Ob Spanien, Frankreich oder Elbsandsteingebirge: Im Hitzesommer 2022 stehen riesige Waldflächen in Flammen. Vielfach werden die Feuer aus der Luft mit Löschflugzeugen oder Hubschraubern bekämpft, was beides seine Vor- und Nachteile hat. Ein Team des Studiengangs Luft- und Raumfahrttechnik der Universität Stuttgart hat jetzt ein Konzept für ein hybrides Löschflugzeug vorgestellt, das die Vorteile beider Systeme kombiniert – und gewann mit seinem Entwurf „Inferno“ die diesjährige DLR Design Challenge des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt.
Löschflugzeuge werden an einem Flughafen oder an großen Seen mit Wasser betankt und bringen dieses über weite Strecken hinweg schnell und effizient dorthin, wo es brennt. Der Nachteil: Da die Propeller auf den Vorwärtsflug ausgerichtet sind, wird viel Platz zum Starten und Landen bzw. zur Wasseraufnahme (dem sogenannten scooping) benötigt, was die Einsatzmöglichkeiten limitiert. Die Rotorblätter von Hubschraubern dagegen liegen waagrecht und ermöglichen es den Pilot*innen, zur Wasseraufnahme senkrecht über einem kleinen See oder sogar Schwimmbädern nach unten zu gehen. Außerdem kann ein Hubschrauber in der Luft schweben und das Löschwasser präzise über dem Brandherd ablassen. Das macht Hubschrauber flexibler, sie sind aber auch langsamer und verbrauchen deutlich mehr Energie.
Geschwindigkeit und Flexibilität vereint
Um nun die Geschwindigkeit und Effizienz eines Flugzeugs und die Flexibilität eines Hubschraubers zusammenzubringen, entwarfen die Stuttgarter Studierenden Benjamin Knoblauch, Günay Can, Hannes Kahlo, Johannes Ritter, Nicolas Mandry und Prishit Modi für den Wettbewerb ein Flugzeug, das zwei Flugzeugpropeller für den Vorwärtsflug mit acht Propellern für den Senkrechtflug kombiniert. Möglich ist dies durch die leichte Auslegung der Komponenten aus Faserverbundwerkstoffen und, so das Urteil der Jury, „eine geschickte Kombination von Technologien.“ So verfügt der „Inferno“ über einen hybrid-elektrischen Antriebsstrang, der aus Elektromotoren, einer Batterie und einer Gasturbine besteht, und er kann auch in der Luft betankt werden. „Dadurch wird der Kraftstoffverbrauch deutlich reduziert und es steht mehr Zeit zur Brandbekämpfung zur Verfügung“, erklären die Stuttgarter Studierenden. Da die luftgestützte Brandbekämpfung für die Pilot*innen eine sehr herausfordernde und oft auch gefährliche Aufgabe darstellt, wurden beim Entwurf des Flugzeugs zudem der Cockpitergonomie und Unterstützungssystemen viel Aufmerksamkeit gewidmet.
INFERNO Aerial Firefighting Concept - University of Stuttgart - DLR Design Challenge 2022
Teamwork in der Luft
Im Einsatz agiert der „Inferno“ nicht alleine, sondern als Team. Das Betriebskonzept sieht vier bis sechs baugleiche Flugzeuge mit unterschiedlichen Nutzlastmodulen vor: „Poseidon“, „Taru“, „Fons“ und „Aegir“ bekämpfen mit dem Löschwassermodul das Feuer. Ein bis zwei weitere Flugzeuge für Passagiere und Frachten stellen die Versorgung oder Evakuierung von Menschen in Not sowie den Aufbau einer Basisstation sicher. „Damit ist eine ganzjährige Auslastung der Flugzeuge auch außerhalb der Waldbrandzeit möglich“, so die Studierenden.
Betreut haben das Team Prof. Andreas Strohmayer und Johannes Schneider vom Institut für Flugzeugbau (IFB) der Universität Stuttgart. Strohmayer freut sich über den ersten Platz bei der DLR Design Challenge 2022: „Mit ‚Inferno‘ haben unsere Studierenden ein realistisches Löschflugzeug entworfen, das hervorragende Ergebnisse bei allen Kriterien des Wettbewerbs erzielt hat. Sie haben sich sehr engagiert, das bereits erlernte Wissen erfolgreich umgesetzt und sich viel neues Wissen und Kompetenzen angeeignet.“
Einladungen nach Stockholm und Dresden
Die DLR Design Challenge richtet sich an Studierende technischer Universitäten in Deutschland. Dabei konnten sich die jungen Flugzeugkonstrukteure der Universität Stuttgart gegen fünf weitere Teams durchsetzen. Als Sieger dürfen sie im September ihren Entwurf an der ICAS Konferenz (Congress of the International Council of the Aeronautical Science) und am Deutschen Luft und Raumfahrtkongress (DLRK) in Dresden vor internationalen Luftfahrtforscher*innen vorstellen.
Fachlicher Kontakt:
Johannes Scheider, Universität Stuttgart, Institut für Flugzeugbau (IFB), Abt. Analytischer Flugzeugentwurf, Tel. 0711 685-60483, E-Mail