PDF-Version und Anlagen | PDF-Fassung dieser Amtlichen Bekanntmachung |
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Veröffentlicht am: | 11. Juli 2023 |
Hinweis | Hinweis zur Rechtsverbindlichkeit |
Auf Grund der §§ 3 Absatz 5 Satz 4, 8 Absatz 5 Satz 1 des Landeshochschulgesetzes (LHG) vom 1. Januar 2005 (GBl. 2005, S. 1), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 21. Dezember 2022 (GBl. S. 649) geändert worden ist hat der Senat der Universität Stuttgart am 21. Juni 2023 die nachstehende Satzung der Universität Stuttgart zum Umgang mit Fehlverhalten in der Wissenschaft beschlossen.
Präambel
Die Beachtung der Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis ist Grundlage einer vertrauenswürdigen Wissenschaft. Die Universität Stuttgart regelt deshalb in dieser Satzung das Amt der Ombudspersonen sowie das Verfahren für den Umgang mit Verdachtsfällen wissenschaftlichen Fehlverhaltens.
§ 1 Ombudspersonen
(1) Der Senat der Universität Stuttgart bestellt für die Bereiche der Ingenieurwissenschaften, der Naturwissenschaften und der Geistes-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften jeweils eine Ombudsperson und deren Stellvertretung. Als Ombudspersonen kommen in Forschung und Lehre erfahrene Professorinnen und Professoren mit nationaler und internationaler Reputation in Betracht, die aufgrund der ihnen möglicherweise zugehenden Informationen nicht selbst zu einschlägigem Handeln, beispielsweise als Prorektorin oder Prorektor, Dekanin oder Dekan oder als vorgesetzte Person, gezwungen sind. Die Amtszeit beträgt 6 Jahre, wobei eine weitere, zweite Bestellung durch den Senat der Universität Stuttgart möglich ist. Die Ombudspersonen sind hochschulöffentlich in geeigneter Weise bekanntzumachen.
(2) Die Ombudspersonen beraten als neutrale und qualifizierte Ansprechpersonen in Fragen guter wissenschaftlicher Praxis sowie in Verdachtsfällen wissenschaftlichen Fehlverhaltens und tragen, soweit möglich, zur lösungsorientierten Konfliktvermittlung bei.
(3) Die Ombudspersonen nehmen die Anfragen unter Wahrung der Vertraulichkeit entgegen und beraten diejenigen, die sie über ein vermutetes wissenschaftliches Fehlverhalten anderer informieren (hinweisgebende Person) und greifen von sich aus einschlägige Hinweise auf, von denen die Ombudspersonen (ggf. über Dritte) Kenntnis erhalten. Auch die eines Fehlverhaltens verdächtigten Personen können sich mit der Bitte um Klärung und Beistand an die zuständige Ombudsperson wenden. Jedes Mitglied der Universität Stuttgart hat Anspruch auf ein zeitnahes Gespräch mit der zuständigen Ombudsperson.
(4) Die Ombudspersonen sind weiterhin vor allem für die Voraufklärung von Verdachtsfällen und für erste Vermittlungsversuche zwischen der hinweisgebenden Person, den verdächtigten Personen sowie ggf. weiteren Beteiligten zuständig. Sie führen das Vorprüfungsverfahren im Sinne dieser Satzung durch.
(5) Sollte die Zuständigkeit der Ombudsperson sich nicht eindeutig aus dem Bereich des vermuteten Fehlverhaltens ergeben, bestimmt die Rektorin oder der Rektor der Universität Stuttgart, welche Ombudsperson zuständig sein soll. Die §§ 20, 21 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes (LVwVfG) in der jeweils gültigen Fassung finden entsprechende Anwendung.
(6) Die Wahrnehmung der Aufgaben der Ombudsperson erfolgt im Fall der Befangenheit und der Verhinderung durch ihre Stellvertretung.
