„Mit Projekten wie dem Hybrid-Flachs Pavillon wollen wir Lösungen für zukunftsfähiges Planen und Bauen zeigen und einen zweiseitigen Wissenstransfer zwischen Forschung und Bauunternehmen ermöglichen. Die Nominierung für den diesjährigen Deutschen Nachhaltigkeitspreis in der Kategorie Architektur zeigt einmal mehr, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wir freuen uns über die hohe Anerkennung und sind natürlich gespannt, ob unser Projekt im Herbst erfolgreich sein kann“, sagt Professor Achim Menges, Leiter des Instituts für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung (ICD) und Sprecher des Exzellenzclusters Integratives computerbasiertes Planen und Bauen für die Architektur (IntCDC). Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Deutscher Nachhaltigkeitspreis nach Stuttgart geht: Im Jahr 2020 erhielt das IntCDC-Team den Sonderpreis Digitalisierung für den „BUGA Holzpavillon“.
„Der Kampf gegen den Klimawandel zwingt uns dazu, Stahl und Beton durch biobasierte Baumaterialien zu ersetzen, wo immer dies möglich ist. Der Hybrid-Flachs Pavillon zeigt beispielhaft, wie wir die jährlich nachwachsende Kulturpflanze Flachs für das regenerative Bauen der Zukunft nutzen können, um die knappe und wertvolle Ressource Holz zu schonen,“ sagt Professor Jan Knippers, Leiter des Instituts für Tragkonstruktionen und konstruktives Entwerfen (ITKE) an der Universität Stuttgart und Stellvertretender Sprecher des Exzellenzclusters Integratives computerbasiertes Planen und Bauen für die Architektur (IntCDC).
Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis in der Kategorie Architektur wird 2024 zum zwölften Mal von der Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis vergeben, gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB e.V.). Der renommierte Preis zeichnet Gebäude aus, die transformative Wirkung, Innovation und herausragende gestalterische Qualität verbinden. Neun Projekte hat die Jury in diesem Jahr nominiert. Das Siegerprojekt wird im Rahmen des Deutschen Nachhaltigkeitstages am 29. November bekanntgegeben.
Zur Nominierung des Hybrid-Flachs Pavillon in der Kategorie Architektur heißt es in der Begründung unter anderem: „Die Jury sieht im Hybrid-Flachs Pavillon einen richtungsweisenden Ansatz des materialeffizienten Bauens mit nachwachsenden Rohstoffen: der traditionell als Textil (Leinen) verwendete Flachs kann durch den Einsatz entsprechend weit entwickelter technologische Prozesse den Ressourceneinsatz signifikant verringern.“
Biobasierte Materialien und neuartiges, ressourcenschonendes Tragsystem
Der Hybrid-Flachs Pavillon ist das Ergebnis langjähriger Forschung des Exzellenzclusters IntCDC der Universität Stuttgart. Dank integrativer computerbasierter Planungsmethoden und digitaler Fertigungsprozesse betrug die Planungszeit für das Projekt nur zehn Monate. Der Bau wurde in Kooperation mit regional ansässigen Unternehmen umgesetzt. Seit April 2024 ist der Pavillon auf dem Gelände der Landesgartenschau 2024 in Wangen zu sehen.
Der Pavillon zeigt erstmals eine Holz-Naturfaser-Hybridkonstruktion als Alternative zu konventionellen Bauweisen. Die Forschenden kombinierten schlanke Brettsperrhölzer mit robotisch gewickelten Flachsfaserkörpern in einem neuartigen, ressourcenschonenden Tragsystem aus regionalen, biobasierten Bauwerkstoffen. „Das Faser-Holz-Hybridsystem nutzt die spezifischen Eigenschaften von Holz und natürlichen Fasern und ermöglicht besonders leichte, effiziente Bauteile mit hervorragender Leistungsfähigkeit“, erklärt Projektleiterin Monika Göbel.
Die Forschenden setzten beim Hybrid-Flachs Pavillon aber nicht nur auf nachwachsende, rezyklierbare Materialien. Zudem entwickelten sie das Bausystem in zirkulärer Bauweise: Die Holz-Naturfaser-Hybridkonstruktion und zentrale Bauteile wie zum Beispiel die Fassade, die Dacheindeckung oder die Eingangsbox können sortenrein in ihre Einzelteile zerlegt und so gut wiederverwendet oder -verwertet werden.
Auch das Energiekonzept des Gebäudes ist nachhaltig gedacht. Der Energiebedarf des Pavillons wird zu 100 Prozent durch lokale Geothermie gedeckt. Im Sommer sorgen eine verschattende Eingangsbox und eine spezielle Sonnenschutzverglasung für angenehmes Raumklima. Der Klimagarten, das Herzstück des Bauwerks, dient als Innenhof und ermöglicht eine natürliche Querlüftung und Kühlung. Die Fassade kann dafür an vielen Stellen geöffnet werden. Das Gebäude ist dank einer aktivierbaren Bodenplatte aus Recyclingbeton auch im Winter nutzbar.
Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis
Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis ist die nationale Auszeichnung für Spitzenleistungen der Nachhaltigkeit in Wirtschaft, Kommunen und Forschung. Mit sechs Wettbewerben, über 1.300 Bewerbern und 3.000 Gästen zu den Veranstaltungen ist der Preis der größte seiner Art in Europa. Gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) hat der DNP 2012 eine Sonderauszeichnung für zukunftsweisendes Bauen ins Leben gerufen, die die Bedeutung des Immobiliensektors für die wichtigsten Zukunftsherausforderungen widerspiegelt. Nominiert sind in diesem Jahr neun Projekte. Das Siegerprojekt wird im Rahmen des Deutschen Nachhaltigkeitstages am 29. November in Düsseldorf auf großer Bühne ausgezeichnet.
Hybrid-Flachs Pavillon und Wangen Turm: Besuchermagnete auf der Landesgartenschau
Auf dem Ausstellungsgelände der Landesgartenschau in Wangen können Besucher*innen neben dem Hybrid-Flachs Pavillon derzeit noch einen weiteren IntCDC-Forschungsbau erleben: Der 22 Meter hohe Wangen Turm ist der weltweit erste begehbare Turm, der gekrümmte Brettsperrholz-Bauteile verwendet, die sich durch das Schwinden des Holzes selbsttätig formen. Die tragende, spiralförmig aufstrebende Holzstruktur des Turms stellt mit gerade einmal 130mm Materialstärke eine schlanke, ressourcenschonende und zugleich leistungsfähige Holzkonstruktion dar. Noch bis zum 6. Oktober 2024 können Wangen Turm und Hybrid-Flachs Pavillon im Rahmen der Landesgartenschau besichtigt werden. Vom 3. bis 4. September findet auf dem Ausstellungsgelände ein Aktionstag des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) statt, an dem auch rund um den Hybrid-Flachs Pavillon Informationen und Gesprächsmöglichkeiten geboten sind. Nach dem Ende der Landesgartenschau verbleiben der Hybrid-Flachs Pavillon und der Wangen Turm dauerhaft auf dem Gelände.
Forschungsprofil Architecture and Adaptive Buildings der Universität Stuttgart
Kontakt | Monika Göbel, Universität Stuttgart, Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung,Tel.: +49 711 685 81929, E-Mail |
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Lena Jauernig
Redakteurin Wissenschaftskommunikation / Wissenschaftlicher Nachwuchs