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Arzneimittelwirkstoffe mit hormonartiger Wirkung (EDC: Endocrine Disrupting Chemicals) wurden in der Donau, im Neckar, Rhein, der Körsch und anderen Flüssen gefunden, wo sie hauptsächlich über das Abwasser eingetragen werden. Untersuchungen zeigen, dass diese Stoffe die Verweiblichung von Fischen und Amphibien sowie Missbildungen und Anomalien der Geschlechtsorgane bei Schnecken und Reptilien bewirken können. Allerdings sind die bisher gefundenen Umweltkonzentrationen sehr niedrig. Sie liegen im Bereich von zehn Nanogramm bis zu einem Mikrogramm pro Liter. „Zehn Nanogramm pro Liter, das entspricht größenordnungsmäßig einem Stück Zucker im Bodensee“, vergleicht Metzger. Obwohl bisher keine direkte schädliche Wirkung für den Menschen nachgewiesen wurde, ist eine Risikobewertung wichtig, da die Stoffe eine sehr hohe biologische Aktivität besitzen und man zum Beispiel nicht weiß, ob sich durch die Summe der verschiedenen Stoffe negative Auswirkungen verstärken. Aus diesem Grund fördert auch das baden-württembergische Umweltministerium seit längerem die Forschungstätigkeit der Arbeitsgruppe auf diesem Gebiet.
Aufwändige Analytik
„Es gibt rund 3 000 Einzelverbindungen unter den Arzneimittelwirkstoffen, einige mit hormonartiger Wirkung. Daneben zeigen auch zahlreiche weit verbreitete Industriechemikalien wie bestimmte Weichmacher diese Wirkung“, erklärt der Wasserchemiker. Da die Stoffe in relativ geringen Konzentrationen vorkommen, ist es gar nicht so leicht, sie zu finden. Eine hochempfindliche und damit sehr teure Spurenanalytik ist notwendig. Um den Aufwand begrenzt zu halten, sollten nur nach sinnvollen Kriterien ausgewählte Stoffe untersucht werden und Verbindungen mit ähnlichen Eigenschaften methodisch zusammengefasst werden, erläutert Metzger. Mit dieser instrumentellen Analytik findet man allerdings nur, was man vorher definiert hat, schränkt Metzger ein: „Um eine erste Risikobewertung abzugeben, ist daher eine Kombination der Analytik mit Biotests, so genannten Bio-Assays, sinnvoll.“ Bei den Bioassays ist eine vorherige Kenntnis der Komponenten der Probe nicht erforderlich. Beim Vitellogenin-Assay werden männliche Regenbogenforellen untersucht, die schon bei geringsten Mengen von hormonartig wirkenden Substanzen im Wasser das Eidotterprotein Vitollogenin produzieren. Der E-Screen-Assay nutzt Brustkrebszelllinien, die auf Östrogene mit verstärkter Teilung reagieren.
Mit Analytik und dem E-Screen-Assay überprüfte die Forschergruppe des ISWA das Abwasser vom Zu- und Ablauf verschiedener Kläranlagen. Es zeigte sich, dass die Stoffe im Ablauf in deutlich geringerer Konzentration vorkamen, einige Stoffe waren gar nicht mehr nachweisbar. Auch die hormonelle Aktivität war im Ablauf um bis zu 90 Prozent geringer als im Zulauf. Trotzdem war eine Restaktivität vorhanden, die zu biologischen Effekten führen könnte, vor allem, wenn der Fluss oder Bach, in den das Wasser eingeleitet wird (der so genannte Vorfluter), Niedrigwasser aufweist. Versuche mit Pulveraktivkohle, die die Stuttgarter Forscher gemeinsam mit Wissenschaftlern der Hochschule Biberach durchführen, zeigen, dass die Reinigungsleistung der Kläranlagen dadurch weiter verbessert wird, allerdings nicht bei allen Stoffgruppen im gleichen Maße.
Abwässer aus Krankenhäusern
Ein besonderes Problem stellen die Abwässer aus Krankenhäusern dar. Sie sind wegen der möglichen Freisetzung nicht nur von EDC, sondern auch von Krankheitserregern, Antibiotika resistenten Bakterien und anderen Arzneimittelrückständen kritisch zu betrachten. Eine dezentrale Abwasserreinigung direkt am Krankenhaus, statt gemeinsam mit anderen Abwässern in einer kommunalen Kläranlage, könnte hier Vorteile schaffen, da dann die problematischen Stoffe direkt an der Quelle entfernt würden. Zudem werden eine Vielzahl dieser Stoffe in den kommunalen Kläranlagen weder biologisch abgebaut noch durch sorptive Prozesse ausreichend eliminiert. Das ISWA prüft deshalb in einem von der Willy-Hager-Stiftung geförderten Forschungsprojekt am Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart eine dezentrale Versuchsanlage zur Abwasserreinigung. Der eingesetzte Rotationsscheibenfilter wurde gemeinsam vom Institut für Grenzflächenverfahrenstechnik der Universität Stuttgart (IGVT) und dem Fraunhofer Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik entwickelt. Mit dieser neuen Technologie lassen sich die zu eliminierenden Stoffe anreichern und so deren biologischer Abbau verbessern. Der Filter hält gleichzeitig Mikroorganismen zurück und verhindert dadurch die Freisetzung von pathogenen und gegen Antibiotika resistenten Bakterien. Da nur einige Abteilungen des Krankenhauses angeschlossen sind, kann man zudem auch ganz genau verfolgen, welche Arzneimittel in welchem Umfang verabreicht wurden. Im Vergleich mit der Analyse des gereinigten Wassers erkennen die Wissenschaftler auf diese Weise, wie erfolgreich die Anlage arbeitet.
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