(7) Mitglieder und Angehörige der Universität Stuttgart können sich anstelle der lokalen Ombudspersonen auch an das Ombudsgremium der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) „Ombudsman für die Wissenschaft“ wenden. Ein an der Universität Stuttgart geführtes Verfahren wird bis zum Abschluss des Verfahrens der DFG ausgesetzt.
(8) Ebenso sind die betroffenen Personen darauf hinzuweisen, dass es ihnen freisteht, den ordentlichen Rechtsweg zu beschreiten.
§ 2 Fehlverhalten in der Wissenschaft
(1) Wissenschaftliches Fehlverhalten liegt insbesondere vor, wenn eine Wissenschaftlerin oder ein Wissenschaftler in einem wissenschaftserheblichen Zusammenhang vorsätzlich oder grob fahrlässig
-
- Falschangaben macht,
- sich fremde wissenschaftliche Leistungen unberechtigt zu eigen macht oder
- die Forschungstätigkeit anderer beeinträchtigt.
Als wissenschaftliches Fehlverhalten im Sinne von Satz 1 gelten insbesondere:
1. Falschangaben
a) durch das Erfinden von Daten und/oder Forschungsergebnissen,
b) durch das Verfälschen von Daten und/oder Forschungsergebnissen, insbesondere
i. durch Unterdrücken und/oder Beseitigen von im Forschungsprozess gewonnenen Daten und/oder Ergebnissen, ohne dies offenzulegen,
ii. durch Manipulation einer Darstellung oder Abbildung,
c) durch die inkongruente Darstellung von Bild und dazugehöriger Aussage,
d) durch unrichtige Angaben in einem Förderantrag oder im Rahmen der Berichtspflicht (einschließlich Falschangaben zum Publikationsorgan und zu in Druck befindlichen Veröffentlichungen), soweit diese wissenschaftsbezogen sind,
e) durch die Inanspruchnahme der (Mit-)Autorschaft einer oder eines anderen ohne deren bzw. dessen Einverständnis,
2. unberechtigtes Zueigenmachen fremder wissenschaftlicher Leistungen durch:
a) die ungekennzeichnete Übernahme von Inhalten Dritter ohne die gebotene Quellenangabe („Plagiat“),
b) die Ausbeutung von Forschungsansätzen und Ideen („Ideendiebstahl“),
c) die unbefugte Weitergabe von Daten, Theorien und Erkenntnissen an Dritte,
d) die Anmaßung oder unbegründete Annahme einer Autor- oder Mitautorschaft, insbesondere, wenn kein genuiner, nachvollziehbarer Beitrag zum wissenschaftlichen Inhalt der Publikation geleistet wurde,
e) die Verfälschung des Inhalts,
f) die unbefugte Veröffentlichung und das unbefugte Zugänglichmachen gegenüber Dritten, solange das Werk, die Erkenntnis, die Hypothese, die Lehre oder der Forschungsansatz noch nicht veröffentlicht ist,
3. die Beeinträchtigung der Forschungstätigkeit anderer, insbesondere durch
a) Sabotage von Forschungstätigkeit (einschließlich des Beschädigens, Zerstörens oder Manipulierens von Versuchsanordnungen, Geräten, Unterlagen, Hardware, Software, Chemikalien oder sonstiger Sachen, die andere zu Forschungszwecken benötigen),
b) Verfälschung oder unbefugte Beseitigung von Forschungsdaten oder Forschungsdokumenten,
c) Verfälschung oder unbefugte Beseitigung der Dokumentation von Forschungsdaten.
(2) Wissenschaftliches Fehlverhalten ergibt sich – bei Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit – auch aus
-
- der Mitautorschaft an einer Veröffentlichung, die Falschangaben oder unberechtigt zu eigen gemachte fremde wissenschaftliche Leistungen im Sinne von Ziffer Absatz 1 Nr. 2 enthält,
- der Vernachlässigung der Aufsichtspflichten, wenn eine andere oder ein anderer objektiv den Tatbestand wissenschaftlichen Fehlverhaltens im Sinne von Absatz 1 erfüllt hat und dies durch die erforderliche und zumutbare Aufsicht verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre.
