Passt Germanistik zu mir?
Meine Fähigkeiten
Germanistinnen und Germanisten beschäftigen sich mit geschriebenem und gesprochenem Deutsch in allen Ausprägungen. Wer viel und gerne liest, darauf achtet, wie bestimmte Dinge gesagt oder Geschichten erzählt werden, und sich dafür interessiert, warum Autorinnen und Autoren ihre Erzählung in dieser und nicht jener Form geschrieben, dieses und nicht jenes Wort verwendet haben, ist in der Germanistik genau richtig. Bei uns darf man sich intensiv mit literarischen und anderen Texten sowie mit Forschungsliteratur beschäftigen. Die thematische Vielfalt ist in der Germanistik groß, sodass man auch die Bereitschaft mitbringen muss, sich immer wieder mit ganz neuen Fragestellungen auseinanderzusetzen. Dabei sollte man sich nicht scheuen, über den germanistischen Tellerrand hinauszublicken und sich zum Beispiel mit der Philosophie der Aufklärung oder der Geschichte höfischen Lebens zu beschäftigen. Und auch aktuelle Medien wie Comics, Popsongs und Literaturverfilmungen werden im Studium diskutiert.
Germanistik ausprobieren?
Sie möchten wissen, mit welchen konkreten Themen Sie sich im Studium der Germanistik beschäftigen werden?
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Meine Interessen
Im Studium sind Sie kontinuierlich mit komplexen (Fach-)Texten konfrontiert. Das heißt Sie werden viel Zeit und Geduld für das Lesen, Verstehen und Schreiben aufbringen. Unentbehrlich dafür ist eine Leidenschaft und eine Faszination für die deutsche Sprache und literarische Texte. Macht es Ihnen Freude, Mehrdeutigkeiten und unterschiedliche Lesarten zu entdecken? Diskutieren Sie gerne mit anderen darüber, wie eine Erzählung zu verstehen ist und was dieses oder jenes in der Erzählung eigentlich zu bedeuten hat? Gehen Sie gerne ins Theater, oder besuchen Sie gerne Poetry Slams?
Denkweisen und Handwerkszeug in der Germanistik
Die Germanistik ist eine theoriegeleitete Wissenschaft. Sie werden im Studium lernen, wie Sprache und Texte formal beschrieben werden können und wie Ihnen analytische Begriffe dabei helfen, sprachliche Phänomene zu entdecken, zu beschreiben und zu erklären. Das ist die Grundlage dafür, um in den Seminaren oder in eigenen Forschungsarbeiten strukturiert über Sprache bzw. sprachliche Phänomene zu diskutieren. Um Literatur zu verstehen, ist es unabdingbar, den kulturellen Kontext und die historische Situation heranzuziehen. Wie das Verhältnis von Literatur und Gesellschaft zu verstehen ist, auch darüber denkt die Literaturwissenschaft nach
Forschungsfragen
Werfen Sie einen Blick auf die Beispiele aus unserer Forschung – finden Sie diese interessant?
Was Prof. Dr. Daniel Hole, Leiter des Instituts für Linguistik, besonders an seinem Fach reizt, ist, dass er hinter der Vielfalt die Einheit der Sprachen entdecken kann. Er tut das anhand des Chinesischen, Vietnamesischen, Deutschen und anderer Sprachen und anhand von Phänomenen, die auf den ersten Blick vielleicht trocken oder unbedeutend wirken mögen: Kasus, Kongruenz, Reflexivpronomina, indirekte Objekte und vieles andere mehr. Prof. Hole sieht sich als Teil einer weltweiten Forscher*innen-Community, die gemeinsam daran arbeitet, hinter der Sprache den Geist zu entdecken.
Ein Gebiet, das Prof. Hole gerade besonders interessiert, ist die sprecherorientierte Bedeutung. Mit diesem Begriff bezeichnet man die Tatsache, dass viele Wörter und Konstruktionen implizit etwas über Einstellungen und Gefühle des Sprechers aussagen. Ein Beispiel wäre der Kontrast zwischen den beiden Sätzen (i) Bienen schwirren im Garten und (ii) Der Garten schwirrt vor Bienen. Es lässt sich sehr klar zeigen, dass Satz (ii) gegenüber Satz (i) immer ein Erstaunen und eine Einschätzung des Sprechers ausdrücken, dass das Schwirren auf zu präzisierende Weise „viel” ist.
Prof. Hole sieht sich auch als Mittler zwischen verschiedenen linguistischen Schulen und hat zudem in den vergangenen Jahren in Stuttgart einen neuen Schwerpunkt in der Gebärdensprachlinguistik aufgebaut.
