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Zu der Vierer-Gruppe zählen von der Uni Stuttgart Prof. Wolfgang Osten vom Institut für Technische Optik sowie Prof. Siegfried Schmauder vom Institut für Materialprüfung, Werkstoffkunde und Festigkeitslehre, Prof. Gerhard Bueß von der Sektion Minimal Invasive Chirurgie der Uniklinik Tübingen und Prof. Wolfgang Straßer vom Tübinger Wilhelm Schickard-Institut für Informatik. Verstärkt wird die Gruppe durch eine Kooperation mit Prof. Werner Jüptner vom Bremer Institut für angewandte Strahltechnik (BIAS).
Voll einsehbar ist der Gallengang, in dem der Operateur seine Instrumente bewegt. Der Blick schweift von links nach rechts, von oben nach unten, nimmt die Wände in Augenschein und bleibt schließlich auf einer Ansammlung von Steinen ruhen. „Noch ist der Spaziergang in Echtzeit im holographisch dargestellten Gallengang Fiktion“, erklärt Wolfgang Osten, doch das soll sich ändern. Viele bildgebende Verfahren hat die moderne Technik hervorgebracht, um das Innere des Menschen zu erkunden, Informationen über einen Patienten zu gewinnen. Ob konventionelle oder stereoskopische Bildgebung, Ultraschall oder Röntgentechnik, eine Hilfe sind sie alle, doch deren zweidimensionale Abbildungen richtig interpretieren, sich anhand ihrer gar orientieren, ist schwer. Mehr Aussagekraft besitzen dreidimensionale Bilder, die auch Informationen über die räumliche Tiefe liefern – ein entscheidender Punkt für die Navigation bei der Minimal Invasiven Chirurgie, wo Feinstarbeit anhand von Bildmaterial zu leisten ist.
Hohe Schule der räumlichen Aufnahme
Die Kombination stereoskopischer Bilder, die aus vielen Blickwinkeln erstellt wurden, liefert räumliche Darstellungen – allerdings mit „Bildsprüngen“ zwischen den verschiedenen Abbildungen. Für das sensible Arbeitsfeld MIC ein Unding. „Der Arzt müsste sich nach jedem Bildsprung neu orientieren“, weiß Wolfgang Osten, der sich mit seinen Kollegen daher der digitalen holographischen Endoskopie zuwandte, der „hohen Schule der räumlichen Aufnahme“, wie sie der Professor nennt. Bei der digitalen Holographie werden die optischen Wellenfelder vollständig elektronisch aufgezeichnet und rekonstruiert. Im Gegensatz zu anderen Abbildungsmethoden geht bei Hologrammen keine Information über die Umgebung verloren. Das vollständige Abbild des Gegenstandes erscheint wie real, hat räumliche Tiefe und kann aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Im ersten Schritt sollen die holographischen Welten der inneren Organe bei der Chirurgen-Aus- und Weiterbildung in der Technik der Minimal Invasiven Chirugie eingesetzt werden. Für die fernere Zukunft könnten sich die Wissenschaftler aber auch vorstellen, die Organinnenräume den Operateuren holographisch während der OP in Echtzeit – über eine spezielle Brille – zur Verfügung zu stellen. So würde deren „Arbeitsfeld“ wieder voll einsehbar.
Gewebeuntersuchung: berührungslos, zerstörungsfrei
Und weil Forschung eben mit Visionen zu tun hat, verrät Wolfgang Osten, dass diese neue Technik auch dazu beitragen soll, mehr über das elastomechanische Verhalten der Weichgewebe zu erfahren. Wie Knochen Druck und Zug standhalten, mit dieser Frage hat sich die Medizin schon lange beschäftigt, nicht jedoch damit, wie das Gewebe auf solche Belastungen reagiert. „Wir werden viel über die inneren Organe erfahren“, hofft Osten, vielleicht einst anhand des Gewebeverhaltens totes von lebendem, gesundes von krebsartig verändertem Gewebe unterscheiden können – und das berührungslos und zerstörungsfrei.
Julia Alber
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