(3) Wissenschaftliches Fehlverhalten im Sinne von Ziffer Absatz 1 Nr. 1 ergibt sich ferner aus der vorsätzlichen Beteiligung (im Sinne einer Anstiftung oder Beihilfe) am vorsätzlichen Fehlverhalten anderer.
(4) Wissenschaftliches Fehlverhalten kann bei einer gutachterlichen Tätigkeit insbesondere vorliegen, wenn vorsätzlich oder grob fahrlässig:
-
- unbefugt Daten, Theorien oder Erkenntnisse, die im Rahmen der gutachterlichen Tätigkeit erlangt wurden, für eigene wissenschaftliche Zwecke verwertet werden,
- im Rahmen der gutachterlichen Tätigkeit unbefugt unter Verletzung der Vertraulichkeit des Begutachtungsverfahrens Anträge oder darin enthaltene Daten, Theorien oder Erkenntnisse an Dritte weitergegeben werden,
- im Rahmen gutachterlichen Tätigkeit in der Absicht, sich oder einer anderen Person einen Vorteil zu verschaffen, wider besseren Wissens Tatsachen nicht offengelegt werden, aus denen sich ein wissenschaftliches Fehlverhalten einer anderen Person ergibt.
§ 3 Verfolgung wissenschaftlichen Fehlverhaltens
(1) Die Universität Stuttgart wird jedem konkreten Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten in der Universität nachgehen. Zu diesem Zweck bestellt die Universität durch den Senat Ombudspersonen für Verdachtsfälle des wissenschaftlichen Fehlverhaltens und setzt eine Kommission zur Sicherung der Integrität wissenschaftlicher Praxis und zum Umgang mit Fehlverhalten in der Wissenschaft ein, für die an der Universität Stuttgart eine geeignet ausgestattete Geschäftsstelle eingerichtet wird.
(2) Die zuständigen Stellen an der Universität Stuttgart (in der Regel Ombudspersonen und Untersuchungskommissionen), die einen Verdacht wissenschaftlichen Fehlverhaltens überprüfen, setzen sich in geeigneter Weise für den Schutz sowohl der Hinweisgebenden als auch der oder des von den Vorwürfen Betroffenen ein. Die Untersuchung von Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens erfolgt ausdrücklich unter Beachtung der Vertraulichkeit und des Grundgedankens der Unschuldsvermutung. Die Anzeige der Hinweisgebenden muss in gutem Glauben erfolgen. Bewusst unrichtig oder mutwillig erhobene Vorwürfe können selbst ein wissenschaftliches Fehlverhalten begründen. Wegen der Anzeige sollen weder der oder dem Hinweisgebenden noch der oder dem von den Vorwürfen Betroffenen Nachteile für das eigene wissenschaftliche oder berufliche Fortkommen erwachsen.
(3) Das im Folgenden dargestellte Verfahren zum Umgang mit Fehlverhalten in der Wissenschaft ersetzt und hindert nicht andere interne oder externe, gesetzlich oder satzungsrechtlich geregelte Verfahren (z. B. Verfahren der Prüfungs- oder Promotionsausschüsse, arbeits- oder beamtenrechtliche Verfahren sowie Zivil- oder Strafverfahren). Diese werden ggf. von den jeweils zuständigen Organen eingeleitet und durchgeführt.
§ 4 Kommission der Universität Stuttgart zur Sicherung der Integrität wissenschaftlicher Praxis und zum Umgang mit Fehlverhalten in der Wissenschaft
(1) Der Senat der Universität Stuttgart richtet eine ständige Kommission zur Sicherung der Integrität wissenschaftlicher Praxis und zum Umgang mit Fehlverhalten in der Wissenschaft als Ausschuss des Senats ein. Die Kommission hat die Aufgabe, das Rektorat der Universität Stuttgart in Angelegenheiten der Sicherung der wissenschaftlichen Praxis und Redlichkeit zu beraten und Verdachtsfälle des wissenschaftlichen Fehlverhaltens nach den Regelungen dieser Satzung zu untersuchen.
