Eine menschliche Hand (violett gefärbt) und eine Hand eines Roboters (grün gefärbt) berühren einander.

Mensch-Maschine-Interaktion auf einem neuen Level

5. Dezember 2024, Nr. 45

Andreas Bulling erforscht wie intelligente Assistenzsysteme mit uns kollaborieren können.

Andreas Bulling erforscht an der Universität Stuttgart intelligente Assistenzsysteme, die etwa in der medizinischen Diagnostik, der Pflege oder als „Alltagshelfer“ Menschen bestmöglich unterstützen sollen. Künftig sollen sie sogar in der Lage sein, sich in ihr Gegenüber hineinzuversetzen. Für seine fachliche Expertise auf dem Gebiet der Mensch-Maschine-Interaktion und sein Engagement in der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung hat die Alexander von Humboldt-Stiftung Bulling zum Henriette-Herz-Scout ernannt.

Intelligente Assistenzsysteme werden künftig immer häufiger und enger mit uns Menschen zusammenarbeiten – sei es in der Pflege, in der medizinischen Diagnostik oder im Alltag. Bereits heute können sie Körpersprache, Mimik oder Blickrichtungen erfassen und wahrnehmen, ob wir zum Beispiel traurig oder fröhlich sind. Sich in ihr Gegenüber hineinversetzen und empathisch reagieren können sie jedoch noch nicht.

Andreas Bulling will intelligenten Assistenzsystemen die Fähigkeit der Theory of Mind geben, sodass sie sich in ihr menschliches Gegenüber hineinversetzen können.

„Dazu müssen wir diesen Systemen beibringen, unsere Bedürfnisse, Ziele und Intentionen zu erkennen“, sagt Prof. Andreas Bulling, Experte für Mensch-Maschine-Interaktion und Kognitive Systeme an der Universität Stuttgart. Das heißt, sie brauchen deutlich bessere sensorische und kognitive Fähigkeiten. „Die Vision ist, intelligente Assistenten oder Avatare zu schaffen, mit denen wir wie mit Menschen zusammenarbeiten können“, so der Wissenschaftler.

Bulling nominiert drei Humboldt-Forschungsstipendiaten

2018 gab ein ERC Starting Grant Bulling die Chance, mit der Forschung an seiner Vision zu beginnen. Bisher begleitete der Informatiker 14 Doktorand*innen und Post-Docs auf ihrem Weg in die Wissenschaft. Sieben von ihnen sind heute selbst als Professor*innen tätig, 16 weitere Doktorand*innen betreut er momentan in seiner Forschungsgruppe. Nun wurde Bulling von der Alexander von Humboldt-Stiftung zum Henriette-Herz-Scout ernannt - der zweite Stuttgarter Scout nach Professor Johannes Kästner.

Porträtaufnahme von Professor Andreas Bulling
Als Post-Doc ermöglichte ein Humboldt-Stipendium Bulling einen Forschungsaufenthalt an der Universität Cambridge in England. Heute ist er selbst in der Nachwuchsförderung aktiv.

In der Rolle als Scout nominiert Bulling drei internationale Nachwuchsforschende für ein zweijähriges Forschungsstipendium in seiner Abteilung Collaborative Artificial Intelligence (CAI) am Institut für Visualisierung und Interaktive Systeme (VIS). „Das ist eine einzigartige Förderung, um junge Talente an die Universität Stuttgart zu holen“, so Bulling, der dank eines Feodor-Lynen-Fellowships der Humboldt-Stiftung selbst für zweieinhalb Jahre als Post-Doc an der Universität Cambridge in England forschte.

Förderangebote auf Post-Doc-Level sind rar und mit viel bürokratischem und zeitlichen Aufwand verbunden. Oft verliere man so im Rennen um den top ausgebildeten Nachwuchs gegen andere Universitäten, sagt Bulling. „Mit dem Humboldt-Fellowship ist es innerhalb von nur wenigen Wochen nach der Nominierung möglich bei uns mit der Forschung zu starten.“ 

Kognitive Modellierung verbessert Mensch-Maschine-Interaktion

Er habe bereits vielversprechende Kandidat*innen im Kopf, sagt Bulling, doch mehr verraten wolle er noch nicht. Einbinden möchte er die neuen Humboldt-Fellows unter anderem auf dem Gebiet der kognitiven Modellierung. „Aktuell forschen wir intensiv daran, intelligenten Agenten die Fähigkeit der Theory of Mind zu geben“, erklärt Bulling.

