer Art in der Bundesrepublik“. Das heißt doch, dass Sie auch den einzigen Arbeitsplatz seiner Art in der Bundesrepublik inne hatten, oder?

Müller:
Stimmt. Es war und ist ein ganz toller, interessanter Arbeitsplatz, der mich voll ausgefüllt und zufrieden gestellt hat. Am 30. Juni 2005 war mein letzter Arbeitstag.

 

1) Mehr dazu finden Sie in „Die Universität Stuttgart nach 1945“, hrsg. von Norbert Becker und Franz Quarthal, Thorbecke 2004, ISBN 3-7995-0145-2, S. 244 ff.
2) Dr. Herbert Brandl (Stuttgart) war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Luftfahrtantriebe der Universität Stuttgart. Nach dem Wechsel in den Ruhestand im Jahr 1993 hat er Geschichte der Naturwissenschaft und Technik studiert und bei Prof. Armin Hermann promoviert.

 

 
last change: 06.06.06 / yj
Pressestelle der Universität Stuttgart