Gerät zur Nachbearbeitung eines Betonstreifens

Bahnbrechende Forschung im Straßenbau

22. November 2021, Nr. 90

An der Universität Stuttgart wurde eine Prüfanlage zur Optimierung von Betonfahrbahnen eingeweiht.
[Bild: MPA Universität Stuttgart]

70 Prozent des Personen- und Güterverkehrs laufen heute über die Straße. Besonders geeignet für die damit einhergehende hohe Beanspruchung sind Fahrbahndecken aus Beton, die robust und nachhaltig sind und am Ende der Lebensdauer hochwertig recycelt werden können. Wünschenswert wären jedoch noch längere Erneuerungszyklen, da dies Ressourcen schonen sowie die Zahl der Baustellen und Unfälle verringern würde. Wie die Lebensdauer von Betonfahrbahnen auf dem Wege der Digitalisierung weiter verbessert werden kann, untersuchen Forschende der Universität Stuttgart im Rahmen des Projekts „Betonfahrbahn 4.0“, das von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) mit 4,7 Millionen Euro gefördert wird. Zum Projektabschluss wurden an der Universität Stuttgart ein Prüfstand und eine Betonmischanlage eingeweiht, an denen neue Betone, Mischtechnologien und Sensortechniken erprobt werden können.

MPA-Leiter Prof. Harald Garrecht bei der Inbetriebnahme der Anlage. Rechts der neue Straßenfertiger.

Der Betonstreifen, den das Team um Prof. Harald Garrecht von der Materialprüfungsanstalt (MPA) Universität Stuttgart zur Einweihung der Prüfanlage auf dem Campus Vaihingen legen konnte, ist nur fünf Meter lang und etwa einen Meter breit. Doch er hat es in sich: „Die Fahrbahn besteht aus nur einer Schicht. Das ist weitaus komplexer als die auf Baustellen übliche mehrlagige Aufbringungsweise“, erklärt Garrecht. Und die Prüfanlage kann noch mehr. „Mit dem Prüfstand können wir verschiedenste Fragestellungen zu Konstruktion, Material und Prozessen im Technikumsmaßstab untersuchen und auf den Realmaßstab hochskalieren“, so Garrecht.

Dazu gehören zum Beispiel das Erproben verschiedener Betonmischungen sowie die Steuerung der Konsistenzen, um die optimale Einbauqualität zu untersuchen. Ebenso lassen sich mit der Anlage das Erstarrungsverhalten sowie Nachbearbeitungsschritte wie etwa das Schleifen der Fahrbahn (Grinding) und das Aufbringen von Rillen (Grooving) erfassen. Zudem kann der optimale Zeitpunkt ermittelt werden, um die Schnitte in die Fahrbahn zu sägen, die erforderlich sind, um beim Erstarren der Fahrbahn unkontrollierte Risse zu vermeiden.

Studentin Aurelia Gemeinhardt kontrolliert im Rahmen ihrer Masterarbeit die Nachbearbeitung des frisch gelegten des Betonstreifens.

Durch die Optimierung der einzelnen Fertigungsschritte vom Material, über Transport und Einbau bis zur Nachbearbeitung wird eine Verbesserung der Herstellungsqualität erzielt. Es wird damit in Zukunft möglich sein, Straßen herzustellen, die durch ihre höhere Haltbarkeit die Notwendigkeit von Wartungsarbeiten auf ein Minimum zu reduzieren. „Dank der Anlage können wir Betonfahrbahnen realisieren, die in punkto Ebenheit, Dauerhaftigkeit und Widerstandsfähigkeit die erforderliche Qualität aufweisen, um dem wachsenden Verkehrsaufkommen der Zukunft gerecht zu werden“, betont Garrecht.

Kernstück des Prüfstands ist neben dem Straßenfertiger selbst eine Mischanlage der Firma Liebherr, die mit einem Gesteinskornreihensilo für die Beschickung und einem Zementsilo verbunden ist. Als Schlüsselinnovation wurde in Zusammenarbeit mit Liebherr, der Firma Cavex sowie den Instituten für Systemdynamik (ISYS) und für Werkstoffe im Bauwesen (IWB) der Universität Stuttgart ein Antriebsstrang für die rheologische (auf dem Fließverhalten basierende) Mischführung realisiert, für die eigens ein neues Getriebe entwickelt wurde. 

Der neue Prüfstand wurde im Rahmen des Forschungsprojekts „Betonfahrbahn 4.0“ entwickelt. Seit 2017 wird dabei an der MPA in einem Konsortium mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft an der Straße von morgen geforscht. Das Ziel ist die digitale Vernetzung aller Prozessbeteiligten im Betonfahrbahnbau. Betonfahrbahn 4.0 wird aus dem Innovationsprogramm Straße der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) mit 4,7 Millionen Euro gefördert. Projektpartner sind seitens der Universität Stuttgart die Materialprüfungsanstalt (MPA), das Institut für Werkstoffe im Bauwesen (IWB) und das Institut für Systemdynamik (ISYS) Weitere Verbundpartner sind die Firmen CAVEX GmbH & Co.KG, Otto Alte-Teigeler GmbH, Wirtgen GmbH, Liebherr GmbH, Heinz Schnorpfeil Bau GmbH sowie Lehmann & Partner GmbH.

Fachlicher Kontakt:

Prof. Harald Garrecht, Dr. Frank Lehmann, Materialprüfungsanstalt (MPA) Universität Stuttgart, +49 (0)711 685-63323, - 66788; E-Mail Harald Garrecht , E-Mail Frank Lehmann

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