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Was die Biologie seit jeher kennt und beim Auto als besonders innovativ gilt, wird zunehmend auch im Management propagiert: Hybrid-Konzepte. Welche Chancen die Kombination zweier oder mehrerer gegensätzlicher Komponenten in Unternehmen eröffnet und wo die Schwierigkeiten stecken, wird am Betriebswirtschaftlichen Institut, Lehrstuhl Organisation, der Uni untersucht.
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So ungewöhnlich Hybride in natura sein können, so vielfältig ist auch ihr Auftreten in der Unternehmenswelt. Oft ist dabei explizit von Hybridmodellen die Rede, etwa bei hybriden Produktangeboten (kombinierte Sach- und Dienstleistungen), hybriden Organisationsformen (kombinierte marktorientierte und „hierarchische“ Vertragsformen), hybriden Wettbewerbsstrategien (kombinierte Kosten- und Leistungsvorteile) und Hybridkapital (kombinierte Eigenkapital- und Fremdkapitaleigenschaften). Mitunter ist der Hybridcharakter jedoch nur implizit aus der Bezeichnung ablesbar, so etwa bei Dialektik (als Methode im strategischen Management), Heterarchie (Kombination mehrerer gegenläufiger Hierarchien), Blending (zum Beispiel Blended Learning), Public-Private-Partnerships oder Matrix-Organisation (Kombination von Funktions- und Geschäftsverantwortung). Bei einigen Konzepten schließlich lässt sich der hybride Charakter lediglich aus dem Konzeptnamen erahnen, der recht kontrastreiche Bestandteile enthalten kann: „Organisierte Anarchie“, „Mass Customization“ (maßgeschneiderte Massenproduktion), „produzierende Dienstleister“, „Intrapreneuring“ (angestellte Unternehmer) oder „Brick & Click-Unternehmen“ (Kombination von Filial- und Onlinevertrieb) sind nur einige Beispiele für derartige, oft von Neologismen gekennzeichnete Wortkonstruktionen. Nicht die Reinformen (zum Beispiel Kostenführerschafts- oder Differenzierungsstrategie), sondern die Mischformen bilden den Fokus all dieser Management-Konzepte.
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Evaluation eines hybriden Konzepts am Beispiel eines Multichannel-Vertriebssystems.
(Grafik: Institut) |
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Mischformen sind attraktiv, weil sich mit ihnen ein Ausgleich der Schwächen und darüber hinaus eine Kopplung der Stärken von Reinformen erzielen lässt. Das Mischungsparadigma für Hybride geht deshalb über die klassische Portfolio-Mischung hinaus und ähnelt eher dem Mischungsansatz des Diversity Managements. Dieser besagt „kulturelle Vielfalt erzeugt Synergien“. Schaut man jedoch kritischer hin, so lautet die vollständige Kombinationslogik eher: „Die enge Kopplung von Komponenten mit gegensätzlichen Eigenschaften erzeugt sowohl komplementäre als auch konfliktäre Wechselwirkungen.“ Neben dem Ausgleich von Schwächen und der Koppelung von Stärken müssen deshalb realistischerweise auch mögliche unproduktive Konflikte und Reibungsverluste zwischen den Gegensätzen einkalkuliert werden.
Welchen Stellenwert die jeweiligen positiven und negativen Wirkungen besitzen, hängt zum einen von der Architektur der Mischung ab. Hierbei kommt es auf den Grad der Überlagerung beziehungsweise auf die Entzerrung der kombinierten Komponenten an. Zum zweiten spielt der Grad der Gegensätzlichkeit eine große Rolle. So ist beispielsweise eine Kunden-Produkt-Matrix weniger gegensätzlich angelegt als die Funktion-Produkt-Matrix. Dies hat zur Folge, dass zwischen den Funktions- und den Produktverantwortlichen meist intensivere Konflikte auftreten als zwischen den für Kundengruppen und den für Produktgruppen verantwortlichen „General Managers“. Von großer Bedeutung ist schließlich das Potential zur Handhabung der Komplexitäten innerhalb des jeweiligen Kontextes. So wirken sich die Spannungen in einer Matrix-Organisation dann besonders negativ aus, wenn das Thema „Konfliktfähigkeit“ unter den Mitarbeitern ein Fremdwort ist.
Michael Reiss/amg
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