(2) Die Kommission setzt sich unter Beachtung des § 10 LHG zusammen aus:
- sieben Mitglieder der Gruppe der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer im Sinne von § 10 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 LHG,
- zwei Mitglieder der Gruppe der Akademischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Sinne von § 10 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 LHG,
ein Mitglied der Gruppe der Studierenden im Sinne von § 10 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 LHG, - ein Mitglied der Gruppe der Doktorandinnen und Doktoranden im Sinne von § 10 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 LHG,
- ein Mitglied der Gruppe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Verwaltung und Technik im Sinne von § 10 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 LHG,
- und einem externen Mitglied mit der Befähigung zum Richteramt oder Erfahrungen mit außergerichtlichen Schlichtungen.
Die Mitglieder repräsentieren die Gebiete der Geistes-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, Naturwissenschaften sowie Ingenieurwissenschaften. Die Ombudspersonen oder ihre Stellvertretung gehören der Kommission als ständige Gäste mit beratender Funktion an. Der Senat der Universität Stuttgart bestellt die Mitglieder der Kommission und für die internen Mitglieder deren jeweilige Stellvertretung. Die Geschäftsführung für die Kommission wird durch die Zentrale Verwaltung der Universität Stuttgart wahrgenommen.
(3) Die Amtszeit der Kommissionsmitglieder beträgt vier Jahre. Im Falle des Mitglieds aus der Gruppe der Studierenden im Sinne von § 10 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 LHG sowie des Mitglieds der Gruppe der Doktorandinnen und Doktoranden im Sinne von § 10 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 LHG, beträgt die Amtszeit ein Jahr. Wiederwahl ist in beiden Fällen möglich. Die Kommission wählt aus ihrer Mitte eine vorsitzende Person und deren Stellvertretung.
§ 5 Verfahrensgrundsätze
(1) Die Kommission entscheidet mit Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder. Im Übrigen gilt die Verfahrensordnung der Universität Stuttgart in der jeweils gültigen Fassung, sofern in dieser Satzung nichts anderes geregelt ist.
(2) Sowohl die Ombudsperson im Vorprüfungsverfahren als auch die Kommission im Untersuchungsverfahren entscheiden im Wege der freien Beweiswürdigung. Sofern es sachdienlich ist, kann die Ombudsperson oder die Kommission im Zuge des Verfahrens weitere Beweismittel erheben, Gutachterinnen oder Gutachter sowie fachkundige Zeuginnen oder Zeugen beauftragen und befragen. Insbesondere gelten die §§ 20, 21, 26, 88 bis 93 Landesverwaltungsverfahrensgesetz (LVwVfG) in der jeweils gültigen Fassung entsprechend.
(3) Die Fakultäten, Einrichtungen und Institutionen der Universität Stuttgart unterstützen die Aufklärung von Verdachtsfällen wissenschaftlichen Fehlverhaltens vorbehaltlos und gewähren den Ombudspersonen und der Kommission im Rahmen des Vorprüfungs- oder Untersuchungsverfahrens Zugang zu den für die Aufklärung sachlich erforderlichen Unterlagen oder Einrichtungen.
(4) Die informierende Person und die restlichen Beteiligten des Verfahrens genießen grundsätzlich den Schutz der Ombudspersonen und der Kommission, sofern von der im Verfahren jeweils zuständigen Stelle an Hand der Umstände des Einzelfalls der Wegfall der Schutzwürdigkeit nicht festgestellt wird. Insbesondere die persönliche Integrität sowie der wissenschaftliche und der berufliche Werdegang dieser Personen darf im Fall einer Schutzwürdigkeit nicht beeinträchtigt werden.
