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Die Sitzplätze im Senatssaal in der Keplerstraße waren alle besetzt und auch Stehplätze waren Mangelware, als Dr. Karin Thöne, Gleichstellungsbeauftragte der Universität Stuttgart, die Veranstaltung eröffnete. Um Mädchen für ein naturwissenschaftlich-technisches Studium zu begeistern, wurden an der Uni Stuttgart der „Girls Day“ und vor nunmehr fast zehn Jahren das Programm „Probiert die Uni aus!“ ins Leben gerufen. „Die jahrelange Aufbauarbeit hat Früchte getragen“, konnte Karin Thöne angesichts steigender Studentinnenzahlen in der Elektrotechnik, der Informatik, Physik, Luft- und Raumfahrttechnik sowie dem Maschinenwesen berichten. Studentinnen mit Führungsambitionen und Nachwuchswissenschaftlerinnen unterstützt die Uni Stuttgart, indem sie sich am Careerbuilding-Programm „Femtec.Network“ beteiligt und ein eigenes „Mentoring Programm für Frauen in Wissenschaft und Forschung“ anbietet. Eine virtuelle Praktikumsbörse in Zusammenarbeit mit der IHK-Stuttgart soll Studentinnen der Ingenieur-, aber auch der Geisteswissenschaften zu Praktika, Diplom- oder Doktorarbeiten in der Industrie verhelfen; schließlich sind Betreuungsplätze für unter Dreijährige geplant. „Wir haben das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft, sind aber schon sehr vielfältig aktiv“, zog Karin Thöne ein vorläufiges Resümee.
Unverzichtbar: gut ausgebildete Frauen
Frauen haben auf dem Arbeitsmarkt noch immer nicht die gleichen Chancen wie die Männer. Führungspositionen würden ab einer bestimmten Stufe über (Männer)Netzwerke vergeben, und das Denken der Frauen sei nicht immer karrieregerichtet, monierte Edith Köchel, Leiterin des Referats Frauen-Wirtschaft-Technik im Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg. Die Anzahl der Frauen in Führungspositionen in Baden-Württemberg liege unter dem bundesdeutschen Durchschnitt, dabei könne man gerade im Land der Patente und Zukunftstechnologien nicht auf gut ausgebildete Frauen verzichten. „Es muss ein Mentalitätswechsel in den Köpfen von Männern und Frauen stattfinden“, forderte Köchel. „Ich begrüße die Maßnahmen zur Förderung von Frauen an der Hochschule und unterstütze sie“, sagte der Uni-Rektor Prof. Wolfram Ressel: „Wir können stolz sein auf das, was erreicht wurde.“ Mit derzeit vier Prozent Professorinnen sei man von den angestrebten zehn Prozent zwar noch weit entfernt, für eine naturwissenschaftlich-technische Uni sei dieser Prozentsatz aber gar nicht so schlecht. Die Gleichstellung an der Uni voranzubringen hat sich Ressel für seine Amtszeit vorgenommen: „Die Hochschulen müssen sich als Bildungs- und Forschungseinrichtung dieser Herausforderung stellen.“
Keine Frage der Fairness
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Ausgeschöpft ist das Potential noch lange nicht, sagte Dr. Karin Thöne (Mitte), hier im Gespräch mit Dr. Grit Krüger, Leiterin einer Entwicklungsabteilung bei der Siemens AG (links), und Ute Gindl, Leiterin einer Entwicklungsabteilung bei der IBM Deutschland GmbH. (Foto: Eppler)
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„Frauen in Führungspositionen, das ist keine Frage der Fairness oder politischer Korrektheit, sondern eine Notwendigkeit“, betonte Prof. Helga Rübsamen-Waigmann in ihrem Vortrag „Karrierewege heute und morgen: Der Arbeitsmarkt von Akademikerinnen in der industriellen Forschung“. „Monokulturen können nicht überleben“, erklärte die Managerin des Jahres 2004, die bis vor kurzem Leiterin der Antiinfektiva-Forschung bei der Bayer AG war und aktuell Geschäftsleiterin der Firma AiCuris ist. Und, Frauen brächten Kreativität, Visionen und Einfallsreichtum in ein Unternehmen ein sowie einen teamorientierten, durch Motivation geprägten Führungsstil. In der abschließende Podiumdiskussion, sprachen Dr. Barbara Unteutsch, Leiterin des Gleichstellungsreferats der Uni Stuttgart, sowie die Projektleiterin des Mentoring-Programms, Dr. Carmen Eccard, mit Expertinnen aus der Industrie.
Mädchengymnasium, Promotion, Karriere
Die männliche Überzahl während ihres Elektrotechnik-Studiums an der Berufsakademie hat Ute Gindl nicht geschreckt. An einem reinen Mädchengymnasium entdeckte die Managerin für Softwareentwicklung bei der IBM Deutschland GmbH einst ihr Interesse für Mathe, Chemie und Physik. Dr. Grit Krüger, Leiterin einer Entwicklungsabteilung bei der Siemens AG in Regensburg, hat in Rostock Schiffsmaschinenbau studiert. Als Vorbilder dieser Zeit nannte sie die Labor-Ingenieure, die „mich unter ihre Fittiche genommen haben“ und ihr zeigten, wie etwas geht. Nach dem Studium der Elektrotechnik in Italien promovierte Dr. Maria Rimini-Döring an der Uni Stuttgart in der Physik. Heute arbeitet sie als Forschungsingenieurin bei der Robert Bosch GmbH. Des „breiten Programms wegen“ begann sie dort einst als Trainee und ist dem Unternehmen, das ihr während der Kinderpause entgegenkam, bis heute treu geblieben. „Immer vor Augen haben, was habe ich vor, welche Partner brauche ich, welche Mentoren“, so ging Maria Rimini-Döring ihre Karriere an. „Eine höhere Ausbildung ist immer eine gute Investition in die Zukunft“, sagte Grit Krüger, der ihre Promotion den Einstieg erleichterte. Heute selbst mit Einstellungen betraut, gibt sie jedoch nicht unbedingt „dem Doktor“ den Vorzug. Es zähle vielmehr, was die Leute können und was gebraucht wird. „Zugreifen“, riet Ute Gindl, wenn sich ein Auslandsaufenthalt anbietet, und hinsichtlich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie verriet sie ihr „Steckenpferd“: Wer auf eine Teilzeitstelle wechselt, sollte weiter an anspruchsvollen Projekten mitarbeiten können. „Eine Karriere in der Forschung ist immer reizvoll“, betonte Maria Rimini-Döring: „Die Möglichkeit zu gestalten, ist das Schönste, was es gibt.“
Julia Alber
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