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Die Stuttgarter Grade

Heinz-Günter Prager war einer von fünf Objektkünstlern, die der Baden-Württembergische Kunstverein 1977 beauftragte, Arbeiten zum Thema „Konzept und Raum“ für das Gelände der Bundesgartenschau im Unteren Schlossgarten anzufertigen. Dabei ging es um die Integration der Kunst im natürlichen und öffentlichen Raum. Prager, seit 1983 Professor für Bildhauerei an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig, entwickelte dafür die „Stuttgarter Grade (4/77)“, die in unmittelbarer Nähe von Reiner Ruthenbecks „7 schwarzen Schranken“ (1977) realisiert wurde.

  Pragers Stuttgarter Grade  

Zwischen dem Kollegiengebäude K II und dem im Uni-Jargon als K III bezeichneten Lokal im Stadtgarten ist Pragers Stuttgarter Grade zu finden.              (Foto: Bärbel Küster)

Nach dem Ankauf durch die Stadt gelangte Pragers Arbeit in den Stadtgarten auf die Wiese zwischen K II und Gartenlokal; dort nutzen sie Studierende im Sommer als Ort des Verweilens und Entspannens nutzen. Auch wenn der Künstler den Betrachter explizit auffordert, seine Objekte nicht nur visuell, sondern bewusst auch körperlich zu erfahren, verbirgt sich hinter der profanen Nutzung der Stahlplatten als Sonnenliege und Plakatwand ein konzeptioneller Gedanke.

  Pragers Arbeiten sind nicht erzählerisch und übernehmen weder geschichtliche noch politische Funktionen, sondern konfrontieren ihre Umwelt mit Volumen und geometrischen Maßverhältnissen in verschiedensten Variationen. Die Stuttgarter Arbeit Pragers lässt sich eindeutig seinem Werk der 70er Jahre zuordnen: sie besteht aus einer 33,65 Meter langen, gleichmäßig in 2,10 Meter Abständen gerasterten Gitterkonstruktion, deren Waagerechte drei quadratische Stahlplatten verbindet. Hatte sich der Künstler anfangs, in Anlehnung an Hans Arp, mit der Synthese von Symmetrie und organischer Form auseinandergesetzt, löste er sich in dieser Zeit radikal von anthropomorphen Figurationen. Seine Arbeiten, auf das Zusammenspiel geometrischer Grundkörper aus Stahl reduziert, wurden spröder und kantiger. Diese Entwicklung resultierte aus der Diskussion grundsätzlicher Fragen der Wahrnehmung im Kreis der Objektkünstler. Dabei spielte die Auseinandersetzung mit Volumen, Außen-, Innen- und Hohlraum eine bedeutende Rolle. Die Wirkung und Bedeutung von Eigenschaften, wie Stehen, Liegen, Lagern, Lehnen, sowie das Verhältnis zwischen Aufsicht, Untersicht, Symmetrie und Asymmetrie, Linie und Fläche wurde in diesem Zusammenhang thematisiert. Aus diesen gegensätzlichen Elementen konstituieren sich die Plastiken seitdem, so auch Pragers Arbeit in Stuttgart. Prager hat in den ausgehenden 60er Jahren ein eigenes komplexes Maßsystem auf der Grundlage des menschlichen Körpers entwickelt. Die Beziehung zwischen Diagonaler, Waagrechter und Senkrechter pointieren in den „Stuttgarter Graden“ die drei Flächen, die an der aufgestellten Gitterstruktur angebracht sind. Sie beschreiben durch ihre Richtung jeweils einen anderen plastischen Wert, den wir als Betrachter visuell-körperlich erfahren können – und sei es in der Mittagspause.

Sarah Schmid

 

  

 
 
last change: 28.05.06 / yj
Pressestelle der Universität Stuttgart