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Einen Tag lang war im Zeltbau von Frei Otto Entdeckungsreise angesagt: von aktuellen Forschungsprojekten des Instituts bis zu legendären Arbeiten vergangener Jahrzehnte. Das Spektrum reichte von drehenden Schirme mit enormer Spannweite, einer Seifenhautmaschine zur Ermittlung von Minimalflächen über den „Stuttgarter Träger“, der aufgrund seines adaptiven Tragverhaltens „leichte“ Brückenbauten möglich macht, bis zum Institutsbau selbst, einer Ikone der modernen Architektur und einem der jüngsten unter Denkmalschutz stehenden Gebäude in Baden-Württemberg.
Die von der Bundesregierung und der Wirtschaft getragene Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ soll die Innovationskraft, Kreativität und Weltoffenheit der Menschen des modernen Deutschlands präsentieren. Eine hochkarätige Jury habe das ILEK, ein Institut mit „vielen zukunftsweisenden Ideen“, aus über 1.200 Bewerbern ausgewählt, sagte Holger Appel, Vorsitzender der Geschäftsleitung Deutsche Bank, Region Baden-Württemberg, als er Urkunde und Pokal an den Institutschef Prof. Werner Sobek übergab.
„Das weltberühmte Institut für Leichtbau, Entwerfen und Konstruieren (ILEK) der Universität Stuttgart entstand im Jahr 2001 aus der Verschmelzung der Lehrstühle des Architekten Frei Otto und des Ingenieurs Jörg Schlaich unter Prof. Dr. Werner Sobek“, zitierte Appel aus der Begründung für die Auswahl. Mit der Vereinigung der beiden Lehrstühle seien Disziplinen, die sich seit Jahrhunderten voneinander entfernt haben, in einem Institut zusammengefasst worden. Das ILEK vereinige in Forschung und Lehre die bisher vor allem in der Architektur zu findenden Schwerpunkte des Entwerfens und Gestaltens mit denen der Analyse, der Konstruktion sowie der Materialwissenschaft. Die Arbeitsthemen reichten von Leichtbaukonstruktionen über textile Bauten, selbstanpassende und bewehrte Gläser, hochintegrierte Bauteile aus Beton hin zu adaptiven Systemen bei tragenden Konstruktionen oder Gebäudehüllen.
An Übermorgen denken
„Schon immer war die Stadt Stuttgart auf Tüftler angewiesen“, sagte Dr. Susanne Eisenmann, Bürgermeisterin für Kultur, Bildung und Sport. Die Hochschulen bezeichnete sie als wichtige Partner und die Uni Stuttgart als ein herausragendes Beispiel. Allen, die das Potenzial des ILEK nicht im Rahmen einer Führung hatten erkunden können, gab der Hausherr am Abend einen Einblick. Die Brücke zwischen Leichtbau und Massivbau zu schließen sei ein großer Spagat, bekannte Werner Sobek, der sich nicht der Frage nach dem Morgen, sondern nach dem Übermorgen widmet. Nicht direkt anwendungsbezogen berge sie die Gefahr des Irrtums, man gehe aber am Institut das Risiko ein – und „lag bislang immer richtig“. Große Textildächer am Flughafen von Bangkok, der Visitenkarte Thailands, zeugen ebenso davon wie die adaptive Hülle eines Monospace in St. Etienne für ein Design-Zentrum; dort werden erstmals Photosynthese-Zellen zur Stromgewinnung beitragen. Beim Bau mit Textilien hat der Architekt gezielt die Faltenbildung eingeführt: „Das ist die Seele des Bauens mit Stoff“; mit verstärkten Verbundgläsern werden am ILEK „Glasbögen“ mit zehn bis 20 Metern freier Spannweite erstellt, und weil es ja nicht nur die Erde gibt, denken Werner Sobek und sein Team zusammen mit den Luft- und Raumfahrern über das Bauen im All mit Schäumen nach.
Julia Alber
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