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Bei vielen praktischen Fragen, ob etwa in der Automobilindustrie, im Straßenbau, Hausbau oder in der Medizin, ist die Akustik heute ein wichtiges Entscheidungskriterium. Das Themenspektrum der Tagung erstreckte sich demzufolge von der Audiotechnik und Baustatik über Fahrzeugakustik und Lärmschutz bis hin zu technischer und medizinischer Akustik, der Sprachverarbeitung und Ultraschall. Angesichts über 500 angemeldeter Beiträge – so vielen wie noch nie bei einer DAGA in Deutschland – sprach Prof. Schew-Ram Mehra, stellvertretender Direktor des Lehrstuhls für Bauphysik, von einem „besonderen Tag für Stuttgart“. Der Rektor der Uni Stuttgart, Prof. Wolfram Ressel, der als Leiter des Lehrstuhls für Straßenplanung und Straßenbau am Institut für Straßen- und Verkehrswesen zugleich auch als Wissenschaftler an der Tagung beteiligt war, ergänzte: „Dass die Tagung nun zum dritten Mal in Stuttgart stattfindet, unterstreicht die Bedeutung des Standorts für die internationale Akustik-Forschung.“ Für den Akustik-Nachwuchs ist die DAGA das Podium, auf dem Doktoranden ihre Ergebnisse präsentieren und Diplomanden über ihre ersten Gehversuche auf dem akustischen Parkett berichten können. Das erstmals auf der DAGA in Stuttgart stattgefundene organisierte Treffen von Studierenden und Doktoranden wertete Mehra als ein „Zeichen dafür, dass die künftigen Akustiker sich auf viele Fragen und Probleme, die sie morgen zu beantworten und zu lösen haben, bereits heute vorbereiten“.
Sprachverarbeitung und Sounddesign
Mit vielen Fragen und Problemen werden sich künftige Akustiker zu beschäftigen haben, wenn es darum geht, unerwünschten Schall zu reduzieren, erwünschten zu erzeugen und diesen gegebenenfalls noch auf die Erwartungen des Menschen hin zuzuschneidern. „Unser Ziel ist es nicht, Geräusche unhörbar zu machen“, erklärte Prof. Hugo Fastl, Präsident der DEGA, Töne vermitteln auch Informationen, wie etwa das „Klick“ des Auslösers beim Fotoapparat oder das „Tack, Tack“ des aktiven Blinkers. Da moderne Geräte kaum noch über mechanische Teile verfügen, die Geräusche produzieren, müssen heute viele Töne sogar elektrisch erzeugt werden. Zumal akustische Eigenschaften auch ein Kaufkriterium sind: Man denke nur an den Sportwagen mit passendem Klangbild. Auch für die Sprachverarbeitung im Auto heißt es „Wie hätten Sie es gerne?“ Darf es ein Navigationssystem der kurzen, knappen Anweisungen sein oder doch eher die höfliche, vorausschauend informierende Version?
Temporärer Lärmschutz
Ob dauerhaft oder temporär – Lärm stört. „Allein in Baden-Württemberg sind rund 25 bis 30 Prozent der Belästigungen auf temporäre Lärmquellen zurückzuführen“, weiß Prof. Schew-Ram Mehra. Baustellen, Umleitungsstrecken oder auch Sportveranstaltungen, der Lärmschutz an diesen Orten wurde bislang vernachlässigt. Nicht so am Lehrstuhl für Bauphysik der Uni Stuttgart. Zusammen mit Kollegen des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik hat man sich dort der Thematik „temporärer Lärmschutz“ angenommen. Das Ergebnis steht jetzt kurz vor der Marktreife: selbsttragende, aufblasbare Elemente aus Folien oder Membranen, die an überdimensionierte Matratzen erinnern. Gefüllt werden sie ganz einfach mit Luft, das macht die Elemente leicht. Zudem sind sie schnell auf- und abzubauen. Je nach Größenbedarf können mehrere Luftkammern durch elastische Verbindungsstege miteinander verbunden werden. Um Form und Stabilität in aufgeblasenem Zustand zu erhalten, eine zusätzliche Tragekonstruktion ist in der Regel nicht erforderlich. Mit Schall-Dämmwerten von über 20 Dezibel steht dieser temporär einsetzbare Lärmschutz in seiner akustischen Wirksamkeit den herkömmlichen Systemen nicht nach. Darüber hinaus ist er mit einem Preis von rund 100 Euro pro Quadratmeter sogar deutlich günstiger als Lärmschutzwände aus Holz, Beton oder Metall, die rund 300 Euro und mehr pro Quadratmeter kosten. „Wir haben uns eine Erleichterung mit günstiger Kosten-Nutzen-Relation zum Ziel gesetzt“, erklärt Dr. Phillip Leistner, Leiter der Abteilung Akustik des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik. Jetzt gilt es, nur noch Anbieter und Zulieferer zu finden, damit die Zeit des temporären Lärmschutzes eingeläutet werden kann.
Den Lärm an der Wurzel packen
Straßenverkehr ist die Lärmquelle Nummer eins. Zum Schutz wird zumeist auf passive Maßnahmen zurückgegriffen, wie Lärmschutzwälle oder -fenster. „An die Lärmquelle direkt heranzugehen, hat man sich erst spät getraut“, erklärte Prof. Wolfram Ressel. An seinem Lehrstuhl für Straßenplanung und Straßenbau widmet man sich genau der Kontaktstelle zwischen Straße und Reifen, dort, wo der Lärm entsteht. Geforscht wird an einer optimierten Fahrbahndecke und optimal modellierten Reifen, um so Fahr- und Rollgeräusche zu reduzieren und dem Ziel der „leisen Straße“ näher zu kommen. „Das zweitgrößte Umweltproblem nach dem CO2 ist der Lärm“, betonte Ressel und kündigte in seiner Funktion als Rektor an, in absehbarer Zukunft an der Uni Stuttgart einen neuen Lehrstuhl für Akustik zu schaffen, der möglichst interdisziplinär zusammengesetzt sein werde. Traditionell ist die Akustik in Stuttgart etabliert und heute in sechs der zehn Fakultäten der Universität sowie in außeruniversitären Forschungseinrichtungen verankert.
Auf der begleitenden Ausstellung präsentierten sich rund 40 Unternehmen ihre Angebote rund um die Akustik und der Lehrstuhl für Bauphysik informierte über seinen neuen Weiterbildungsstudiengang, den „Master Online Bauphysik“. Abwechslungsreiche Exkursionen – alle unter dem Aspekt der Akustik – führten zu einem Orgelkonzert in der Stuttgarter Stiftskirche, zu Akustikprüfständen bei DaimlerChrylser, der Fahrzeugakustik des Forschungsinstituts für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren Stuttgart (FKFS) sowie in die Akustik-Labors des Fraunhofer-Institus für Bauphysik.
Julia Alber
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