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August Nitschke, Emeritus für mittelalterliche Geschichte am Historischen Institut, vollendete am 18. September sein 80. Lebensjahr. 34 Jahre, seit 1960, lehrte er an der Universität. Nitschke setzte sich nachdrücklich für den Ausbau der Technischen Hochschule zur Volluniversität ein und trug maßgeblich zur Etablierung der Geisteswissenschaften an der Uni Stuttgart bei. Das Historische Institut verdankt ihm sein Bestehen. Die Einrichtung der Studiengänge „Geschichte“ sowie „Geschichte der Naturwissenschaften und Technik“ geht wesentlich auf sein Wirken zurück. Er war Dekan (1968/69) der damaligen Fakultät für Natur- und Geisteswissenschaften, war 1970/71 und 1978/79 Prorektor der Universität und übernahm während einer längeren Krankheit des früheren Rektors Blenke zeitweilig dessen Amtsgeschäfte; zudem setzte er Akzente als langjähriges Senatsmitglied. Nitschkes frühe Arbeiten galten der Epoche des Investiturstreits, dem staufischen Sizilien und der Quellenkunde des 13. Jahrhunderts. Die Tätigkeit an einer Universität mit ingenieurwissenschaftlichen Schwerpunkten veranlasste ihn, nach den historischen Bedingungen naturwissenschaftlicher Erkenntnis und technischen Handelns zu fragen. August Nitschke gehört zu den Begründern einer Historischen Anthropologie in Deutschland. Eine als Taschenbuch erschienene Einführung definierte schon 1981 deren Aufgaben und Ziele: die Eigenart von Gefühlen, Bedürfnissen und Verhaltensweisen in früheren Epochen zu beschreiben und deren Wandel in der Geschichte zu ergründen. Frühzeitig vertrat er den Standpunkt, dass die historische Forschung von den Einsichten der Ethnologie profitieren und die Analyse der Lebensformen und Denkweisen so genannter einfacher Völker gerade für die Beschreibung der älteren Epochen in der europäischen Geschichte hilfreich sein könne. Das Studium der außereuropäischen Geschichte und der interkulturelle Vergleich waren August Nitschke daher immer ein Anliegen.
In seinen 14 Monographien und wissenschaftlichen Publikationen deckt Nitschke ein breites Spektrum ab: das reicht von der Sozialgeschichte der Kindheit über Feindbilder im 20. Jahrhundert, den Zusammenhang von Naturerkenntnis und politischem Handeln bis zur Umweltgeschichte, Märchenforschung oder der Geschichte des Tanzes. Für seine Verdienste um die Geschichtsforschung im In- und Ausland wurde August Nitschke 1986 das Bundesverdienstkreuz verliehen.
uk
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