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Am 24. Mai wurde die „industrietaugliche Mikrowelle“ am Stuttgarter IFB in Betrieb genommen. Dort steht nun eine komplette Prozesskette zur automatisierten Herstellung von Faserverbundwerkstoffen – von der Herstellung der Faserstrukturen über die Injektion des Harzes bis zur Aushärtung. Über 100 Fachleute aus dem Flugzeug- und Automobilbau, von verschiedenen Forschungsinstituten und der Zulieferindustrie hatten sich zur Feier des Tages am IFB zum Symposium „Mikrowellenhärtung von Faserverbundwerkstoffen“ eingefunden. In seinem Grußwort betonte der Rektor der Universität Stuttgart, Prof. Dieter Fritsch, die „beispielhafte Kooperation“ zwischen dem Forschungszentrum Karlsruhe und der Uni Stuttgart.
„Mithilfe der Mikrowellentechnologie lassen sich Kohlefaserverstärkte Verbundwerkstoffe (CFK), die aufgrund ihres hohen Leichtbaupotenzials zunehmend in der Luft- und Raumfahrttechnik sowie im Fahrzeugbau eingesetzt werden, energiesparender und schneller aushärten als mit den herkömmlichen Umluftöfen“, erklärt Prof. Klaus Drechsler, Direktor des IFB. Es kann druckfrei gearbeitet werden, das Beheizen des kompletten Industrieofens entfällt, da sich nur das Bauteil erwärmt. Die Stunden im Ofen, die den Fertigungsprozess bislang immer blockierten, schrumpfen auf gut fünf Minuten. Fast kein Wunder daher: Weltweit ist das Interesse an dem neuen Mikrowellensystem HEPHAISTOS groß. Benannt nach dem griechischen Gott des Feuers und des Handwerks stehen die Buchstaben für High Electromagnetic Power Heating Automated Injected STructures Oven System.
Keine Blitzlichtgewitter
Zwei Jahre lang haben die Wissenschaftler vom Forschungszentrum Karlsruhe an der Mikrowellentechnologie und deren Steuerung getüftelt, denn gleichmäßige elektromagnetische Felder sind das A und O, damit diese industriell eingesetzt werden kann. In der Küchenmikrowelle wird mithilfe eines Drehtellers die inhomogene Verteilung der Wellen ausgeglichen. „Wir haben das Problem über eine sechseckige Form der Prozesskammer gelöst“, verrät Dr. Lambert Feher, Leiter der Abteilung Industrielle Mikrowellentechnik im Institut für Hochleistungsimpuls- und Mikrowellentechnik des Forschungszentrums Karlsruhe. In dem neuen System gehören „Blitzlichtgewitter“, wie sie beispielsweise metallische Gabeln in der Küchenmikrowelle hervorrufen, der Vergangenheit an. Sogar metallische Tische oder Werkzeuge, wie sie heute in der Luftfahrt bei der Produktion von CFK-Strukturen verwendet werden, können eingesetzt werden.
Das modulare Mikrowellensystem lässt sich vom Labormaßstab bis hin zur Großanlage in der Luftfahrtindustrie realisieren. Rund 1,80 Meter Durchmesser und eine Tiefe von einem Meter haben die einzelnen Module, die beliebig gekoppelt werden können. „Ein entscheidender Punkt für den Flugzeugbau“, betont Klaus Drechsler, gehe dort der Trend doch zu immer größeren Einzelsegmenten, bei denen die konventionellen Öfen an ihre Grenzen stoßen. Bei den Zulieferern sowohl im Automobilbau als auch in der Luft- und Raumfahrt werde daher in den nächsten fünf Jahren das neue System stehen, schätzt Reiner Wiesehöfer, Leiter Wärmetechnik bei der Herstellerfirma Vötsch.
Doch zunächst ist das Know-how der Stuttgarter Forscher gefragt, um die Prozessvariablen abzuklären. Wie verhalten sich die Materialien bei dieser Art der Härtung? Kann man die Werkstoffe an die Mikrowellentechnologie anpassen? Lassen sich eventuell andere, neue Harze einsetzen? In den Vorträgen des Symposiums und bei den anschließenden Diskussionen wurde es deutlich: das Interesse an der neuen Technologie für die verschiedensten Anwendungsgebiete ist sehr groß, und: „Es ergaben sich schon verschiedene konkrete Anfragen für gemeinsame Entwicklungsprojekte“, freut sich Klaus Drechsler. Am 1. September startete ein vom Bundesforschungsministerium über vier Jahre mit fünf Millionen Euro unterstütztes Verbundprojekt zur Mikrowellentechnologie unter Leitung des Forschungszentrums Karlsruhe, an dem neben dem IFB unter anderem auch Porsche, EADS und weitere Partner beteiligt sind. Ziel ist die Entwicklung innovativer, modularer Technologien zur Herstellung von Faserverbundstrukturen.
Julia Alber/amg
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