(5) Die Zuständigkeit der Prüfungs-, Promotions- und Habilitationsausschüsse für die Feststellung und Ahndung wissenschaftlichen Fehlverhaltens im unmittelbaren Zusammenhang mit der Verleihung von akademischen Graden bleibt unberührt. Leitet der zuständige Prüfungs-, Promotions- oder Habilitationsausschuss aufgrund eines hinreichenden Verdachts des wissenschaftlichen Fehlverhaltens ein Verfahren ein, so setzt die Kommission ihre Untersuchung vorläufig aus. Sofern einer Ombudsperson oder der Kommission ein Verdacht auf ein Fehlverhalten, das zur Verleihung eines akademischen Grades geführt hat, mitgeteilt wird, ist der Verdachtsfall an den zuständigen Fachausschuss weiterzuleiten.
(6) Das Verfahren zur Untersuchung wissenschaftlichen Fehlverhaltens ist innerhalb einer angemessenen Frist durchzuführen.
§ 6 Vorprüfungsverfahren
(1) Im Falle konkreter Verdachtsmomente für wissenschaftliches Fehlverhalten soll im Regelfall zunächst die zuständige Ombudsperson, sofern möglich unter Beifügung von Beweisen, Belegen o. ä., unterrichtet werden. Diese Information soll schriftlich erfolgen; bei mündlicher Unterrichtung ist ein schriftlicher Vermerk über den Verdacht und die belastenden Beweise und Belege aufzunehmen.
(2) Die Ombudsperson ergreift unverzüglich die ihr geeignet erscheinenden bzw. gebotenen Schritte, um den näheren Sachverhalt möglichst umfassend und diskret aufzuklären. Bei hinlänglich konkretisierten Verdachtsmomenten für wissenschaftliches Fehlverhalten ist der oder dem vom Verdacht des Fehlverhaltens Betroffenen zum frühestmöglichen und geeigneten Zeitpunkt Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Frist zur Stellungnahme beträgt in der Regel 4 Wochen. Dabei ist die betroffene Person darauf hinzuweisen, dass es ihr freisteht, sich zu dem Verdacht zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen oder jederzeit einen von ihr zu benennenden (Rechts-)Beistand hinzuzuziehen. Der Name der informierenden Person wird ohne deren Einverständnis in diesem Verfahrensstadium nicht genannt.
(3) Die Ombudsperson prüft die erhobenen Vorwürfe unter Plausibilitätsgesichtspunkten auf Konkretheit, Bedeutung und auf mögliche Motive und im Hinblick auf Möglichkeiten der Ausräumung bzw. Entkräftung der Vorwürfe. Es soll, wenn möglich, versucht werden eine gütliche Einigung zwischen den Beteiligten herbeizuführen. Erweist sich ein Verdacht als hinreichend konkret und sind ggf. mögliche Vermittlungsversuche nicht erfolgreich, so übermittelt die Ombudsperson die Vorwürfe (unter Wahrung der Vertraulichkeit gegenüber der informierenden Person) sowie einen schriftlichen Bericht über die Ergebnisse des Vorprüfungsverfahrens an die Vorsitzende Person der Kommission. Im Übrigen ist die Ombudsperson zur Verschwiegenheit verpflichtet.
(4) Das Vorprüfungsverfahren ist einzustellen, wenn der Verdacht widerlegt wird, sich nicht hinreichend bestätigt oder ein vermeintliches Fehlverhalten sich nicht vollständig aufgeklärt hat. Wird das Vorprüfungsverfahren beendet, ist zunächst die informierende Person unter Mitteilung der wesentlichen Gründe schriftlich zu benachrichtigen. Ist die informierende Person mit der Einstellung des Vorprüfungsverfahrens nicht einverstanden, so hat sie innerhalb von 4 Wochen ab Bekanntgabe der Einstellung das Recht, eine Prüfung der Entscheidung über die Einstellung des Vorprüfungsverfahrens durch die Kommission zu veranlassen. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist oder Entscheidung der Kommission über die Einstellung ist die verdächtigte Person in gleicher Weise zu informieren.
