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Prof. Frank Allgöwer führte die Festgäste in die Welt der Systembiologie ein.
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Gerade einen Monat im Amt, gab Uni-Rektor Prof. Wolfram Ressel bei der Jahresfeier im Hörsaal 17.01 anstelle eines Rückblicks einen Ausblick. Nach dem enttäuschenden Ergebnis bei der ersten Runde der Exzellenzinitiative hoffe man nun auf die zweite Tranche, sagte er. Allerdings sei ein härterer Wettbewerb und - statistisch gesehen - eine geringere Erfolgsquote zu erwarten. „Jetzt muss sich die Universität neu organisieren und ihr Forschungsprofil präzisieren“, betonte Ressel. In Zukunft sollen Schwerpunkte gezielt gefördert und die in Vaihingen ansässigen Fraunhofer- und Max-Planck-Institute sowie das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt in eine fakultätsübergreifende, horizontale, multidisziplinäre Forschung mit eingebunden werden. „Die Förderung nach dem Gießkannenprinzip wird ein Ende haben“, betonte er. „Das Potenzial an der Uni ist da“, es müsse nur sichtbar gemacht werden, erklärte der Rektor angesichts guter Positionen bei diversen Rankings. Voraussichtlich zum Wintersemester 2008/09 können die Bachelor- und Master-Studiengänge flächendeckend und abgestimmt über die ganze Uni eingeführt werden. „Die Universität ist im Aufbruch, packen wir´s gemeinsam an!“, forderte Wolfram Ressel.
Dynamik, Dialog und Exzellenzen
Von einer großen Herausforderung für die Universitäten sprach Dr. Siegfried Dais, Mitglied des Universitätsrats, im Hinblick auf die rund 30.000 in Deutschland benötigten Naturwissenschaftler und Ingenieure. Bei deren Ausbildung sei überdurchschnittliche Qualität gefordert, allein mit Quantität habe man aufgrund der Globalisierung keine Chance. „Die Exzellenzinitiative“, lobte Dais, „hat eine große Dynamik an den Universitäten ausgelöst, die der ganzen Hochschullandschaft zugute kommt.“ Als Vertreter des Akademischen Mittelbaus kritisierte Dr. Dieter Leicht, dass man bewährte Mitglieder des Universitätsrats ausgewechselt habe. „Das neue Rektorat und die neue Kanzlerin bieten ein großes Potenzial für eine zukunftsorientierte Weiterentwicklung der Universität“, der Dialog mit dem Mittelbau dürfe allerdings nicht vernachlässigt werden. Die Herausforderung 2012 im Bereich der Lehre sei zu bewältigen – die Landesregierung wisse aber hoffentlich, dass dafür „ein paar Euro benötigt werden“. Dirk Werner, der als Vertreter der Studierenden sprach, sieht an der Uni viele exzellente Projekte und viele exzellente Köpfe. Problematisch sei es jedoch, wenn über die eigenen Ideen das große gemeinsame Ziel – die Uni voranzubringen – vergessen werde. „Ein guter universitärer Betrieb ist auch ohne Exzellenz möglich“, sagte Werner, der jedoch davon überzeugt ist, dass an der Uni das Potenzial dafür vorhanden ist, „das beweisen die Rankings“.
Wo Ingenieur und Biologe zusammenfinden
„Systembiologie, oder: Wie Ingenieure helfen, die Biologie des Lebens zu verstehen“ hatte Prof. Frank Allgöwer, Direktor des Instituts für Systemtheorie und Regelungstechnik der Uni Stuttgart, seinen Festvortrag überschrieben. Zur Jahresfeier als Ingenieur über die Biologie reden zu dürfen, freue ihn, bekannte Allgöwer, und entführte seine Zuhörer in die Welt der Biologie. 1839 die Entdeckung der Zelle, hundert Jahre später die der DNS als Träger der genetischen Information, und dann ging es Schlag auf Schlag: 1977 wurde das erste Virus vollständig sequenziert, 2001 das menschliche Genom fast erschlossen, 2003 das erste Virus künstlich erzeugt. Selbst im Vergleich mit der Entwicklung in der Informationstechnologie komme die Entwicklung in der Biologie in den letzten Jahren einer Revolution gleich, sagte Frank Allgöwer. Die Buchstaben des Lebens kann man heute lesen, jedoch weder Wörter noch Sätze verstehen.
