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„Ich mache lauter Sachen, die mir Spaß machen, das ist mein ganz großes Glück hier an der Uni“, begründet Wölfel die Tatsache, dass er selten nein sagt, wenn man ihm eine neue Aufgabe zuträgt, auch wenn damit oft eine 60 Stunden-Woche oder mehr verbunden ist. Und ihm ist auch wichtig, dass die anderen Spaß an den Sachen haben, die er vermittelt. Deshalb dürfen beispielsweise die Teilnehmer des Fortgeschrittenen-Praktikums aus rund 40 Versuchen je nach Neigung zwölf aus-wählen. „Sie sind dadurch viel motivierter“. Etwa die Hälfte seiner Arbeitszeit besteht in der Organisation und Leitung dieses zweisemestrigen Pflichtpraktikums für alle Studierenden der Physik im Hauptstudium mit den angestrebten Abschlüssen Diplom und Lehramt. Ein bis zwei Tage pro Woche arbeiten rund 80 Studierende, betreut von Doktoranden, an ihren Versuchen aus verschiedenen Themenkreisen der Experimentalphysik wie der Festkörperphysik, der Atomphysik, der Optik und der Laser- und Plasmaphysik. Natürlich gibt es seit 1978 nicht immer die gleichen Versuche. Durch den Generationswechsel bei den Professoren ergeben sich neue Forschungsschwerpunkte. Gemeinsam mit den Instituten entwickelt Wölfel Experimente zu diesen Themen, die dann in das Praktikum aufgenommen werden.
Baukästen als prägende Erfahrung
Lehre hat Wolf Wölfel von klein auf interessiert. „Ich möchte Interesse wecken. Als Kind habe ich selbst die Leute ausgefragt und wollte dann weitergeben, was ich selbst verstanden hatte.“ Später als Physik-Student kamen ganze Klassen zu ihm zur Nachhilfe. So lag es nahe, dass die Eltern ihm zum Lehrerberuf rieten. „Doch ich wollte keine Schüler ‚zähmen’, sondern dort lehren, wo die Leute freiwillig sind – eben an der Uni.“ Auch der Weg zur Physik wurde schon früh eingeschlagen. Als Kind bekam er zu Weihnachten Märklin-Baukästen und später eine elektrische Eisenbahn. „Das war prägend für mich.“ Und die Arbeit seines Vaters, ein Architekt, habe ihm gezeigt, wie wichtig Präzision ist. „Mein Interesse für Physik als Jugendlicher war dann geradezu zwangsläufig.“ In den sechziger Jahren hatte man nur ein Radio und die Eltern wollten nur klassische Musik hören, er aber die Beatles. Deshalb baute Wölfel sich seinen ersten Radioempfänger selbst. Später reparierte er Haushaltsgeräte und war für Elektrik im Haushalt zuständig, was bis heute so geblieben ist.
Kinder müssen selbst ausprobieren, was sie interessiert. Seine eigenen drei Kinder hat Wölfel sehr behutsam an die Physik herangeführt. Nur der Jüngste hat sich schließlich wirklich dafür interessiert. Doch ihm ist wichtig, dass Kinder von selbst anfangen zu fragen. „Sie müssen ausprobieren dürfen, was sie interessiert, man darf sie nicht zuschütten.“ Schon früh hat er seinen Kindern Geschichten erzählt, in denen es beispielsweise um den Wasserkreislauf ging. Auch im Freundeskreis hat er oft Fragen gestellt wie „Wisst Ihr eigentlich, warum der Himmel blau ist?“ und hat die Phänomene dann erklärt und oft mit kleinen Handexperimenten verdeutlicht. Mit einem Blatt Papier zeigt er beispielsweise, warum ein Segelschiff gegen den Wind fahren kann. Von da war der Weg für Auftritte vor einer größeren Öffentlichkeit nicht weit. Beim ersten Kulturmarkt der Stadt Stuttgart im Jahr 2000 überlegten Prof. Tilman Pfau und auch Wolf Wölfel, was man dazu beitragen könnte. Herausgekommen sind Physikpräsentationen am Wochenende auf dem Schlossplatz. „Wir hatten einen riesigen Erfolg, immer stand eine große Traube von Menschen um uns.“ Im Jahr der Physik 2004 organisierten dann die Stuttgarter Physiker unter der Leitung Pfaus die Highlights der Physik. Im Pavillon am Schlossplatz präsentierte Wölfel eine Woche lang täglich eine halbe Stunde physikalische Experimente und weckte große Begeisterung beim Publikum.
Zauberei, aber ohne Geheimnisse
Auch wenn seine Vorführungen auf den ersten Blick wirken wie Zauberei, im Gegensatz zu Zauberern, für die das Geheimnisvolle eine große Rolle spielt, legt Wolf Wölfel Wert darauf, die Phänomene genau zu erklären. Die Menschen sollen das zunächst Verblüffende verstehen und Spaß an der Physik haben. Er vergleicht es mit dem Besuch der Oper oder einem Spaziergang in der Natur: „Je mehr man von Musik versteht oder Pflanzen erkennt, desto mehr kann man dies genießen. Zudem verlieren die Leute so die Angst vor Physik.“ Die wird vor allem dem weiblichen Geschlecht nachgesagt. Noch immer sind nur 15 Prozent der Physikstudierenden an der Uni Stuttgart Frauen, nur langsam werden es mehr.
