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Chinas Weltbilder sind im Wandel

„Weltbilder und Technik Chinas unter der Lupe“: Über 50 Teilnehmer aus dem universitären Umfeld, aber auch von Firmen, nahmen an dem vom Internationalen Zentrum für Kultur- und Technikforschung der Universität Stuttgart in Zusammenarbeit mit der Forschungsstelle für deutschsprachige Technikphilosophie der Technischen Universität Dalian veranstalteten Workshop teil, der vom 13. bis 14. Januar im Internationalen Begegnungszentrum in Vaihingen stattfand.

  Mit einem Blechmann konfrontierte Amerika China im Jahr 1893  

Mit einem Blechmann konfrontierte Amerika China im Jahr 1893. Später wurde dieser zum Beweis einer handwerklichen Tradition der Herstellung künstlicher Menschen in China.
(Quelle: Dianshizhai huabao, Vol. 10, Nr. 157, 1893)

China ist verstärkt in das europäische Bewusstsein gekommen, mit seinem enormen Wirtschaftswachstum und Marktpotenzial. „In der Tat, man kann China nicht mehr ignorieren“, sagte Prof. Wenchao Li, Leiter der Forschungsstelle für deutschsprachige Technikphilosophie an der Technischen Universität Dalian, bei seiner Begrüßung. Die Kenntnis von China sei in Europa allerdings recht gering, aber interkulturelle Missverständnisse schrecken den Professor nicht: „Ich plädiere für interkulturelle Missverständnisse nicht nur, weil sie unvermeidbar sind, sondern weil sie kreativ sein könnten.“

Europas Kultur aufgezwungen

Technik und Wissenschaft wurde China Mitte des 19. Jahrhunderts als europäisches Kulturgut mehr oder weniger aufgezwungen, erklärte Wenchao Li. Chinas Weg in die Moderne lasse sich daher als wechselvoller Weg von der Technikdämonie zur Technikeuphorie beschreiben und als ständiges Ringen um das Fremde und das Eigene. Um das Fremde zu bewältigen, ohne die eigenen Traditionen aufzugeben, wurden Argumentationsmuster erfunden und erprobt wie beispielsweise die Aussage, das Chinesische bilde die Grundlage, das Fundamentale, das moderne Europäische sei das Funktionelle, das Nützliche.

  Amerika konfrontierte China 1893 mit einem Blechmann: sechs Fuß groß und – dank eines Feuers im Bauch – fünf Meilen pro Stunde schnell. Yi-shan Liu, Doktorandin im Fach Ethnologie an der Uni Halle, hat ihn in der Bildzeitung Dianshizai des späten 19. Jahrhunderts ausgemacht. Dort wurde er als sensationelle Erfindung vorgestellt und schon Konfuzius sei einem Mann aus Blech begegnet, stand dort zu lesen. Die angeführten Beispiele aus alten Schriften waren jedoch aus ihrem ursprünglichen Kontext herausgelöst, so Yi-shan Liu, hatten dadurch einen neuen Sinn erhalten – und die Geschichte war zum Beweis einer ununterbrochenen handwerklichen Tradition der Herstellung künstlicher Menschen in China geworden.

Traditionelles Wissen in neuer Ordnung

Das Fremde ins Eigene zu transformieren fällt allerdings zunehmend schwerer oder wird gar unmöglich, absolvieren doch viele Chinesen ihre Ausbildung im Westen. Folge ist eine Neuordnung des traditionellen chinesischen Wissens, die auch die Ärzte nicht ausnimmt, die sich in Anbetracht von SARS und anderer Krankheiten aber nicht oder nur zögerlich zu Wort meldeten. „Eine Anwaltschaft für die Menschen übernimmt der Arzt in China nicht, sein diagnostischer Blick endet, wo die Krankheitsursache außerhalb des Patienten zu suchen ist“, erklärte Prof. Paul Unschuld vom Institut für Geschichte der Medizin der Universität München, „die Ärzte haben es nie anders gelernt“. In Europa kam es dagegen Ende des 18. Jahrhunderts zu einem Wandel, als der volkswirtschaftliche Wert der Gesundheit erkannt wurde und der Ärzteschaft politische Bedeutung zukam.

  Dr. Ole Döring von der Fakultät für Ostasienwissenschaften der Ruhr-Universität Bochum und wissenschaftlicher Mitarbeiter in der von der DFG geförderten Forschergruppe „Kulturübergreifende Bioethik. Voraussetzungen, Chancen, Probleme“ plädierte für mehr Kommunikation. In China, so glaube man im Westen, gelte hinsichtlich der Biotechnologie nur die Kultur des Nützlichen, dabei sei auch dort die Skepsis gegenüber den zunehmend wirksamer werdenden Marktmechanismen im Bereich von Medizin und Gesundheit groß, und sogar Gruppen, die offensiv die Freiheit und Autonomie der Forschung fordern, würden auf die hohe moralische Verantwortung der Spitzenforscher vor der Gesellschaft hinweisen. „Prinzipiell wird die Schutzwürdigkeit des individuellen Menschen in China inzwischen auch in der Verfassung explizit anerkannt“, so Döring, strittig sei nur, wann ein Wesen anfange, im vollen Umfang moralisch, ethisch und rechtlich schutzwürdig zu sein.

Julia Alber

 
   

 

KONTAKT

                                                                  

Dr. Elke Uhl
Internationales Zentrum für Kultur- und Technikforschung
Tel. 0711/685-82589
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e-mail: info@izkt.uni-stuttgart.de
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