§ 7 Untersuchungsverfahren
(1) Die Mitteilung der hinreichend konkreten Verdachtsmomente durch die Ombudsperson an die vorsitzende Person der Kommission leitet ein Untersuchungsverfahren ein. Die vorsitzende Person der Kommission teilt dem Rektorat der Universität Stuttgart die Einleitung eines Untersuchungsverfahrens schriftlich mit.
(2) Die Kommission berät in nichtöffentlicher mündlicher Verhandlung. Die gegenständliche Angelegenheit ist von allen Beteiligten vertraulich zu behandeln.
(3) Der verdächtigten Person ist mit einer Frist von 4 Wochen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Dabei ist sie darauf hinzuweisen, dass es ihr freisteht, sich zu dem Verdacht zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen oder jederzeit einen von ihr zu benennenden (Rechts-)Beistand hinzu zu ziehen. Die verdächtigte Person ist auf Wunsch auch persönlich von der Kommission anzuhören.
(4) Soweit andere Personen angehört werden sollen, haben auch diese das Recht auf mündliche Anhörung und die Hinzuziehung eines Beistandes. Soweit die verdächtigte Person zur sachgerechten Verteidigung Kenntnis von der informierenden Person benötigt und das Interesse an einer Geheimhaltung nach Abwägung aller widerstreitenden Interessen nicht überwiegt, ist ihr der Name mitzuteilen. Eine Offenlegung des Namens erfolgt auch, wenn hierzu eine gesetzliche Verpflichtung besteht.
(5) Hält die Kommission ein wissenschaftliches Fehlverhalten für nicht erwiesen oder für widerlegt, wird das Verfahren eingestellt. Hält die Kommission ein wissenschaftliches Fehlverhalten für erwiesen, legt sie das Ergebnis ihrer Untersuchung dem Rektorat der Universität Stuttgart mit einem Vorschlag zu weiteren Maßnahmen und einer Sanktionierung, auch in Bezug auf die Wahrung der Rechte anderer, zur Entscheidung und weiteren Veranlassung vor.
(6) Die wesentlichen Gründe, die zur Einstellung des Verfahrens oder zur Feststellung eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens geführt haben, sind der verdächtigten Person und der hinweisgebenden Person schriftlich mitzuteilen. Das universitätsinterne Verfahren ist mit dieser Entscheidung der Kommission abgeschlossen.
(7) Nach Abschluss des Untersuchungsverfahrens identifiziert die zuständige Ombudsperson alle Personen, die in den Fall involviert waren oder sind. Sie berät die Personen, insbesondere die Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Studierenden, die unverschuldet in Vorgänge von wissenschaftlichem Fehlverhalten verwickelt wurden, in Bezug auf eine Absicherung ihrer persönlichen und akademischen Integrität.
(8) Die Akten werden 10 Jahre aufbewahrt.
(9) Die Satzung der Universität Stuttgart zur Regelung des Verfahrens des Senats und seiner Ausschüsse (Geschäftsordnung) gilt für die Kommission zur Untersuchung wissenschaftlichen Fehlverhaltens sinngemäß.
§ 8 Entscheidung durch das Rektorat und Sanktionen
(1) Wird ein wissenschaftliches Fehlverhalten durch die Kommission festgestellt, prüft das Rektorat der Universität Stuttgart sowohl zur Wahrung des wissenschaftlichen Standards der Universität Stuttgart als auch zur Wahrung der Rechte aller direkt und indirekt Betroffenen die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen.