Der Minnesang, die Liebeslyrik des deutschen Mittelalters, ist in Handschriften überliefert. Jede Handschrift ist ein Unikat, und so sehen die Liedtexte in jedem Manuskript anders aus. Die Varianz beginnt bei der Schreibung der Wörter und setzt sich über deren Bestand und ihre Anordnung im Satz fort bis hin zur Zahl und zur Folge der Strophen. Es kann sogar vorkommen, dass ein Lied unterschiedlichen Autoren zugeschrieben wird.
Die herkömmlichen gedruckten Editionen müssen diese Vielfalt der Überlieferung reduzieren, da sie an jene Vorgaben gebunden sind, die der Umfang der Seite und des Buchs machen. Deshalb arbeitet Prof. Dr. Manuel Braun seit 2017 an dem Forschungsprojekt „Lyrik des deutschen Mittelalters“ mit, das auf insgesamt neun Jahre angelegt ist und das den gesamten Minnesang in einer digitalen Edition frei zugänglich machen wird. Als Digitalisate sind die Handschriften jetzt unmittelbarer Teil der neuen elektronischen Edition. Außerdem werden jetzt alle Handschriften ediert, und die entsprechenden Texte können direkt nebeinander gestellt und miteinander verglichen werden.
Das Interview ist eine relativ junge Textsorte, die seit ihrer Erfindung im 19. Jahrhundert eine steile Karriere hinter sich hat. Mittlerweile stellen Interviews einen festen Bestandteil des Literaturbetriebs dar: Wer mit seinen Büchern wahrgenommen werden will, muss in Zeitungen, Radio, Fernsehen und Internet darüber reden.
Die literaturwissenschaftliche Arbeit mit Interviews von Prof. Dr. Torsten Hoffmann beschäftigt sich u.a. damit, wie sich Frage- und Antworttechniken, Themen und Inszenierungsformen in Interviews mit Schriftsteller*innen historisch verändern. Dabei spielt das jeweilige Medium eine entscheidende Rolle. Als zum Beispiel im Radio der Weimarer Republik politische Sendungen verboten waren, wurden interviewte Autor*innen fast ausschließlich mit politischen Themen konfrontiert – unter dem Mantel der „Kultursendung” ließ sich die strenge Zensur umgehen.
Zudem beschäftigt sich Prof. Hoffmanns Forschung mit der Ästhetik des Interviews, also der Frage, inwiefern in Interviews nicht nur über Kunst gesprochen wird, sondern eine eigene Interview-Kunst entsteht. Wer sich darunter nichts vorstellen kann, sollte sich einmal die online zugänglichen Interviews von Alexander Kluge mit Heiner Müller oder Helge Schneider anschauen. Seit einigen Jahren wird das Interview zudem auch als eine neue Spielform des fiktionalen Erzählens genutzt: Es gibt ganze Romane, die in Interviewform geschrieben worden sind (wie Das Wetter vor 15 Jahren von Wolf Haas oder wir schlafen nicht von Kathrin Röggla). Selbst wer eigentlich keine Interviews lesen will, stößt in der Literatur also auf Interviews – auch deshalb sollte sich die Literaturwissenschaft diese Textsorte in Zukunft genauer anschauen, als es bisher geschehen ist.
Ähnliche Studiengänge
Linguistik: Wer sich mehr für Sprache als für Literatur interessiert, ist in der Linguistik an der richtigen Adresse. Während Linguistikmodule im BA Germanistik nur ein Drittel des Curriculums ausmachen, können Sie sich in der Linguistik voll und ganz auf die Analyse unserer Sprache konzentrieren.
Lehramt Deutsch: Mit den Bildungswissenschaften und der Fachdidaktik kommen im Lehramt noch andere Wissensgebiete im Studium hinzu. Der Wechsel zwischen den beiden Studiengängen ist im höheren Fachsemester jederzeit möglich.
Hinweis zu weiteren verwandten Studiengängen: Die Germanistik ist ähnlich aufgebaut wie die an der Uni Stuttgart angebotene Anglistik oder Romanistik. Alle drei Studiengänge teilen sich in Sprach- und Literaturwissenschaft auf, bei Anglistik und Romanistik kommen noch Landeskunde und Sprachunterricht (Übersetzungs- und Grammatikkurse) hinzu. Mit den Fächern Geschichte, Philosophie und Kunstgeschichte teilen wir das Interesse an historischen, kulturellen oder ästhetischen Phänomenen. Wenn wir in literarischer Hinsicht über Epochenphänomene sprechen, nutzen wir oft die Forschungsergebnisse von Historikern und kommen so mit ihnen ins Gespräch. Und sprachliche Phänomene sind nicht selten auch aus einer philosophischen Perspektive interessant.