Leibniz-Preis für Prof. Jörg Wrachtrup

8. Dezember 2011, Nr. 133

Physiker der Universität Stuttgart erhält wichtigsten deutschen Forschungspreis

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat Prof. Jörg Wrachtrup, dem Leiter des 3. Physikalischen Instituts der Universität Stuttgart, heute den Gottfried-Wilhelm-Leibniz- Preis zuerkannt. Die mit 2,5 Millionen Euro dotierte Auszeichnung gilt als der bedeutendste Forschungspreis in Deutschland und wird auch als „deutscher Nobelpreis" gehandelt. Wrachtrup erhält die Auszeichnung, da er ein völlig neuartiges und sehr erfolgreiches Forschungsgebiet an der Schnittstelle zwischen Festkörperphysik und Quantenoptik erschlossen hat. Als Meilenstein gilt vor allem die Detektion einzelner paramagnetischer Stickstoff-Fehlstellen in Diamant, den sogenannten NV-Zentren, die sich durch eine außergewöhnliche Fotostabilität auszeichnen. Wrachtrup erkannte als erster Wissenschaftler die Bedeutung von NV-Zentren für die Quanteninformationstechnologie und die Messtechnik. Das damit von ihm wesentlich begründete Forschungsfeld strahlt jedoch weit über die Festkörperphysik und die Quantenoptik hinaus bis in die Material- und Lebenswissenschaften hinein.

Bereits vor knapp einem Jahr wurde der 50-jährige Stuttgarter Physiker mit einem ERC Advanced Investigator Grant des europäischen Forschungsrats ausgezeichnet. „Dass Prof. Wrachtrup nun binnen eines Jahres gleich zwei der weltweit renommiertesten Forschungspreise für sich verbuchen konnte, freut uns außerordentlich“, so der Rektor der Universität Stuttgart, Prof. Wolfram Ressel. „Die Entscheidung der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstreicht zudem einmal mehr das außerordentlich hohe Niveau der Stuttgarter Quantenphysik.“

Prof. Wrachtrup und seine Mitarbeiter am 3. Physikalischen Institut der Universität Stuttgart sind für ihre Arbeiten zur Manipulation einzelner Atome in Diamant weltweit bekannt und erreichten damit zahlreiche Publikationen insbesondere in den Fachzeitschriften Nature, Nature Physics und Science. Die Wissenschaftler platzieren gezielt einzelne Atome in Diamanten und erzeugen so einen Defekt im Diamantgitter. Die Quanteneigenschaften der Defekte nutzen sie, um neuartige Lichtquellen oder Sensoren mit bisher unerreichter Empfindlichkeit zu erzeugen.
2009 gelang die Synthetisierung von Diamanten aus Methanplasma, die 10.000 Mal reiner sind als lupenreine Steine. Im Jahr 2010 konnte die Gruppe gemeinsam mit Kollegen der Ruhr Universität Bochum und aus Austin/Texas erstmals zwei Stickstoffatome in einem Abstand von nur wenigen Nanometern so platzieren, dass über eine Laseranregung eine quantenmechanische Kopplung entsteht und damit einen weiteren Meilenstein in Richtung Quantencomputer markieren. Defekte in Nanodiamanten lassen sich zudem auch in der Medizin zum Beispiel als Tumormarker nutzen. Solche neuartigen, aufgrund ihrer Quanteneigenschaften einmaligen Biosensoren entwickeln Wrachtrup und sein Team gemeinsam mit Biologen und Medizinern.

Prof. Jörg Wrachtrup wurde 1961 in Herford geboren und studierte Physik an der FU Berlin. Dort promovierte er 1994 mit einer Doktorarbeit über Magnetische Resonanz an einzelnen Molekülen. Nach einer Postdoktorandenzeit am Institut für Physik der TU Chemnitz habilitierte er sich dort im Jahr 1998 mit einer Arbeit über Optische Spektroskopie an einzelnen Quantensystemen im Festkörper. Er erhielt Rufe an die Universitäten Hamburg, Göttingen, Leipzig, Aachen und Stuttgart. Seit Januar 2000 leitet er das 3. Physikalische Institut der Universität Stuttgart. Die interdisziplinäre Ausrichtung der Forschung Wrachtrups lässt sich auch an seinen zahlreichen Kooperationen mit wissenschaftlichen Einrichtungen in aller Welt ablesen. So ist er zum Beispiel Inhaber einer Exzellenzprofessur an der ENS in Paris und war als Gastprofessor in Harvard tätig. Im Jahr 2011 ist er zum Max Planck Fellow am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart berufen worden.

Der Leibniz-Preis wird seit 1986 jährlich von der DFG vergeben und gilt auch weltweit als einer der wichtigsten Wissenschaftspreise; sechs der bisherigen Träger erhielten später auch den Nobel-Preis. An der Universität Stuttgart wurde die Auszeichnung in der jüngeren Vergangenheit auch Prof. Frank Allgöwer vom Institut für Systemtheorie und Regelungstechnik (2004) sowie Prof. Dr. Hans-Joachim Werner, Direktor des Instituts für Theoretische Chemie (2000) zuerkannt.

Weitere Informationen:
Prof. Jörg Wrachtrup, Universität Stuttgart, 3. Physikalisches Institut Tel. 0711/685-65277/78, e-mail wrachtrup@physik.uni-stuttgart.de.

 
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