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Prof. Wolfram Ressel (rechts) gratuliert dem neuen Ehrendoktor Reint de Boer...,
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Zentrum für Systembiologie als „Trumpfkarte“
Während das Interesse der Biologie den Bauteilen gilt, interessiert sich die Systembiologie für die Interaktion zwischen diesen Teilen und entspricht daher in ihrem Forschungsansatz dem bewährten Vorgehen der Systemwissenschaften bei technischen Fragestellungen, erklärte Allgöwer. Die noch junge Forschungsrichtung Systembiologie trägt mit ihren systemwissenschaftlichen Methoden zum besseren Verständnis biologischer Vorgänge bei. So konnte dank ihr am Beispiel der Modellierung und Analyse des programmierten Zelltodes, der Apoptose, aufgezeigt werden, dass im Modell der Biologen eine Substanz fehlte – die tatsächlich später auch gefunden wurde. Weltweit gibt es derzeit viele Programme für die Systembiologie und viele Unis haben sich neu ausgerichtet, berichtete Allgöwer. Trotz der „fast sträflich vernachlässigten Biologie“ sei die Systembiologie an der Uni Stuttgart international sichtbar, da man hier von der ersten Stunde an dabei war. Das bundesweit erste Universitätszentrum für Systembiologie, das vor einem Jahr an der Uni Stuttgart eingerichtet wurde, bezeichnete Frank Allgöwer als eine „Trumpfkarte“ – sieben von zehn Fakultäten arbeiten hier zusammen. Interdisziplinarität sei von enormer Bedeutung, betonte Allgöwer abschließend. „Die Musik spielt an den Schnittstellen zwischen den Fachdisziplinen“, gab er im Blick auf das künftige Forschungsprofil der Universität zu bedenken.
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...in dessen Werdegang und Arbeitsgebiet Prof. Wolfram Ehlers einführte. (Fotos: Eppler)
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Ehrendoktorwürde
In Anerkennung seiner außerordentlichen Leistungen im Bereich der Technischen Mechanik, insbesondere der Theorie poröser Medien, und aufgrund seiner Leistungen auf dem Gebiet der Geschichte der Mechanik wurde Prof. Reint de Boer, der von 1977 bis zu seiner Emeritierung im Frühjahr 2001 Professor für Mechanik am Fachbereich Bauingenieurwesen der heutigen Universität Duisburg-Essen war, die Ehrendoktorwürde der Universität Stuttgart verliehen. „Mit der von de Boer und seinen Schülern maßgeblich geprägten Theorie poröser Medien lassen sich Strömungs- und Diffusionsprozesse in Festkörpern mit poröser Mikrostruktur mathematisch analysieren und numerisch beschreiben“, erklärte Prof. Wolfgang Ehlers vom Institut für Mechanik (Bauwesen) der Uni Stuttgart in seiner Laudatio. Von der Geotechnik bis zur Biomechanik weicher Gewebe wurde damit eine Vielzahl komplexer Probleme lösbar.
Exzellenz musikalisch
Nicht nur zur musikalisch exzellenten Umrahmung mit Werken von Antonin Dvorak, Jacques Ibert und Georg Friedrich Händel, sondern auch zu einem im Anschluss an einen Empfang beeindruckend klangvollen Abschluss der Jahresfeier trugen, mit Auszügen aus dem „Fliegenden Holländer“ von Richard Wagner*), Akademischer Chor und Orchester der Universität mit Solisten des Staatstheaters Stuttgart bei. Die Leitung hatte Universitätsmusikdirektorin Veronika Stoertzenbach.
Julia Alber/zi
*) Zum „Fliegenden Holländer“ finden Sie mehr auf Seite 25f.
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