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Sauerstoff umgibt uns Tag und Nacht. Mit jedem Atemzug durchströmt er unsere Lungen, und fast alle Lebewesen der Erde sind auf Sauerstoff und seine biochemischen Eigenschaften angewiesen. Aber auch in der chemischen Industrie stehen Oxidationsreaktionen an vorderster Stelle. Ohne sie müssten wir auf Basischemikalien, Feinchemikalien oder pharmazeutische Wirkstoffe wie beispielsweise Phenol, Cyclohexanol, n-Octanol und viele andere Produkte verzichten. Hierbei sind bisher vorwiegend Peroxide im Einsatz. Sie explodieren leicht, wirken toxisch und bilden unerwünschte Nebenprodukte. Eine ungefährliche, umweltfreundliche und preiswerte Alternative wäre molekularer Sauerstoff. Der Haken: Das Molekül macht noch nicht mit… Es reagiert in der Regel nur bei hohen Temperaturen oder starkem Druck. Dabei ist es nicht besonders wählerisch, sondern baut sich an den verschiedensten Stellen in Verbindungen ein.
Erkundung neuer Kontinente
Prof. Sabine Laschat, Leiterin des Instituts für Organische Chemie und Sprecherin des SFB, gab den Zuhörern einen Einblick in das komplexe Thema. Dabei verglich sie das Wissen in der Redox-Chemie mit einer Weltkarte. Gäbe es in der so genannten reduktiven Welt nur wenige weiße Flecken, so würden in der oxidativen Welt noch ganze Kontinente fehlen. Wichtigstes Ziel der Expeditionsreise „SFB“ sei es daher, die Oxidation von organischen Verbindungen wie Alkanen, Cycloalkanen, aktiven Kohlenstoff-Doppelbindungen oder Aromaten durch molekularen Sauerstoff näher zu erkunden. „Vor einer industriellen Anwendung liegt jedoch noch ein langer Weg“, betonte Laschat.
Im Mittelpunkt der Forschung stehen Katalysatoren. Diese Stoffe wirken als Vermittler zwischen Substanzen, die von sich aus gar nicht oder nur ungern miteinander reagieren würden. Die Entwicklung neuer Katalysatoren soll eine gezielte und vollständige Oxidation von Kohlenstoffverbindungen mit molekularem Sauerstoff ermöglichen. Im Rahmen des SFB werden dazu drei Typen betrachtet: homogene Katalyse, heterogene Katalyse sowie Biokatalyse. Homogen bedeutet, dass sich der Katalysator, die beiden Ausgangsstoffe sowie das Produkt in der gleichen Lösungsmittelphase befinden. Im zweiten Fall wirkt meist ein Feststoff als Katalysator. Spielt sich der katalytische Prozess schließlich in einem lebenden System wie einer Bakterienzelle oder mit Hilfe biologisch gewonnener Enzyme ab, spricht man von Biokatalyse.
Expertenrunde
Entsprechend der Katalysebereiche konnten drei Experten als Festredner gewonnen werden: Zunächst präsentierte Prof. Martin Muhler von der Ruhr-Universität Bochum aktuelle Ergebnisse aus dem Bereich heterogene Katalyse. Fein verästelte hohle Kohlenstofffasern dienen als Festbettreaktor, auf dessen Oberfläche als metallischer Katalysator Palladium aufgedampft wird. Die Substrate und das Oxidationsmittel strömen darüber. Neueste Entwicklungen der homogenen Katalyse stellte Prof. Matthias Beller vom Leibniz-Institut für Katalyse in Rostock vor. Zentrale Position in seinen aktuellen Arbeiten nimmt Ruthenium ein. Dieses Metall kommt in acht Oxidationsstufen vor und stellt einen effizienten, löslichen Katalysator dar. Von unbelebten Systemen machte der dritte Festredner, Prof. Manfred Reetz vom Max-Plank-Institut für Kohlenforschung in Mülheim, einen Sprung in die lebende Bakterienzelle. Über Mutationen versucht seine Gruppe, Proteine zu isolieren, die chemische Verbindungen zuverlässig zu spiegelbildlichen Produkten umsetzen. In dieser Enantioselektivität sind biologische Enzyme der herkömmlichen Chemie noch deutlich überlegen.
Aufbruchstimmung
Gutes Gelingen für dieses umfassende Vorhaben wünschten der Stuttgarter Uni-Rektor, Prof. Dieter Fritsch, sowie der Prorektor der Uni Hohenheim, Prof. Karlheinz Köller. Dr. Renate Fischer vom Wissenschaftsministerium betonte, dass mit dem SFB ein weiteres Beispiel ganzheitlicher, fachübergreifender Forschung an den Start gehe. Prof. Dieter Jahn, Präsident der Gesellschaft Deutscher Chemiker, freute sich, dass eine Frau Sprecherin des SFB geworden sei. Es sei wohl eine spezifisch weibliche Fähigkeit, Kollegen zu überzeugen, dass man zusammen stärker ist. Mit einem Beispiel aus der Industrie verdeutlichte er, welchen Stellenwert Katalysatoren heute spielen: 85 Prozent aller chemischen Prozesse der BASF erfolgen unter Einsatz von Katalysatoren. Und doch handle es sich nicht um eine ausgereifte Wissenschaft: die Katalyseforschung stehe noch am Anfang.
Aufbruchstimmung ins Abenteuer Sauerstoff vermittelte Sabine Laschat mit folgendem Zitat: „Where most see a wall, some see a door. And a few go through to discover a rich, new world....open sesame!“
Birgit Gebauer
*) Bitte beachten Sie auch
Seite 79 in diesem Heft.
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