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Neue Modelle für Regelenergie- und Spotmärkte  > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >
Entscheidungshilfe für Stromhändler

Nach der Deregulierung der Elektrizitätsmärkte stehen Netz- und Kraftwerksbetreiber vor neuen Planungsaufgaben unter unsicheren Rahmenbedingungen. Im Rahmen seiner Dissertation*) am Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung entwickelte Derk Jan Swider Modelle, die bei komplexen Entscheidungen im Stromhandel unterstützen. Die Arbeit wurde mit dem Theodor-Wessels-Preis für herausragende wissenschaftliche Arbeiten in den Bereichen Energiewirtschaft und Energiepolitik ausgezeichnet.

Elektrizität kann bekanntlich nur begrenzt gespeichert werden. Deshalb müssen Erzeugung und Nachfrage ständig in ein Gleichgewicht gebracht werden. In Deutschland wird diese Aufgabe heute von den vier großen Übertragungsnetzbetreibern (RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall) wahrgenommen. Die dafür erforderliche Regelenergie, bestehend aus Primär-, Sekundär- und Minutenreserve, wurde in der Vergangenheit durch einen Kraftwerksbetreiber innerhalb des jeweiligen Konzerns bereitgestellt. Seit der Liberalisierung des Strommarktes jedoch haben die Netzbetreiber internetbasierte Beschaffungsmärkte etabliert, an denen sie als Nachfrager für Regelenergie auftreten, die von Kraftwerksbetreibern beziehungsweise Stromhändlern angeboten wird.

  Eine Besonderheit beim Handel mit Regelenergie ist nun, dass die Netzbetreiber eine konstante - und damit preisunelastische – Reserveleistung vorhalten müssen, die für den Ausgleich von Leistungsbilanzabweichungen tatsächlich erforderliche Regelarbeit jedoch im Voraus nicht bekannt ist. Aus dieser Unterscheidung zwischen Leistungs- und Arbeitsnachfrage ergibt sich eine zweiteilige Preisstellung. So fallen bei der Sekundär- und Minutenreserve Kosten für die Vorhaltung der Reserveleistung und für den späteren Arbeitseinsatz an, die unterschiedlich vergütet werden. Für die Primärreserve dagegen wird nur ein Leistungspreis vergütet.  

Netz- und Kraftwerksbetreiber

 

An Regelenergie- und Spotmärkten kämpfen Netz- und Kraftwerksbetreiber mit vielen Unbekannten. Ein am IER entwickeltes Modell hilft bei der richtigen Ent-scheidung.                                                          (Foto: e.on)

Simultane Planung erforderlich

Vor diesem Hintergrund kommt der simultanen Kraftwerkseinsatz- und Handelsplanung eine wachsende Bedeutung zu. Die von den Netzbetreibern benötigten Reserveleistungen werden für die Primär- und Sekundärreserve in sechsmonatigen, für die Minutenreserve in täglichen Ausschreibungen beschafft. Bei der Minutenreserve handelt es sich somit um einen so genannten Day-Ahead-Auktionsmarkt, der mit dem deutschen Spotmarkt für Elektrizität, der European Energy Exchange, in Wechselwirkungen steht. Auf einem solchen Markt stellt sich für den Kraftwerksbetreiber die Frage, wie er die für die Minutenreserve technisch geeigneten Erzeugungskapazitäten ohne Kenntnis des künftigen Marktpreises und der tatsächlich zu leistenden Arbeit gewinnmaximal anbieten kann. Die Netzbetreiber dagegen müssen aus den eingestellten Angeboten die kostengünstigsten auswählen. Dabei kennen sie zwar die erforderliche Regelleistung, nicht aber den eigentlichen Bedarf an Regelarbeit.  

  Zur Lösung des Dilemmas untersuchte Swider die Wechselwirkungen des Regelenergiehandels und entwickelte daraus stochastische Optimierungsmodelle. Preis- und Nachfragerisiken werden mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen berücksichtigt, die aus historischen Daten abgeleitet sind. Die Ableitung erfolgt mittels ökonometrischer Ansätze. Dabei zeigte sich, dass erst die Anwendung moderner statistischer Methoden, die eine Abweichung von der üblicherweise angenommenen Normalverteilungshypothese der Preisverteilungen berücksichtigen können, eine ausreichende Modellierung und somit eine zufriedenstellende Prognose erreicht werden kann. Der im Voraus unbekannte Bedarf an Regelarbeit wird mit Hilfe stochastischer Verfahren auf der Basis bekannter Vergangenheitswerte integriert. Auf der Bieterseite erlauben es entscheidungstheoretische Ansätze, bei unsicheren Marktpreisen und Angebotsmöglichkeiten am Regelenergie- und Spotmarkt die Gebotsstrategien zu finden, so dass das Unternehmen am Ende eine Zuschlag erhält und dabei einen möglichst hohen Gewinn erzielt. Die Anwendbarkeit dieser Ansätze weist Swider anhand exemplarischer Fallstudien nach. Durch den grundlegenden Charakter der Methoden lassen sie sich auf vergleichbare Märkte in anderen Wirtschaftszweigen übertragen.

amg

*) Swider, Derk Jan: Handel an Regelenergie- und Spotmärkten, Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden 2006, 212 Seiten, Euro 49,90.

 

 

 

KONTAKT

 
                                                                      
Dr. Derk Jan Swider
Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung
Abteilung Energieanwendung und Energiemanagement
Tel. 0711/685-87851
Fax 0711/685-87873
e-mail: djswider@ier.uni-stuttgart.de

 


 

 

 
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