(2) Mögliche Maßnahmen und Sanktionen können hierbei sein:
1. Rüge der beschuldigten Person,
2. Aufforderung an die beschuldigte Person, inkriminierte Veröffentlichungen zurückzunehmen oder zu korrigieren bzw. die Veröffentlichung inkriminierter Manuskripte zu unterlassen,
3. Rücknahme von Förderentscheidungen bzw. Rücktritt von Förderverträgen, soweit die Entscheidung von der Hochschule getroffen oder der Vertrag von der Hochschule geschlossen worden ist, ggf. einschließlich einer Mittelrückforderung,
4. Ausschluss von einer Tätigkeit als gutachtende Person oder Gremienmitglied der Hochschule auf Zeit.
(3) Die zuständigen Gremien der Universität Stuttgart prüfen zudem die akademischen Konsequenzen, wie z. B. ein Entzug akademischer Titel bzw. Grade. Die Fakultäten prüfen in Zusammenarbeit mit dem Rektorat der Universität Stuttgart, ob und inwieweit andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (frühere und mögliche Kooperationspartnerinnen und -partner, Mitautorinnen und -autoren o. ä.), wissenschaftliche Einrichtungen, Fachzeitschriften, Verlage oder andere Publikationsmedien, Fördereinrichtungen und Wissenschaftsorganisationen, Standesorganisationen, Ministerien und die Öffentlichkeit benachrichtigt werden dürfen, sollen oder müssen.
Die Sanktionierung eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles und ist abhängig von der Schwere des nachgewiesenen Fehlverhaltens.
(4) Die jeweils zuständigen Organe oder Einrichtungen leiten je nach Sachverhalt arbeits-, disziplinar-, zivilstraf-, ordnungs- oder öffentlich-rechtliche Maßnahmen mit den entsprechenden Verfahren ein. Dies können insbesondere sein:
5. arbeitsrechtliche Abmahnung, ordentliche Kündigung, Vertragsauflösung, außerordentliche Kündigung,
6. Einleitung eines beamtenrechtlichen Disziplinarverfahrens mit den dort vorgesehenen, auch einstweiligen, Maßnahmen,
7. Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche – auch im Wege einstweiligen Rechtsschutzes –, insbesondere auf Schadensersatz, Herausgabe oder Beseitigung/Unterlassung,
8. Strafanzeige an die Polizei oder die Staatsanwaltschaft,
9. Ordnungswidrigkeitenanzeige an die zuständige Behörde,
10. Geltendmachung etwaiger öffentlich-rechtlicher Ansprüche, auch im Wege einstweiligen Rechtsschutzes.
Andere als die in Absatz 4 genannten Sanktionen und Maßnahmen können nur verhängt werden, wenn sie in Ansehung der Rechtsgüter und berechtigten Interessen der beschuldigten Person verhältnismäßig sind.
§ 9 Jahresbericht der Ombudspersonen und der Kommission
Die Ombudspersonen und die Kommission erstatten dem Rektorat und dem Senat der Universität Stuttgart einmal jährlich Bericht über die im abgelaufenen Kalenderjahr behandelten Verdachtsfälle in anonymisierter Form.
§ 10 Inkrafttreten
(1) Diese Satzung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung in den Amtlichen Bekanntmachungen der Universität Stuttgart in Kraft. Gleichzeitig tritt die Satzung der Universität Stuttgart zur Sicherung der Integrität wissenschaftlicher Praxis und zum Umgang mit Fehlverhalten in der Wissenschaft vom 31.07.2013 (Amtliche Bekanntmachung Nr. 63/13) außer Kraft.
(2) Sind zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Satzung Vorprüfungs- oder Untersuchungsverfahren anhängig, so werden diese Verfahren nach den bisherigen Regelungen der Richtlinien der Universität Stuttgart zur Sicherung der Integrität wissenschaftlicher Praxis und zum Umgang mit Fehlverhalten in der Wissenschaft vom 31.07.2013 durchgeführt.
(3) Die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Satzung vom Senat berufenen Ombudspersonen und Mitglieder der Kommission der Universität Stuttgart bleiben bis zum Ablauf ihrer Amtszeit oder einem Ausscheiden aus anderen Gründen Ombudspersonen bzw. Mitglieder der Kommission.
Stuttgart, den 30. Juni 2023
gez.
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Wolfram Ressel
Rektor