Richard Powers, Professor am Institut für Literaturwissenschaften und am Institut für Erziehungswissenschaften an der Universität Stuttgart sowie Experte für Onlinelehre, ist mit dem Lehrepreis 2021 ausgezeichnet worden. Studierende schätzen Powers für seine motivierende und engagierte Art. Powers erzählt im Interview, was seine Lehre ausmacht und warum sie auch während der Pandemiesemester nicht an Qualität eingebüßt hat.
Herr Powers, herzlichen Glückwunsch zum Lehrepreis. Was ist Ihr Kerngebiet und was begeistert Sie daran?
Vielen Dank! Meine Universitätslaufbahn habe ich in der britischen und amerikanischen Literaturwissenschaft begonnen. Seit mehr als 30 Jahren unterrichte ich Literaturwissenschaften an der Universität Stuttgart. 1991 habe ich begonnen, Lehramtsstudierende für den Schuldienst auszubilden. Von da an stand für mich in meiner Lehre die Frage „Wie lernen wir?“ im Vordergrund. Lernsettings zu gestalten fasziniert mich, weil durch sie alle Menschen in den Lernprozess und den Zugang zu Wissen eingebunden sind.
Die Studierenden schätzen Ihre methodische Vielfalt und, dass Sie zu angeleiteten Selbstlernphasen sowie zur aktiven Reflexion und Nutzung digitaler Tools motivieren und befähigen. Wofür wurden Sie aus Ihrer Sicht mit dem Lehrepreis ausgezeichnet?
Der Preis ist ein Gewinn für die Onlinelehre und Digitalisierung. An der Universität praktizieren wir teils überholte Lehrmethoden – 90 Minuten mit einer PowerPoint-Präsentation referieren und am Ende des Semesters in einer Prüfung alle Inhalte zusammengefasst abfragen. Heutzutage stellen die Studierenden andere Ansprüche an Vorlesungen und Seminare, denn die Welt heute ist eine andere: Was wir brauchen, sind Lehrformate, die auf der Basis neurowissenschaftlicher Erkenntnisse über das Lernen funktionieren und unterschiedliche Lerntypen einschließt.
Bereits vor der Pandemie hat sich die Onlinelehre für mich als erfolgreich und effizienter erwiesen. Um ein Beispiel zu nennen: Ich habe amerikanische Soldaten online unterrichtet, die während ihres Kriegseinsatzes ihren Hochschulabschluss nachholen wollten. Diese Erfahrung hat mir einmal mehr gezeigt, dass Onlinelehre eine wichtige Rolle in unserer Gesellschaft spielt. Als die Pandemie die Lehre auf dem Campus nicht mehr zuließ, gab es keine gut strukturierte und umgesetzte Lehre, denn die Dozent*innen waren für so eine Situation nicht gerüstet. In meinen Kursen hingegen haben die Studierenden von einer guten Struktur profitieren können, die ich dank jahrelanger Erfahrung auch online einzusetzen weiß.
Ich freue mich sehr über diese Auszeichnung der Studierenden. Wir haben hier wirklich tolle Studierende an der Universität Stuttgart und mit ihnen zu lernen ist jeden Tag aufs Neue ein Highlight für mich.
Die Studierenden hoben bei Ihrer Nominierung vor allem Ihr Seminar „Project-Based Learning with eTwinning for Interculturality“ als besonders lebendig hervor. Wodurch zeichnet sich diese Lehrveranstaltung aus? Was steckt hinter eTwinning?
Das Programm eTwinning gibt es seit 2005. Dahinter steckt eine digitale Plattform für Schulen in Europa. Der Zweck ist, sich mit anderen Schulen zu vernetzen und gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten. Ich bin erstmalig 2017 auf eTwinning gestoßen. Zwei Jahre später wurde die Plattform dann auch für Lehramtsstudierende an Hochschulen durch die Professional School of Education (PSE) zugänglich. In meinem Seminar lernen die Studierenden das System kennen und können sich bereits während des Studiums mit anderen künftigen Lehrkräften in ganz Europa vernetzen, austauschen und Projekte vorantreiben. Sind sie nach ihrem Studium im Schuldienst tätig, kennen sie sich bereits bestens aus und können internationale Projektarbeit in ihren Unterricht integrieren. Was ist besser als das?
Der Lehrepreis ist mit 10.000 Euro dotiert. Welche Pläne möchten Sie damit nun angehen? Was sind Ihre Ziele?
Zum einen möchte ich mit dem Geld das Literaturmagazin „Cogito“, das von Studierenden der Universität Stuttgart und der Kunstakademie auf die Beine gestellt wurde, unterstützen. Es wäre großartig, wenn wir eine zweite Ausgabe auf den Weg bringen könnten. Zum anderen würde ich liebend gerne internationale Gastredner*innen zusammenbringen und eine Webinar-Reihe zum Thema Lehren und Lernen an der Universität Stuttgart anbieten.
Außerdem ist es mein Ziel, das, was ich in 31 Jahren Lehre an der Universität Stuttgart aufgebaut habe, zu erhalten. Würden eTwinning, die internationale Zusammenarbeit und blended-learning-Formate verschwinden, wäre das kontraproduktiv und traurig.
Was bedeutet exzellente Lehre für Sie?
Exzellente Lehre bedeutet für mich, sich aufrichtig um die Lernvisionen und -ziele der Studierenden zu kümmern und Teil ihrer Gemeinschaft zu sein, um zu verstehen und zu respektieren, wer sie sind. Es bedeutet auch, Kurse und Lektionen zu konzipieren, die möglichst frei von Lernbarrieren sind, damit so viele Studierende wie möglich ihr erstaunliches Potenzial erreichen und ihre Welt jeden Tag zu einem besseren Ort machen.