„Geophysik ist die Erforschung des Inneren der Erde mit den Methoden der Physik“, erklärte Institutsdirektor Prof. Manfred Joswig den rund 40 Besuchern des Kolloquiums. Den Anfang der Geophysik in Deutschland markiert das Jahr 1889: Damals registrierten Potsdamer Wissenschaftler erstmalig ein Fernbeben in Japan. Vier Jahre später richtete Karl Mack die Erdbebenwarte Hohenheim ein, denn „Baden-Württemberg ist Erdbebenland“, sagte Manfred Joswig. Im Jahr 1929 zog die Erdbebenstation in die Villa Reitzenstein und gehörte nun zur meteorologischen Abteilung des Statistischen Landesamtes von Württemberg. Nach dem Krieg wurden landesweit neue Erdbebenstationen eingerichtet; 1962 schließlich entstand das Institut für Geophysik unter Wilhelm Hiller. Sieben Jahre später übernahm die Universität die alleinige Verantwortung für den Landeserdbebendienst, der allerdings 1993 zum Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau nach Freiburg ausgegliedert wurde.
Im Einsatz für die Vereinten Nationen
Seit 2005 hat Manfred Joswig die Professur für „Technische Geophysik“ inne. In Fachkreisen genießt das Stuttgarter Institut, so Joswig, aus den Zeiten des Landeserdbebendienstes hohes Ansehen. An der Uni selbst dagegen werde die Geophysik oftmals unterschätzt.
Die neuen Forschungsschwerpunkte des Instituts liegen auf dem „Geoscience Data Mining“ und dem „Nanoseismic Monitoring“. So haben Stuttgarter Geophysiker ein seismisches Mikroskop entwickelt, mit dem sie feststellen können, ob kleinste Nachbeben noch Wochen später einen versteckten, unterirdisch gezündeten Atombombentest verraten – eine Technologie, die die Vereinten Nationen nutzen. Zudem betreibt das Institut, gemeinsam mit der Geodäsie und der Uni Karlsruhe, das „Black Forest Observatory“ in Schiltach, eines der fünf besten weltweit. In dem Stollen einer ehemaligen Silbermiene testet etwa die Europäische Weltraum Agentur die Seismometer für ihre Marsmission.
Modellflugzeuge für die Wissenschaft
„Modellflugzeuge im Einsatz für die Wissenschaft“ lautete das Thema von Wolfgang Schäpers Vortrag beim Festkolloquium. Seit seiner Kindheit beschäftigt sich der Ingenieur aus Friedrichshafen mit Modellflugzeugen. Kaum hatte er 1999 mit einem Solarmodellflugzeug seinen ersten Höhenweltrekord geflogen, meldete sich die Wissenschaft: Für die Stuttgarter Geophysik etwa machte Schäper Luftaufnahmen in den Alpen – alles von Bord seiner kleinen Flieger aus. Erst in diesen hochauflösenden Bildern lassen sich Risse von Hangrutschungen erkennen, die mittels Nanoseismic Monitoring als Kleinstbrüche gemessen werden. Beides hilft den Stuttgarter Wissenschaftlern in der DFG-Forschergruppe „Großhang“.
Wilfried Linder von der Universität Düsseldorf sprach über „Photogrammetrie mit Amateur-Kameras – moderne Technologie für Jedermann“. Bei der Photogrammetrie „geht es also, knapp gesagt, um das Messen in Bildern“, erklärte Linder. Die Vermessung von abgebildeten Objekten wird, dank moderner Technik, immer günstiger und für die Geophysik daher immer wichtiger. Zum Abschluss referierte Carsten Wiedemann von der Technischen Universität Braunschweig über „Grenzen der Fernerkundung – der Einsatz von Spionagesatelliten“. Das Kolloquium zeigte eines ganz besonders: Geophysik verbindet, über die Disziplinen hinweg.
Verena Schickle
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