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Üblicherweise resultieren die Forschungsthemen am ISW aus der Regelungs-, Antriebs- und Sensortechnik, aus der Robotik und aus der Mechatronik. Da die Automatisierungstechnik immer mehr in Bereiche vordringt, in denen Menschen in unmittelbarem Kontakt mit Automatisierungsgeräten stehen und diese bei Fehlfunktionen potentiell gefährdet sind, etablierte sich am ISW ein Forschungsschwerpunkt um den Aufbau numerischer Steuerungssysteme für sicherheitskritische Anwendungen. Die Arbeiten mündeten über Industrieprojekte zu Steuerungssystemen, wie sie in der Medizin für chirurgische Eingriffe mit Unterstützung von Robotersystemen eingesetzt werden. Mittlerweile wurden die Forschungsarbeiten für die Gestaltung von Assistenzsystemen vertieft und ausgebaut.
Wurden bei minimal invasiven Verfahren zunächst Robotersysteme als Trägersystem für Instrumente verwendet, so sind heute unter Kontrolle des Chirurgen gesteuerte und geführte Assistenzsysteme gefragt. Am ISW wurden erste Schritte für sicherheitsrelevante numerische Steuerungen eines Medizinrobotersystems der Firma Universal Robot Systems, Parchim, durchgeführt. Die Kinematik dieses Medizinrobotersystems besteht aus sieben angetriebenen Achsen, wobei sechs in Form eines Hexapods angeordnet sind und eine lineare Achse auf die Hexapod-Plattform montiert ist. Drei passive Achsen, die in Form eines Tripods innerhalb des Hexapods angeordnet sind, werden als redundantes Messsystem benutzt. Die Linearachse dient als Träger für chirurgische Instrumente.
Das Sicherheitskonzept der Medizinrobotersteuerung umfasst die dynamische Erfassung von Lageabweichungen beispielsweise des Endoskops von seiner Soll-Lage, die Berechnung der Bewegung sowie die Überwachung der Bezugslage zum Patienten. Alle Bereiche werden über redundante, doppelt abgesicherte Messsysteme und Algorithmen gesteuert und überwacht. Eine zusätzliche Redundanz wird dadurch erreicht, dass der Kern der Steuerungshardware zwei getrennte Prozessoreinheiten umfasst. Führt der Vergleich der Messergebnisse zu Differenzen, stoppt die Maschine sofort und der Arzt übernimmt die Führung von Hand.
Kamera weist den Weg
Diese Arbeiten fanden ihre Fortsetzung in einer Kooperation mit dem Zentrum für Minimal Invasive Medizin und Technik Tübingen-Tuttlingen (MITT). Ziel war es, die Solochirurgie bei laparoskopischen Eingriffen weiterzuentwickeln und die konventionelle Führung des Endoskops durch einen Assistenzarzt durch eine automatische Führung zu ersetzen. Möglich ist dies, indem das Endoskop mit der Kamera der Bewegung der Instrumentenspitze über eine spezielle Kinematik nachgeführt wird.
Während jedoch zwischen einem chirurgischen Assistenten und dem Operateur verbale Absprachen möglich sind, muss das technische Assistenzsystem die Intentionen des Operateurs aus dessen Instrumentenbewegungen ableiten und entsprechend reagieren. Hierzu beobachteten die Stuttgarter Wissenschaftler gemeinsam mit Prof. Gerhard Buess vom MITT diverse Eingriffe mit chirurgischen Assistenten und entwickelten verschiedene Transformationen, welche die Bewegungen des chirurgischen Instruments in Bewegungen der Kamerakinematik umsetzen und so die Kamera nach den Vorgaben des Operateurs bewegen.
Modulare Alternativkonzepte
Wie in allen chirurgischen Fächern sind Operateure auch in der endoskopischen Chirurgie mit einer großen Anzahl verschiedener Instrumente und Geräte konfrontiert, die einen uneinheitlichen Aufbau zeigen und kaum über austauschbare Komponenten verfügen. Zudem sind heutige Haltesysteme, Assistenzsysteme und Manipulatoren für die endoskopische Chirurgie komplex aufgebaut, meist auf wenige Anwendungen ausgerichtet und teuer. Instrumente für die endoskopische Chirurgie, die über uneingeschränkte Freiheitsgrade der Bewegung verfügen, gibt es, von ersten Konzepten abgesehen, noch gar nicht.
Vor diesem Hintergrund steht der Forschungsbereich vor großen Herausforderungen. Die Lösung sollen modulare Systeme bringen, wie sie aus der Industrie bekannt sind. Der Vorteil besteht darin, dass sich im Rahmen der Serienfertigung von Modulen die Technologie preissenkend und qualitätsstärkend auswirkt. Dank der Kooperation im Rahmen des IZST werden nun die Grundlagen für derartige neue Assistenzsysteme entwickelt. Eine Konzeption dazu gibt es bereits. Es wird angestrebt, dass Module sowohl für handgeführte Instrumente mit unterschiedlichen kinematischen Freiheitsgraden als auch für Haltesysteme und für elektronisch gesteuerte Manipulatoren verwendet werden können, was die Entwicklung der neuen Technologie in Schritten ermöglicht. Die Modularisierung erlaubt die Rekonfiguration und die dezentrale Funktionsintegration und -ausführung. In der Praxis heißt das, dass beispielsweise die Instrumente aus einem Baukasten mechatronischer Module entsprechend den medizinischen Erfordernissen nach dem „plug-and-play“ - Prinzip im Operationssaal zusammengefügt werden können. Vergleichbare Entwicklungen sind aus der Luft- und Raumfahrttechnik und aus der Fertigungstechnik bekannt.
Karl-Heinz Wurst/amg
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