Ein Kaleidoskop von Aufgaben
Zu Wölfels vielseitigen Tätigkeiten zählen neben der Leitung des Praktikums auch die Mitgliedschaft im Fakultätsrat und der Studienkommission. Er ist bei der Entwicklung der Studienpläne beteiligt und aktuell bei der Gestaltung der Umstellung auf Bachelor und Master. Für den Fachbereich Physik erstellt er den Stundenplan und ermittelt, wie viele Studienanfänger aufgenommen werden können. Jedes Jahr beginnen rund 170 Studierende die verschiedenen Studiengänge im Bereich Physik. Auch Studienberatung zählt zu Wölfels Aufgaben, und da dies für die Betroffenen schließlich sehr wichtig ist, nimmt sich Wölfel entsprechend Zeit dafür und erfüllt diese Aufgabe „nicht mal eben“.
Wölfel nimmt auch an den Treffen der Fachbereiche Physik deutscher Universitäten teil. Er schließt sich der Meinung des Gremiums an, dass für Schüler objekt-bezogenes Lernen besser wäre und dem entsprechend das Studium reformiert werden müsste. „Gut wäre es, die Lehrerausbildung zu zentrieren, um dann an wenigen Unis besser ausbilden zu können“, meint Wölfel, doch er weiß um die Hürden, die auf dem Weg dahin stehen. Zudem ist der Physiker der Überzeugung, dass vor allem die Studierenden im Grundstudium, mehr von einem hauptberuflich für die Lehre eingestellten Dozenten profitieren würden.
Ganz unabhängig von seiner Stelle als Akademischer Direktor hat Wölfel vor einem Jahr noch einen Lehrauftrag angenommen. Seit Jahren schon lehrt er Experimentalphysik an der Hochschule Esslingen. Deshalb kam man schnell auf ihn, als jemand gesucht wurde, der an der Uni die zweisemestrige Vorlesung Experimentalphysik für Ingenieure und Naturwissenschaftler im Grundstudium hält. Und damit nicht genug. Mit anderen Wissenschaftlern der Uni betreibt er in Zusammenarbeit mit verschiedenen Einrichtungen eine „Kinder-Uni“ im Kleinen und er ist seit vielen Jahren Juror bei „Jugend forscht!“.
Viele kleine Schritte führen zum Ergebnis
Eine wichtige Aufgabe ist für den Physiker auch die Mitarbeit im Senat der Universität Stuttgart. Seit 1995 ist er gewähltes Senatsmitglied. Gemeinsam mit Ulrich Gemkow und Susanne Becker vertritt er im Senat den akademischen Mittelbau. Für diese Arbeit sind meist viele Gespräche notwendig, man stimmt sich bei wichtigen Entscheidungen ab mit den Kollegen, den anderen Vertretern des Mittelbaus und weiteren Senatsmitgliedern. „Oft finden Diskussionen über ‚Kastengrenzen’ hinweg statt. So findet man Mehrheiten und im Gedankenaustausch mit anderen schärft man sein eigenes Urteil“, sagt Wölfel, „ganz wichtig ist mir die Transparenz der Abläufe. Wir müssen offene Diskussionen führen, keine Machtspiele.“ Wölfel gibt zu, dass dies etwas idealistisch gedacht ist. Durch seine jahrelange Gremienarbeit in verschiedenen Gebieten hat er sich eine hohe Akzeptanz erarbeitet.
„Für all diese Aufgaben braucht man Geduld, doch viele kleine Schritte führen zum Ergebnis“, so Wölfel. Wenn es auf einer „Baustelle“ nicht weitergeht, hat er noch genügend andere Betätigungsfelder, die er weiter vorantreiben kann. Doch wie tankt er die Energie für seine zahlreichen Aufgaben? „Leuchtende Kinderaugen, motivierte Studenten und Spaß an der Arbeit“, ist seine Antwort, „zudem habe ich ein sehr kollegiales Umfeld und niemanden, der mir reinredet, ich erfahre viel Anerkennung und das motiviert.“
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Für zahlreiche Aufgaben engagiert > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >
Menschen an der Universität
Eine Universität wird lebendig durch die Menschen, die dort tätig sind. Menschen bilden den Nachwuchs für Führungsaufgaben in der Gesellschaft aus, forschen in den unterschiedlichsten Disziplinen, sorgen für reibungslose Abläufe in der Verwaltung, studieren Fächer ihrer Wahl oder – engagieren sich im Senat und präsentieren ihren Fachbereich auf spannende Weise einer breiten Öffentlichkeit: Im vierten Teil unserer Serie stellen wir den Physiker Dr. Wolf Wölfel vor.
Dr. Wolf Wölfel, 1946 im Allgäu geboren, studierte ab 1966 an der damaligen Technischen Hochschule Stuttgart Physik. Von 1974 bis 1978 promovierte er und wollte zunächst eine postdoc-Stelle in den USA bei IBM in San José anehmen. Doch die Universität Stuttgart bot ihm die Stelle als Akademischer Direktor am Physikalischen Institut an, die ihn sehr reizte. Deshalb und aus familiären Gründen entschied er, hier zu bleiben. Neben seiner Tätigkeit als Leiter des Physikalischen Praktikums für Fortgeschrittene, sitzt er seit 1995 als gewähltes Mitglied im Senat. Zudem präsentiert er beim Tag und der Langen Nacht der Wissenschaft seine Physik-Show, die aus dem Programm nicht mehr wegzudenken ist. Neben administrativen Aufgaben beim 4. Physikalischen Institut ist Wölfel auch zuständig für das Foto- und Grafiklabor. Er interessiert sich auch privat sehr für Fotografie. Mittlerweile hat er dieses Hobby so perfektioniert, dass er über seine zum Teil spektakulären Reisen, wie zum Beispiel jüngst quer durch Alaska, öffentliche Diavorträge hält.
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