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Neue Technologie reduziert Reibungswiderstand bei Flugzeugen > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >
 
„Gute“ Wirbel dämpfen Appetit auf Sprit

Wie viel Sprit ein Flieger schluckt, hängt maßgeblich vom Reibungswiderstand ab, den das Mitreißen der Luft an der Flugzeugoberfläche verursacht. Mitarbeiter des Instituts für Aerodynamik und Gasdynamik (IAG) der Uni Stuttgart entwickelten ein Verfahren, um Turbulenzen und damit den Widerstand wirkungsvoll zu reduzieren. Sie stützen sich dabei auf eigene numerische Simulationen auf dem Supercomputer des Höchstleistungsrechenzentrums (HLRS).

  Lufthansa  

Mit Hilfe einer am IAG entwickelten Technologie zur Stabilisierung laminarer Luftströmungen könnte die Kerosinrechnung vieler Airlines bald deutlich niedriger ausfallen.                                                (Foto: Lufthansa)

Angesichts der steigenden Ölpreise ist der Kerosinverbrauch ihrer Flotten für viele Airlines zur Existenzfrage geworden. Alleine die Deutsche Lufthansa gibt jährlich drei Milliarden Euro für Treibstoff aus. Mit der neuen Technologie könnte die Rechnung bald um einen dreistelligen Millionenbetrag geringer ausfallen. „Nach Modellrechnungen kann der Verbrauch mit unserer Methode um bis zu 15 Prozent gesenkt werden“, sagen Ralf Messing und Markus Kloker vom IAG. „Bei einem Ölpreis von 70 Dollar pro Barrel ließe sich weltweit jährlich Kerosin im Wert bis zu 18 Milliarden Euro einsparen.“

  Dabei setzen die Wissenschaftler an der Grenzschicht an, die nahe an einem Körper entsteht, wenn ein Fluid (also eine Flüssigkeit oder ein Gas) ihn überströmt. In dieser dünnen Schicht passt sich die Geschwindigkeit des Fluids an die Geschwindigkeit des Körpers an. Der Zustand der Grenzschichtströmung bestimmt den Reibungswiderstand beim Flug, wobei eine ruhige, laminare (schichtenähnliche) Strömungsform deutlich weniger Widerstand verursacht als eine chaotische, turbulente Form. Letztere entsteht, wenn die laminaren Strömungen instabil werden. Eine bewährte Methode, um den Umschlag von der laminaren in die turbulente Strömungsform zu verzögern, ist das Absaugen der Grenzschicht durch winzige Öffnungen in der Flugzeugoberfläche. Die sichere Anwendung dieser Technologie scheitert jedoch bis heute an den Problemen, die an den nach hinten gepfeilten Tragflügeln heutiger Flugzeuge auftreten. Bei solchen aerodynamischen Oberflächen spielen dreidimensionale Strömungseffekte eine entscheidende Rolle, die trotz der Absaugung ein rasches Einsetzen der Turbulenz zur Folge haben können: Innerhalb der Grenzschicht liegt hier eine Querströmung vor. Diese facht turbulenzauslösende Längswirbel an, die durch kleinste Rauigkeiten oder eben Absaugöffnungen entstehen können. Mit Computersimulationen konnten die Wissenschaftler nun eine spezielle Anordnung der Absaugöffnungen entwickeln, die die Effektivität der Absaugung an gepfeilten Flügeln drastisch erhöht. Dabei werden gezielt „gutartige“, eng nebeneinander liegende Längswirbel erzeugt, die schädliche Wirbel unterdrücken und so Turbulenzen verhindern oder verzögern. „Das Ergebnis ist ein reduzierter Reibungswiderstand von Tragflächen und Leitwerken bei geringerer Absaugemenge“, erklärt Kloker. „Dies führt zu einem Zugewinn an Leistung bei niedrigeren Kosten.“

  Wirbel  

In den Kreisen sind die Vorgänge in der Grenzschicht dargestellt. In der oberen Anordnung tritt trotz Absaugung Turbulenz ein. Bei der unteren, nach der neuen Methodik optimierten Anordnung findet kein laminar-turbulenter Strömungsumschlag statt, da die gutartigen Wirbel persistent sind. (Grafik: IAG)

Virtuelle Realität im Umbruch

Entwickelt wurde die neue Technologie mit Hilfe von Simulationen am Höchstleistungsrechenzentrum der Uni. Für HLRS-Direktor Prof. Michael Resch ist dies ein Beispiel dafür, wie das Supercomputing aus der Forschung in die Entwicklung hineingetragen wird und dabei auch kleineren Projekten zugute kommt. „Ich rechne mit einer radikalen Verbilligung in den nächsten drei Jahren, so dass Virtuelle Realität auch für kleine und mittelständische Unternehmen erschwinglich wird“, prognostiziert Resch.

  Auch die Wissenschaftler vom IAG wollen ihre Entwicklung wirtschaftlich verwerten. Mit Hilfe des Technologie-Lizenz-Büros der Baden-Württembergischen Hochschulen haben sie die Technologie inzwischen zum Patent angemeldet. Jetzt suchen sie nach einem Industriepartner für den Probebetrieb. Bis die Spezialabsaugung in Flugzeugen Standard wird, dürfte allerdings noch einige Zeit vergehen. „Ein nachträglicher Einbau ist schwierig, da Leitungen zum Absaugen der Luft verlegt werden müssen“, sagt Messing. Deshalb dürfte sich die Technologie erst im Zuge der Flottenerneuerung durchsetzen. Dafür ist die Methode jedoch nicht auf Absaugvorrichtungen begrenzt. Auch kleine Dellen, künstliche Rauigkeiten oder Ausblasöffnungen können die „guten“ Wirbel anregen. Außerdem ist das Einsatzgebiet nicht nur für die Flugzeugindustrie interessant. Die Wissenschaftler sind davon überzeugt, dass auch der Wirkungsgrad von Windkraftrotoren durch ihre Technologie erheblich gesteigert werden kann: Die Absaugung wäre hier aufgrund der Zentrifugalwirkung der sich drehenden Rotoren relativ einfach.

uk

 

 

KONTAKT

 
                                                                      
Dr. Markus Kloker, Dr. Ralf Messing
Institut für Aerodynamik und Gasdynamik
Tel. 0711/685-63427, -63422
Fax 0711/685-63402
e-mail: kloker@iag.uni-stuttgart.de, messing@iag.uni-stuttgart.de

 

 

 

 
last change: 22.12.06 / yj
Pressestelle der Universität Stuttgart