Theory of Mind meint die kognitive Fähigkeit, sich empathisch in sein Gegenüber hineinversetzen zu können. Das bedeutet konkret, mentale Zustände als mögliche Ursache eines beobachteten Verhaltens zu verstehen und dann eigene soziale Handlungen oder die des Gegenübers erklären und vorhersagen zu können. Dazu ist es notwendig, Gedanken, Gefühle, Absichten und Erwartungen des Verhaltens anderer korrekt zu erkennen und zu verstehen. Die meisten Menschen wenden diese Fähigkeit ganz natürlich in Interaktionen mit anderen an. Computern ähnliche Fähigkeiten beizubringen ist jedoch äußerst komplex.

Wenn Bulling und sein Team damit erfolgreich sind, wäre es möglich zum ersten Mal Assistenzsysteme zu entwickeln, die Handlungen proaktiv ausführen können. „Ein solcher Assistent könnte beispielsweise zukünftig antizipieren, dass eine Patientin Hilfe bei einer Alltagsaufgabe benötigt und proaktiv Unterstützung anbieten.“ Assistenzsysteme wären damit in der Lage auf den emotionalen Zustand sowie Bedürfnisse ihres menschlichen Gegenübers einzugehen.

Eine Forschungsvision interdisziplinär verwirklicht

In Stuttgart erwartet die Humboldt-Fellows eine breit aufgestellte Informatik an direkter Schnittstelle zu den beiden Exzellenzclustern SimTech und IntCDC sowie der ELLIS Unit, die Bulling als einer von zwei Gründungsdirektoren leitet. „Wir sind eine der wenigen interdisziplinären Forschungsgruppen in der Mensch-Maschine-Interaktion und kognitiven Modellierung in Deutschland und Europa“, betont Bulling.

Neben der Forschung werden die Fellows auch Erfahrung in der Lehre und Betreuung von Doktorand*innen sowie dem Einwerben von Drittmitteln sammeln können. „Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist mir sehr wichtig und daher auch umfassend und engmaschig“, sagt Bulling.

Eine menschliche Hand (violett gefärbt) und eine Hand eines Roboters (grün gefärbt) berühren einander.
An der Universität Stuttgart forschen Wissenschaftler*innen interdisziplinär, die Mensch-Maschine-Interaktion zu optimieren.

Strategischer Profilbereich Simulation Science

Über das Alexander von Humboldt Scouting und Fellowship

Das Henriette Herz-Scouting-Programm richtet sich an Forschende verschiedener Karrierestufen und aller Fachrichtungen in Deutschland. Die Voraussetzung für die Funktion als Scout ist eine (Junior-)Professur oder vergleichbare Leitungsposition, zum Beispiel eine Gruppenleitung, sowie ein internationales Kooperationsnetzwerk. Scouts identifizieren exzellente Nachwuchsforschende aus dem Ausland und können bis zu drei internationale wissenschaftliche Talente für ein zweijähriges Forschungsstipendium nominieren. Nach formaler Prüfung werden im Direktverleihungsverfahren jedes Jahr bis zu 100 Stipendien vergeben.

2020 erhielt die Universität Stuttgart den Henriette-Herz-Preis  - eine Auszeichnung für strategisch ausgerichtete Rekrutierung und die Bindung hoch qualifizierter internationaler Nachwuchswissenschaftler*innen.

Fachlicher Kontakt:

Prof. Andreas Bulling, Universität Stuttgart, Institut für Visualisierung und Interaktive Systeme, Tel.: +49 711 685 60048, E-Mail

Dieses Bild zeigt Jacqueline Gehrke

Jacqueline Gehrke

 

Redakteurin Wissenschaftskommunikation

 

Hochschulkommunikation

Keplerstraße 7, 70174 Stuttgart

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